Natürliche Regulationsmechanismen greifen!
NABU fordert erneut Aufhebung der Kormoran-Verordnung
Zumeldung des NABU zur Pressemitteilung des MLUR
Der NABU begrüßt, dass im Umweltministerium in Kiel endlich die natürlichen Regulationsmechanismen von Kormoranbeständen verstärkt in den Blickpunkt rücken. In der Tat hat die Webcam-Überwachung der Kormoran-Kolonie im NABU-Wasservogelreservat Wallnau in den letzten zwei Jahren deutlich gezeigt, dass Seeadler, Silbermöwen und Füchse sowie Krankheiten den Bestand in erheblichem Umfang dezimieren können. In diesem Jahr wurde auf Fehmarn so nur ein kleiner Teil der Jungvögel in der dortigen Kolonie tatsächlich flügge, der Bruterfolg lag bei nur rd. 10 %. Auch aus anderen Kolonien sind in der Brutzeit drastische Verluste vor allem durch Seeadler belegt. Die vielfach verbreitete Behauptung von Fischern, Anglern sowie assoziierten Land- und Bundestagsabgeordneten, Kormorane hätten keine natürlichen Feinde oder würden keinen nennenswerten Einfluss haben, wird damit nun auch offiziell vom MLUR nicht mehr geteilt.
Unerklärlich bleibt aber für den NABU, dass das MLUR es immer noch begrüßt, den Kormoran als Brutvogel aus seinen natürlichen Lebensstätten im Binnenland fast vollständig vertrieben zu haben. Tatsächlich nimmt die Zahl der regelmäßig besetzten Kolonien landesweit ab, wodurch die Art immer anfälliger für Störungen wird. Kormorane sind wie Graureiher, Haubentaucher, Gänsesäger, Eisvogel, Fischotter, Seeadler und andere Fischfresser ein natürlicher Bestandteil unserer Binnengewässer. Dem Umweltministerium ist aus von ihm selbst beauftragten Nahrungsuntersuchungen bekannt, dass Kormorane keine seltenen Fischarten gefährden und überwiegend wirtschaftlich wenig bedeutsame Fische wie Plötze, Stinte und Kaulbarsche fressen. Aale machen dagegen nur rd. 1 % der Nahrung des Kormorans aus. Durch „handwerkliche Fehler“ in der Fischereiausübung werden demgegenüber offensichtlich größere Fischbestände negativ beeinträchtigt, wie sich beispielhaft im März 2011 zeigte, als rund eine halbe Tonne Flussbarsche beim Zugnetzfischen im Großen Plöner See verendeten und dort gleich im See entsorgt wurden. Auch die vom Wirtschaftsministerium in Kiel ohne ausreichenden Fischschutz genehmigte Inbetriebnahme des Vattenfall-Pumpspeicherkraftwerks in Geesthacht an der Elbe beeinträchtigt die Fischbestände sicher mehr, als es Kormorane je könnten.
Für Unmut sorgen die teils drastischen Aktionen, mit denen Kormorane von Gewässern ferngehalten werden. Der Lärm von gegen den Kormoran gerichteten Vertreibungsaktionen hat etwa am Großen Plöner See in den vergangenen Jahren zu erheblicher Unruhe bei Anliegern und Urlaubern gesorgt. Als „Kollateralschaden“ nehmen durch die Störaktionen die Bestände der in den EU-Vogelschutzgebieten mausernden, d.h. die Schwingen wechselnden, zeitweise flugunfähigen Enten drastisch ab.
Der NABU fordert die Landesregierung erneut auf, die Kormoranverordnung aufzuheben und mit dem NABU zusammen für mehr Aufklärung über Fischfresser und andere Beutegreifer zu sorgen. Der Kormoran muss auch seitens des MLUR seine „weiße Weste“ zurückbekommen.
ILu, 21. Dezember 2011
Letzte Kolonien im Visier
NABU lehnt „Kormoran-Bestandsmanagement“ ab
17. August 2011: In der heutigen Umweltausschussitzung beabsichtigt eine Fischer- und Anglerkoalition, in ihrem Beschlussantrag die Bundesregierung aufzufordern, ein ‚wissenschaftliches Kormoran-Bestandsmanagement‘ zu erarbeiten. Der NABU zeigt sich überrascht: Bislang hat gerade diese Koalition alle wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Kormoran, der zu den bundesweit am besten untersuchten Vogelarten zählt, konsequent ignoriert - weil diese häufig das auf alten Vorurteilen beruhende Zerrbild der Fischer und Angler vom ‚Schadvogel‘ nicht stützen. Die Analyse zeigt, dass der Antrag auch weiterhin von Wissenschaftlichkeit weit entfernt ist und statt dessen noch mehr politische Opportunität durchscheinen lässt.
