Neues Jagdgesetz für Schleswig-Holstein
Statt Korrekturen deutliche Verschlechterungen
Die schwarz-gelbe Landesregierung in Kiel beabsichtigt, das Landesjagdgesetz in Schleswig-Holstein zu ändern. Doch statt die Möglichkeit zu nutzen, notwendige Verbesserungen für den Naturschutz durchzusetzen, geht es unter dieser Regierung etwa beim Einsatz bleifreier Munition und durch die in den Begleitdokumenten angekündigte weitere Verlängerung der Jagdzeiten für einige Tierarten in großen Schritten zurück.
Kritische Punkte des Jagdgesetzentwurfes sind dabei:
- Der Gesetzentwurf eröffnet die Möglichkeit, die in Deutschland, hier insbesondere in Schleswig-Holstein, ohnehin sehr lange Jagdzeiten noch weiter zu verlängern. Das führt zu langanhaltender Beunruhigung von Wildtieren. Nach Auffassung des NABU wären die Jagdzeiten stattdessen deutlich zu komprimieren, um längere jagdlich störungsfreie Phasen als bisher zu erreichen. Die beiden in der Begründung genannten Beispiele (Rehwild, Wildgänse) zeigen diese Problematik jetzt schon auf: Aus der im Mai beginnenden Jagdzeit für Rehböcke resultiert ein erhebliches Beunruhigungspotenzial für störungsempfindliche Vogelarten (z.B. Seeadler, Rotmilan) zur Brutzeit. Die Jagdzeit für Graugänse (1. August – 15. Januar) ist bereits sehr lang. Soll sie etwa bis in die Fortpflanzungszeit verlängert werden?
- Das Aussetzen von Wild hat sich mehrfach als problematisch erwiesen (Enten, Fasane, Mufflons etc.), die erfolglose Auswilderung von Birkhühnern zieht unangemessene Folgemaßnahmen nach sich, wie den Wegfang von Habichten. Deshalb ist ein hochrangiges Mitentscheidungsrecht der oberen Naturschutzbehörde im Sinne eines Einvernehmens notwendig. Wird die Beteiligung der oberen Naturschutzbehörde dagegen auf ein „Benehmen“ reduziert, geht die nötige Entscheidungskompetenz verloren.
- Mit der vorgesehenen Ausnahmeregelung zum Ausnehmen von Gelegen, die offenbar vor allem auf Graugänse abzielt, werden gravierende Eingriffe in Populationen wildlebender Vogelarten und Störungen zur Fortpflanzungszeit ermöglicht. Bei der Suche nach Gänsegelegen werden wertvolle Lebensräume zu einer ungünstigen Zeit durchstreift, weil dabei nicht nur Graugänse, sondern auch andere Vogelarten massiv zur Brutzeit gestört werden. Nicht ohne Grund ist nach der EU-Vogelschutzrichtlinie das „Sammeln der Eier“ verboten. Zudem ist dafür zu sorgen, dass auch jagdbare Vögel „nicht während der Nistzeit oder während der einzelnen Phasen der Brut- und Aufzuchtzeit bejagt werden“. Da die Entnahme von Gelegen als Jagdausübung gelten würde, würde sich daraus ein Verstoß gegen die EU-VSchRL ergeben.
Viele Jagdbehörden verfügen über keinerlei fachliche Kenntnisse, die Gelegeentnahme räumlich, zeitlich und quantitativ zu limitieren. Dass sie mit der Anwendung derart sensibler Ausnahmebestimmungen vielfach erheblich überfordert sind, hat die Recherche des NABU zur praktizierten Anwendung der Schonzeitabschussregelung ergeben: Manche unteren Jagdbehörden haben den Abschuss von Gänsen während der gesamten Schonzeit gewährt. - Die wildbiologische Forschung hat ergeben, dass nicht nur die Aufnahme von Bleischroten durch gründelnde Wasservögel zu Verlusten infolge Bleivergiftung führt, sondern für (Greif-)Vögel wie v.a. Seeadler und Rotmilan auch die Aufnahme von Bleimunitionsteilen und –abrieb beim Fressen von Aas geschossener Tiere. Gänse werden häufig nicht direkt am Gewässer, sondern in der Feldmark geschossen, wie auch der Begründung zu entnehmen ist. Die toten Vögel werden oft nicht zum menschlichen Verzehr mitgenommen, sondern liegen gelassen, so dass sie von Greifvögeln und anderen Tieren gefressen werden. Wenn nach der beabsichtigten Neuregelung Wasservögel abseits der Gewässer wieder mit Bleischrot geschossen werden dürfen, ergibt sich daraus eine tödliche Gefahr für Seeadler und andere Greifvögel.
