Winter in der Kormoran-Kolonie
NABU nimmt Reparaturen an Webcam in Wallnau vor
Der Winter hat Wallnau und seine Kormoran-Insel fest im Griff. Langsam gleitet das Boot noch ins nahe Wasser, doch nach kurzer Zeit ist bereits die Eiskante erreicht. Martin Altemüller, wissenschaftlicher Leiter des NABU- Wasservogelreservats Wallnau auf Fehmarn, und Ingo Ludwichowski, NABU-Landesgeschäftsführer, haben einen ungewöhnlichen Weg vor sich. Am frühen Morgen wollen sie - beide Initiatoren des NABU-Web-Projektes - zur Kolonie im Schutzgebiet aufbrechen, um Wartungsarbeiten an der Kormoran-Webcam vornehmen.
Seit dem 8. Juni 2010 überträgt die Kamera in Wallnau Live-Bilder vom Brutplatz ins Internet. Doch seit dem 14. Dezember gibt es kein Signal mehr. Funktionsstörung oder doch nur Lichtmangel für die Solarpanels, die Strom in die Batterien der Kamera einspeisen? Nach unter 10 Stunden Sonnenschein im Januar - normal sind 60 - erscheint letzteres zwar nicht unwahrscheinlich. Doch endgültige Sicherheit kann erst ein Blick auf die Messeinrichtungen am Kamerastandort geben. Zudem funktionierte im Betrieb auch die Schwenktechnik der Optik nicht einwandfrei: das genaue Ausrichten und Fokussieren der Kamera wurde unmöglich. Wichtig aber, um bei Kormoranen die Nummern ihrer Ringe abzulesen. Nur so ist etwas über den Lebensweg dieser Tiere in Erfahrung zu bringen. So ist erst durch Sichtungen beringter Tiere mit der Kamera bekannt, dass in der Kolonie Kormorane brüten, die vor Jahren in Dänemark geschlüpft sind.
Menschliche Eisbrecher
Wir werden zu menschlichen Eisbrechern, nur mit dünnen Wathosen ausgestattet. Bis zu fünf Zentimeter dick ist das Eis auf dem Teich. Zu dünn, um ohne Schwierigkeiten frei darauf zu laufen - aber trotzdem dick genug, um auf dem rund 500 Meter langen Weg durchs Wasser ins Schwitzen zu kommen. Zur großen Freude und als Ansporn für die Anstrengung tauchen in der Nähe einiger noch ausharrender Höckerschwäne und früher Graugänse auch zwei junge Seeadler auf. Zunächst setzen sie sich neugierig in einigem Abstand aufs Eis. Bei unserer Annäherung aber breiten sie gemächlich die Schwingen aus, und kehren mit langsam ruderndem Flügelschlag diesem Teil des Schutzgebietes vorerst den Rücken.
Auf brüchigem Grund
Zwischendurch gelingt es, das Eis zu 'entern' und eine größere Strecke auf dem Eis zu laufen. Mit schnellem Schritt schieben wir das Boot als Stütze vor uns her. Doch ein Stehen-bleiben ist unmöglich, knackend gäbe das Eis nach und würde uns ins Wasser einbrechen lassen. Bei unter einem Meter Wassertiefe zwar keine lebensbedrohliche Situation, aber doch lästig.
Nach einer viertel Stunde ist die Insel erreicht. Tiefgefroren und mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt liegt sie leblos und still im Teich. Die Nesthügel der Kormorane ragen wie Pilze aus dem Schnee hervor. Seltsam ungeschützt wirkt im Winter die Kolonie, da die sonst hohe Vegetation merklich ausgedünnt erscheint. Bei -5 Grad C Lufttemperatur und eisigem Wind wird für uns die Kälte spürbar, die uns hier umgibt. Der bedeckte Himmel will heute erneut nicht recht hell werden.
Trostloser Ort
Kein Wunder, dass die Kormorane diesen trostlosen Ort im Winter verlassen und sich in deutlich wärmere Gebiete begeben. So erhielten wir vor einigen Tagen die Rückmeldung eines in Wallnau beringten Jungvogels aus dem Süden Spaniens - sicher ein auch ob der zurückgelegten Stecke von über 2.000 km eher ungewöhnlicher Überwinterungsort für unsere Vögel. Andere Kormorane sind zur selben Zeit aber auch in der Schweiz am Rhein, während sich manche schon wenige Tage nach der Beringung auf der Ostsee bei Hiddensee aufhalten und einige Tiere wohl auch bei uns bleiben. Alle Tiere aus dem Ausland wurden als 'geschossen' zurückgemeldet - ein sicherer Beleg dafür, dass dem Unsinn der Kormoranverfolgung auch in anderen Ländern eifrig gefrönt wird.
Wir holen unser Gepäck - verschiedenes Werkzeug und eine Leiter - aus dem Boot, betreten die Insel und beginnen schnell mit den Arbeiten. Der erste Blick gilt aber den Akkus. Nur drei Volt Spannung zeigen, dass tatsächlich die beiden Panels unter dem seit langem herrschenden Lichtmangel nicht in der Lage sind, genügend Energie zu liefern. 12 Volt müssten es aber schon sein, um die Kamera zum Leben zu erwecken. Sonst erscheint alles in Ordnung. Zum Ausbau der Kamera für die Inspektion müssen die zuführenden Leitungen freigelegt werden. Dabei erweist sich als nachteilig, was im Sommer noch seinen Zweck erfüllte: Die zum Schutz vor neugierigen Tieren im Erdreich vergrabenen Kabel am Fuß der Anlage sind im gefrorenen Boden nur schwer zu bergen. Ein Schraubenzieher muss als Grabstock dafür herhalten, den in den oberen Schichten hart gefrorenen Boden zu lockern. Wir entscheiden, die Kamera mitzunehmen, um sie einer gründlichen Inspektion zu unterziehen, und noch vor der Besetzung der Kolonie wieder zur Insel zu bringen.
Scharfkantiges Eis fordert seinen Tribut
Auf dem Weg zurück trägt das zuvor auf einem Teil der Strecke noch standfeste Eis des Hinwegs nicht mehr. Dort, wo der Eisweg bereits gebrochen worden war, geht es nun um so schneller voran. Das scharfkantige Eis fordert allerdings seinen Tribut. Die Wathose ist knapp unter dem linken Kniegelenk eingerissen - wie aufregend doch ein Wassereinbruch und vollgelaufener Stiefel sein kann! Schnell das Boot bestiegen und sich den restlichen Weg schieben lassen - man kann jeder Situation auch etwas Positives abgewinnen. Dafür kommt Martin ins Schwitzen. Nach insgesamt zweieinhalb Stunden Arbeit in unwirtlicher Umgebung beladen wir - am Ufer angekommen - den bereit stehenden Anhänger des Treckers mit Kamera, Leiter und Werkzeug und freuen uns auf die behagliche Wärme im NABU-Wasservogelzentrum.
ILu 20. Februar 2011