Gebt dem Kormoran die ‚weiße Weste‘!
NABU fordert erneut Aufhebung der Kormoranverordnung
Bis heute ist das Ministerium Daten dazu schuldig geblieben, warum Kormorane aus dem Binnenland - ihrem angestammten Lebensraum - vertrieben werden müssen. Auch die heutige PM knüpft nur an alte Vorurteile an, belegt aber nicht, warum es auch gerechtfertig sein soll, als Kollateralschaden der Vertreibungen im Binnenland andere Arten derart massiv zu schädigen. Das MLUR baut schlicht darauf, dass die Öffentlichkeit einem alten Vorurteil über Fischfresser "auf den Leim" geht. Derartige Vorurteile haben zur Vergiftungen und Abschüssen von Seeadlern und anderen Fischfressern geführt.
Fakt ist:
- Es gibt in Schleswig-Holstein keine Untersuchung, die belegt, dass Kormorane einen nennenswerten Anteil wirtschaftlich bedeutsamer Fischarten erbeuten. Im Gegenteil: Nahrungsuntersuchungen im Auftrag des MLUR zeigen, dass etwa der Aal nur mit maximal 2 % in der Nahrung des Kormorans vertreten ist. Ein wirtschaftlicher Schaden lässt sich daraus nicht herleiten. Die Masse der vom Kormoran erbeuteten Tiere sind Weißfische, die im Fischereijargon auch als "Fischunkraut" bezeichnet werden.
- Eigene Erhebungen des MLUR zeigen ebenfalls, dass der Fischerei-Ertrag aus den Binnengewässern rückläufig ist. Da auch der Bestand der Kormorane rückläufig ist, wird deutlich, dass hier kein Zusammenhang bestehen kann. Zu erwarten wäre sonst gewesen, dass mit dem Ausschalten der Kormorane die Fischbestände wieder anwachsen.
- Einzig an Teichanlagen sind Schäden durch Kormorane nachgewiesen, da hier Kormoranen ein unnatürlich reich gedeckter Tisch geboten wird. Die Teichwirtschaft ist in Schleswig-Holstein aber nur punktuell bedeutsam. Sie rechtfertigt es keineswegs, flächig gegen den Kormoran vorzugehen. Praxisbeispiele, gefördert vom MLUR, zeigen zudem, dass an diesen punktuellen Stellen andere Maßnahmen zur Vergrämung des Kormorans erfolgversprechender sind.
- Das Ministerium bleibt zudem erneut die Antwort schuldig, wie mit den gravierenden Kollateralschäden, der massiven Beeinträchtigung der Wasservogelbestände etwa auf dem Großen Plöner See, umgegangen werden soll. Dieses Gebiet - ausgewiesen als interational bedeutsames Feuchtgebiet nach der Ramsar-Konvention - hat durch die permanenten Störungen durch Vergrämungsmaßnahmen heute nach den Zahlen dort rastender und mausernder Wasservögel drastisch an Bedeutung verloren. Dies ist dem MLUR ebenfalls durch eigene Untersuchungen bekannt.
Das Ministerium wirft Nebelkerzen, weicht den entscheidenden Fragestellungen aus und ignoriert aus politischer Opportunität eigene fachliche Erkenntnisse. Es befördert damit selbst Vorurteile, die an anderer Stelle zum Bumerang werden können. Eine sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützende Naturschutzpolitik sieht anders aus!
24. März 2011
Gebt dem Kormoran wieder seine ‚weiße Weste‘!
NABU fordert erneut Aufhebung der Kormoranverordnung
24. März 2011: Der NABU lehnt die anstehende Verlängerung der schleswig-holsteinischen Kormoranverordnung grundsätzlich ab. Die negativen Auswirkungen der bisherigen Regelung und ihre bis heute fehlende sachliche und fachliche Begründung sollten Anlass genug sein, das sinnlose und rechtswidrige Töten des ‚Vogel des Jahres 2010‘ endlich zu beenden. Der Nachweis von volkswirtschaftlich bedeutsamen Schäden wurde bis heute nicht erbracht. Belegt sind aber drastische Kollateralschäden für andere bedrohte Arten.
Auch in der Begründung zum neuen Verordnungsentwurf bleibt das Kieler Landwirtschaftsministerium MLUR den Nachweis schuldig, dass die Notwendigkeit zu Eingriffen in den schleswig-holsteinischen Kormoranbestand besteht. Fischereiwirtschaftliche Schäden werden damit weiterhin – wie schon im Begründungstext für den Verordnungsentwurf von 2005 - nur behauptet. Trotz insbesondere im Binnenland stark reduziertem Kormoran-Brutbestand sind tatsächlich sowohl die Gesamtfangmengen als auch die Fangmengen einzelner Fischarten in Binnengewässern seit 2005 zumeist gesunken. Ein Zusammenhang zwischen Kormoranen und Fischereierträgen ist damit nicht herstellbar. Untersuchungen des Ministeriums zeigten entsprechend in den vergangenen Jahren deutlich, dass sich Kormorane vor allem von wirtschaftlich uninteressanten Weißfischen ernähren, Aale und Zander kaum in der Beute vertreten sind.