Im Übrigen sind die Regierungsfraktionen in ihrer Absicht, die Verwendungsmöglichkeit von Bleimunition zu erweitern, schlecht beraten. Nachdem sich am Beispiel des Seeadlers die toxikologische Problematik von Bleimunition in aller Deutlichkeit herausgestellt hat, das Bundesamt für Risikobewertung eine Verzehrwarnung für mit Bleimunition kontaminiertes Wildbret ausgesprochen und zugleich sich das angeblich höhere Sicherheitsrisiko von bleifreier Munition als nichtig erwiesen hat, bewegt sich die Diskussion auf ein generelles Verbot von bleihaltiger Munition zu. Daran sollte Schleswig-Holstein anknüpfen und die Änderung des Landesjagdgesetzes nutzen, ein allgemeines Gebot für die Verwendung bleifreier Munition festzuschreiben, statt die Beschränkung der Bleischrotverwendung zu lockern und damit völlig widersinnig einen 'Schritt zurück' zu machen. - In der Praxis wird sich wohl selten klären lassen, ob eine Störung oder Behinderung der Jagdausübung wirklich vorsätzlich geschehen ist oder ob es sich bei dem Verursacher um einen dem Jäger missliebigen Spaziergänger gehandelt hat. Auch könnte bereits das kritisch) Ansprechen eines Jägers bei der Jagd als 'vorsätzliche Jagdstörung' interpretiert werden. Tatsächliche intensive Behinderungen durch Tierschützer dürften aber wohl zu den Ausnahmen gehören und bereits je nach Tatbestand als Nötigung, Sachbeschädigung etc. geahndet werden können. Dafür muss man nicht eine neue Vorschrift kreieren, zumal die Regierungsfraktionen als eine Leitlinie auch dieser Gesetzesänderung den `Bürokratieabbau´ verstanden wissen wollen.
Der NABU fordert statt dessen, das Jagdrecht grundlegend zu überarbeiten und dabei an folgenden Leitlinien auszurichten:
- 1. Sinnvolle Verwertung
Die erlegten Tiere sind sinnvoll zu verwerten (Nutzungsgebot). Die Nutzung des Wildbrets muss einen relevanten Beitrag zur Ernährung der Konsumenten leistet bzw. der Balg als wärmender Pelz gefragt sein. Kulinarische Spezialitäten wie `Schnepfendreck´ zählen ebenso wenig dazu wie das Fell von Wieseln oder Iltissen. Ausnahmen von diesem Nutzungsgebot sind nur auf Sondersituationen zu beziehen (z.B. Prädatorenbejagung in Seevogelkolonien) und nicht der herkömmlichen Jagd zuzuordnen. - 2. Bejagung nur häufiger Arten
Tierpopulationen dürfen nur dann bejagt werden, wenn sie weder durch die Jagd selbst noch durch andere Faktoren gefährdet werden. Demnach darf z.B. die Bejagung des Rebhuhns nicht weiter zulässig sein, solange sich nicht wieder flächig stabile, ungefährdete Populationen entwickelt haben. - 3. Jagdbedingte Störungen minimieren
Weder andere Arten noch Lebensräume dürfen durch jagdliche Tätigkeiten beeinträchtigt werden. Störungen von Natur und Landschaft sind zu minimieren. Dies betrifft v.a. die Wasservogeljagd, die Jagd in Naturschutzgebieten sowie die Nutzung jagdlicher Einrichtungen in und an gesetzlich geschützten Biotopen.
Die Stellungnahme des NABU zum Gesetzentwurf können Sie sich unter "Positionen, Gutachten und Stellungnahmen" herunterladen.
ILu 12. November 2011
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