Streuobstwiesen anlegen und pflegen
Extrem bedrohte Lebensräume in Schleswig-Holstein
Streuobstwiesen sind extrem bedrohte Lebensräume, die in vielen traditionell von Streuobstwiesen geprägten Bundesländern auf der Roten Liste der Biotoptypen als ‚stark gefährdet’ eingestuft sind. Als Lebensraum nutzen sie in hohem Maße der Artenvielfalt, dem Landschaftsbild und auch dem Menschen. Nach Schätzung des NABU-Bundesfachausschuss Streuobst gingen die deutschen Streuobstbestände in den Jahren 1950 bis 2010 um bis zu 80% - von ca. 1,5 Mio. ha auf rund 300 – 400.000 ha - zurück. Restbestände von Streuobstwiesen finden sich in Schleswig-Holstein v.a. in größeren Bauerngärten unserer Kulturlandschaft.
Die Bezeichnung „Streuobstwiese“ hat ihren Ursprung in der räumlichen Verteilung der traditionellen hochstämmigen großkronigen Obstbäume, die mehr oder weniger locker über die Landschaft „gestreut“ erscheinen, meist flächenhaft in unregelmäßigen Abständen in Form markanter Einzelbäume in der Flur oder vereinzelnd auf Wiesen, Viehweiden, Mähweiden oder als Alleen an Straßen und Wegen oder als parkartige Bestände an Ortsrändern und Talhängen. Charakteristisch für Streuobstwiesen ist die die landwirtschaftliche Doppelnutzung der Flächen: Die Fruchternte als Obernutzung der Bäume und deren extensive Unternutzung auf Dauergrünland entweder als Mähwiese zur Heugewinnung oder direkt als Viehweide.
Information: Streuobstwiesen
Als wesentliches Charakteristikum der Streuobstbestände muss ihre hohe Arten- und Sortenvielfalt gegenüber den Niederstammplantagen hervorgehoben werden. Streuobstwiesen gelten daher als Hotspots der Biodiversität und können bis zu 5.000 Tier- und Pflanzenarten beheimateten.
Unterschiedlichen Quellen zufolge wird bei mindestens 10 Bäumen je 0,15 Hektar oder bereits ab fünf Hochstammobstbäumen von einer Streuobstwiese gesprochen (MKULNV 2009). Während intensiv bewirtschaftete Obstplantagen bis zu 4.000 Obstbäumchen pro Hektar aufweisen, stehen auf einer Streuobstwiese maximal 150 hochstämmige Obstbäume pro Hektar (NABU DEUTSCHLAND). Bedeutsam ist die wesentlich geringere Bestandszeit von Niederstamm-Dichtepflanzungen im Vergleich zu Streuobstwiesen, letztere entfalten insbesondere in ihrer Altersphase (abnehmende Ertragsphase oder Baumruine) einen besonderen ökologischen Wert.
Definition
Die Definitionen zu Streuobstanbau bzw. Streuobstwiesen von ULLRICH (1975) sowie WELLER (1986) Mitte der 1980er Jahre brachten insbesondere die Anforderungskriterien einer extensiven Pflege der Streuobstwiesen ohne Spritz-, Schnitt- und Düngeplänen, die Verwendung von Hochstammbäumen, die Bedeutung des Einzelbaumcharakters sowie die Vermeidung von Monokulturen hervor. Die Entwicklung der Begriffsdefinition führte schließlich zu der kürzest möglichen und weit verbreiteten Definition von RÖSLER, M. (1991), der den Begriff „Streuobstwiese“ folgendermaßen definiert:
• „Extensiv genutzte Kombination von Hochstamm-Obstbäumen und Grünland“
Als weitere wichtige Kriterien für den Streuobstbau nennt RÖSLER (1991) auf zumindest größeren Flächen eine durchmischte Existenz der Obstarten und Obstsorten sowie als Mindestmaß für Hochstamm-Obstbäume 160 cm, bei Neupflanzungen 180 cm, sowie der Verzicht auf den Einsatz synthetischer Behandlungsmittel (kein Gebrauch von Pestiziden und Mineraldünger). Diese Kriterien haben zu einer Kurzdefinition des Streuobstbaus geführt, für die sich der NABU BFA Streuobst als Begriffsschutz einsetzt und welche inzwischen lexikalisch (Brockhaus 2004) übernommen wurde (RÖSLER, M. 2003, HELM & RÖSLER 2011):
• „Hochstamm-Obstbau ohne Einsatz synthetischer Behandlungsmittel“
Quelle
Steiner, Frank: Raumstrukturanalyse in der historischen Kulturlandschaft mit dem Ziel der Entwicklung und Erprobung eines artenschutzfachlichen Bewertungsverfahrens steinkauzbedeutsamer Strukturelemente sowie lebensraumfördernder Maßnahmen für den Steinkauz (Athene noctua Scopoli, 1769) in der mittelholsteinischen Störniederung bei Kellinghusen. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Kellinghusen 2016.