Diese Nutzer-Koalition übernimmt dabei den Begriff eines Kormoran-„Managements“, um einen ursprünglich positiv besetzten Begriff für sich zu vereinnahmen und von den wahren Zielen abzulenken, trotz gegenteiliger wissenschaftlicher Erkenntnisse gegen den Kormoran und seine Kolonien vorgehen zu können. In Schleswig-Holstein existieren nur noch elf Brutstätten, davon nur noch eine größere und zwei Kleinkolonien im Binnenland. Denn während Managementpläne im Naturschutz u.a. erstellt werden, um so Schutzmaßnahmen für bedrohte Tierarten wie den Wolf oder die Herrichtung von Naturschutzflächen fachlich abgesichert zu unterstützen, soll offensichtlich im geforderten Kormoran-Managementplan die Grundlage für eine noch weitergehende Vertreibung selbst aus seinen letzten, bislang geschützten Brutstätten an der Küste gelegt werden.
Die EU hat aber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Erstellung eines europaweiten Kormoran-Managementplans bereits abgelehnt. Eine allgemeine Reduzierung des Bestandes hält sie für fachlich nicht notwendig. Auch aus dem Bundesumweltministerium ist aus fachlichen Erwägungen heraus für das Vorhaben keine größere Unterstützung zu erwarten.
Der NABU hat mit seinem laufenden Webcam-Projekt im NABU-Wasservogelreservat Wallnau auf Fehmarn zudem belegt, dass auf Kolonien des Kormorans eine Vielzahl von Faktoren einwirken, die die Vermehrung dieser Art begrenzen. Jeder zusätzliche menschliche Eingriff in die sensiblen Brutstätten kann dabei binnen kurzer Zeit zur Bedrohung für die Art werden, die bereits früher schon einmal in unserem Land aktiv ausgerottet wurde.
Weiterhin keine Belege für Horror-Behauptungen
Der NABU hat auf seinen Internetseiten seit Jahren umfangreich den aktuellen Stand der Wissenschaft, erarbeitet auch durch vom Landwirtschaftsministerium MLUR in Auftrag gegebene wissenschaftliche Gutachten, zusammengetragen, der den Kormoran gegenüber alten, überkommenen Vorurteilen deutlich entlastet:
- Danach zählen vor allem wirtschaftlich unbedeutende Fischarten zu seiner Nahrung. Ein volkswirtschaftlicher Schaden konnte trotz mehrfacher, teils unter haarsträubenden Annahmen konstruierter Versuche, nie belegt werden.
- Auch für im Bestand bedrohte Fischarten wie die Meerforelle oder den Lachs geht von Kormoranen keine Gefahr aus, wie bereits die zuständige Fachbehörde LLUR erklärte. Nach wie vor sind vor allem die mangelnde Gewässergüte und deren Strukturarmut – also eine schlechte Lebensraumqualität - die entscheidenden Gründe für die Gefährdung seltener Fischarten. Gerade der zunehmende Grünlandumbruch und der Maisanbau verursachen durch freigesetzte Nährstofffrachten dabei eine weitere Verschlechterung der Wasserqualität.
- Der Anteil der Fischnahrung des Kormorans aus den Küstengewässern ist gemessen an den erheblichen Fangmengen der Meeresfischerei vollkommen unbedeutend. Lediglich in Teichwirtschaften kann es lokal zu Problemen kommen, die jedoch lokal lösbar sind. Hier hat das MLUR bereits Maßnahmen finanziell gefördert, um Kormorane von den wenigen Betriebsflächen fernzuhalten.
- Geradezu absurd wirken die nunmehr seit fast 30 Jahren lancierten und auch im Antrag anklingenden Berichte, dass Kormorane einen ‚großen Schaden in vielen Bereichen‘ anrichten oder gar die Gewässer leerfressen würden – und das jedes Jahr aufs Neue! Die Fischerei selbst nimmt dagegen drastisch Einfluss auf die Fischbestände, u.a. auch durch „Fehler“ bei der praktischen Ausübung ihres Handwerks, wie sich Anfang 2011 am Großen Plöner See zeigte, als rd. eine halbe Tonne Flussbarsche fischereibedingt elend und nutzlos verendete.