Schäden für Wasservögel
Belegt sind aber mittlerweile teils drastische negative Einflüsse der mit viel Lärm verbundenen Kormoranvergrämungen auf mausernde und rastende Entenarten u.a. in den EU-Vogelschutzgebieten Großer Plöner See und Selenter See, in denen der Kormoran-Abschuss erlaubt wurde. Im Gebiet Großer Plöner See – früher bekannt für seine großen Zahl an Tauchenten wie Reiher-, Tafel- und Schellenten - sank als direkte Folge von aktiven Vergrämungsmaßnahmen der Bestand an Wasservögeln in dem international bedeutsamen, anerkannten Feuchtgebiet erstmals unter den Schwellenwert von 20.000 Vögeln. Schon diese erkennbaren Fehlentwicklungen hätten Anlass genug geboten, die Verordnung zu kippen.
Zudem musste das Ministerium per Pressemitteilung schon am 10. August 2006 erstmals – rechtlich unverbindlich - darum ‚bitten‘, wegen der länger als erwartet andauernder Brutzeit des Kormorans bis Ende August auf den Abschuss von Junge fütternden Altvögeln zu verzichten. Auch die positive Entscheidung des Umweltministeriums in NRW, die entsprechende Verordnung und den begleitenden Erlass in NRW zum 1. April 2010 auslaufen zu lassen, hätte Anlass sein müssen, die Kormoran-Verordnung des Landes kritisch zu evaluieren.
In Schleswig-Holstein ist – wie zahlreiche Medienberichte im Zuge der Diskussion im Jahr 2005 zeigten - auch in der Bevölkerung kaum Verständnis für die sinnlose Verfolgung dieser vom NABU im Jahr 2010 zum „Vogel des Jahres“ gekürten Art zu finden. Der durch Schüsse verursachte Lärm auf dem Großen Plöner See führte 2008 dagegen zu deutlich negativen Reaktionen der Presse und der Anlieger. Alles jedoch keine hinreichenden Beweggründe, sich inhaltlich mit der missratenen Verordnung auseinanderzusetzen.
Fachfremde Erwägungen
Die Vernachlässigung dieser Aspekte im aktuellen Verordnungsentwurf bestätigt damit einmal mehr, dass das MLUR offensichtlich vor allem fach- und sachfremden Erwägungen für die Beibehaltung der Kormoranverordnung den Vorrang gibt.
Das Ausschöpfen der durch die Verordnung gewährten Möglichkeiten zur Kormoran-Dezimierung hat zudem – wie bereits 2005 befürchtet – zum drastischen Bestandseinbruch der binnenländischen Brutpopulation und des ostküstennahen Brutbestands des Kormorans geführt – in einem Gebiet also, dass traditionell zum Hauptlebensraum der Art gehört. Damit verstößt die Kormoranverordnung weiterhin massiv gegen geltendes Recht der EU-Vogelschutzrichtlinie.
Neues Märchen: Schäden für Ostseefischer
In der Berichterstattung macht derzeit ein neues Märchen der Fischer die Runde: Kormorane sollen danach auch für den Rückgang des Dorsches in der Ostsee verantwortlich sein – schon wegen der fischereilichen Fangmengen eine abenteuerliche Behauptung. Nahrungsuntersuchungen zeigen, dass diese Fischart in Schleswig-Holstein insgesamt nicht in bedeutender Zahl von Kormoranen erbeutet wird. Im Frühjahr sind es vor allem Heringe und Sprotten, die auf der Ostsee die Hauptbeute der schwarmfischenden Kormorane ausmachen werden. Mit Sicherheit werden Dorsche zudem selbst von entlang der Ostseeküste zahllos vorhandenen Hobbyfischern und Anglern in weitaus größerer Zahl gefangen, als Kormorane dies je können. Die Fänge der Petrijünger tauchen aber in keiner Fangstatistik auf und werden in keiner Fangquote berücksichtigt. An der Küste wird dabei vielfach mit Stellnetzen gearbeitet, in denen immer wieder Schweinswale und allwinterlich auch tausende von Wasservögeln zu Tode kommen.
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Schwarze Vögel scheinen es in manchen Kreisen unserer Gesellschaft besonders schwer zu haben - wenn sie dann auch noch Fischfresser sind und sich mit dem Menschen eine gemeinsame Ressource teilen, geht es ihnen schnell besonders schlecht. Mehr →