Die Gründe für den Niedergang der alten Streuobstbestände sind vielfältig: eine nicht-nachhaltige Siedlungspolitik, mangelnde Fördergelder für deren Erhalt sowie der Wissensverlust über die Bewirtschaftung solcher Wiesen, aber auch fehlende Rentabilität, Zeitmangel, allgemeines Desinteresse oder mangelndes Fachwissen bezüglich des Erhalts der Streuobstwiesen und damit verbunden die Vernachlässigung der erforderlichen Pflege sind wichtige Gründe. Viele Bestände sind überaltert. Viele alte Obstbäume wurden abgeholzt und jahrzehntelang nicht nachgepflanzt, so dass eine Zeit- und Pflanzlücke entstanden ist. Der NABU betreut Streuobstwiesen in Projektgebieten, in denen auch Steinkäuze und Schleiereulen als Rote Liste Arten vorkommen. Zudem pflanzt er Dank Unterstützung der Umweltlotterie BINGO und im Rahmen einer Kooperation mit den Schwartauer Werken Streuobstwiesen auf Privatflächen neu an.
Intakte Streuobstwiesen sind als Alternativlebensräume in der Kulturlandschaft dringend notwendig. Streuobstwiesen haben eine herausragende Bedeutung für die Landwirtschaft, da sie Wild- und Honigbienen Lebensraum bieten. Bienen sind damit wichtige landwirtschaftliche Nutztier.
Mithilfe erwünscht!
Interessierte können das Projekt durch ihre aktive Mitarbeit an künftigen Pflanzung und Pflegemaßnahmen unterstützen. Auch Spenden zugunsten der Projektfinanzierung sind willkommen! Der NABU fordert dazu auf, alte Streuobstwiesenbestände bzw. einzelne alte Obstbäume zu erhalten: alte Obstbäume sind enorm artenreich und verdienen es, in Würde zu altern.
FSte, ILu, akt. 14. Juni 2021
aktuelles und Weitere Informationen
NABU Schleswig-Holstein und Schwartauer Werke kooperieren beim Schutz von Bienen. Interessierte können sich für die Neuanlage einer Streuobstwiese bewerben. Im zunächst zweijährigen Förderzeitraum sollen rd. 1.000 Hochstämme gepflanzt werden. Mehr →
Die Bezeichnung „Streuobstwiese“ geht auf die räumliche Verteilung der Obstbäume zurück, die locker über die Landschaft „gestreut“ erscheinen. Der NABU hat im Zuge seines Projektes nun einen großen Erfolg zu melden: Fast 4.000 Bäume wurden neu gepflanzt. Mehr →
Vom 17. bis 19. Juni 2016 trifft sich der NABU-Bundesfachausschuss Streuobst in Kellinghusen. Die Experten befassen sich mit Fragen rund um den Streuobstbau. Streuobstwiesen beherbergen in Deutschland über 5.000 Tier- und Pflanzenarten und rund 3.000 Obstsorten. Mehr →
Streuobstwiesen sind „Hot Spots“ der biologischen Vielfalt. Der NABU hat deshalb am ersten Aprilwochenende in Westermoor / Kr. Steinburg mit der Umsetzung des von der Handelsgruppe REWE geförderten Projektes „Streuobstwiesen und Bienen“ begonnen. Mehr →