Bereits durch die bestehende Kormoran-Verordnung des Landes, erneut verlängert am 28. März 2011, sind dessen Bestände im Binnenland stark rückläufig, ohne dass der Fischbestand – wie nach den Behauptungen zu erwarten – angestiegen wäre. Dagegen werden durch Vergrämungsmaßnahmen andere Wasservögel stark beeinträchtigt, wie auch das Bundesumweltministerium bestätigt. Für den Großen Plöner See wird durch die Störaktionen – vom MLUR eingeräumt – der Status als schützenswertes Feuchtgebiet für Wasservögel nach der Ramsar-Konvention gefährdet. Anwohner und Touristen haben sich über den drastischen Lärm bei der Jagdausübung beschwert.
Die Sache mit dem Aal
In Ermangelung anderer fachlicher Argumente wird nun verstärkt wieder auf die angebliche Gefahr für zur Bestandsstützung ausgesetzte, ‚unerfahrene‘ Aale verwiesen. Der Aal spielt aber in der Beute des Kormorans kaum eine Rolle. Nur gerade einmal zwei Prozent der Nahrung betreffen diese Fischart, wie seit Jahren die wissenschaftlichen Untersuchungen im Auftrag des MLUR zeigen.
Über die Aalaussetzungen wird nun trotzdem versucht, den Kormoran wieder ins Visier zu nehmen. Danach soll der Kormoran dafür verantwortlich zeichnen, dass die Aktivitäten zum Wiederaufbau des Aalbestandes bislang offensichtlich nicht den erwünschten Erfolg zeigen. Den freigesetzten Aalen soll innerhalb einer um einige Tage verlängerten Schusszeit die Möglichkeit gegeben werden, ohne Kormorane zu ‚lernen‘, mit der für sie fremden Umwelt zurecht zu kommen. Diese Argumentation greift fachlich zu kurz: Kormorane dürften selbst nur ein Teil des ‚Problems‘ für unerfahrene Aale sein. Sicher zeichnen auch Hechte und andere Raubfische ebenso wie Möwen und weitere Fischfresser sowie der erste Kontakt mit Fischkrankheiten dafür verantwortlich, wenn die unter künstlichen Bedingungen in großer Zahl gezüchteten und ausgesetzten Aale verschwinden. Der postulierte Lerneffekt bei Aalen ist darüber hinaus unbelegt und auch unwahrscheinlich, da der erste Kontakt mit einem Fressfeind für einen unerfahrenen Aal auch zumeist der letzte gewesen sein dürfte …
Die wenigen Aussetzungsorte stellen für alle Fischfresser möglicherweise ideale ‚fast-food-Restaurants‘ dar, auf die sie sich schnell einstellen. Zudem bestehen die von Menschen verursachten Gefährdungen wie Wanderungshindernisse und der Glasaalfang vor der Küste nach wie vor fort. Nur eine weite Verteilung der aufgezogenen Jungaale auf viele Gewässer, statt einer Konzentration der ausgesetzten Tiere überwiegend auf die Schlei, mag der hohen Mortalität mittelfristig entgegenwirken können. Die Verteilung erfordert aber einen weitaus größeren zeitlichen und finanziellen Aufwand.
Politische Opportunität
Die Antragsteller im Landtagsausschuss handeln aus politischer Opportunität gegenüber der Lobby von Fischern und Anglern. Statt gemeinsam mit dem NABU bei diesen für mehr Verständnis für alle Fischfresser wie See- und Fischadler, Seehund und Schweinswal, Kormoran und Eisvogel, Fischotter und Haubentaucher zu werben, werden alte, längst dank moderner Untersuchungen widerlegte Feindbilder gepflegt. Eine fortschrittliche Naturschutzpolitik auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse sieht aber anders aus!
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Schwarze Vögel scheinen es in manchen Kreisen unserer Gesellschaft besonders schwer zu haben - wenn sie dann auch noch Fischfresser sind und sich mit dem Menschen eine gemeinsame Ressource teilen, geht es ihnen schnell besonders schlecht. Mehr →
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