Fakten und Hintergrund zum Landeswald
Die wichtigsten Fakten und Hintergründe (Stand: 2006) in Kürze.
Aktuelle Infos zu den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten, die nun in einer Anstalt öffentlichen Rechts AöR organisiert sind, gibt es unter www.forst-sh.de.
- Der Landeswald umfasst etwa 50.000 ha (30 % der Waldfläche Schleswig-Holsteins), Privatwaldbesitz 50 %, Körperschaftswald 15 %, Bundeswald 5 %). Sechs Forstämter mit 43 Forstrevieren verwaltet den Wald. Die zentrale Forstverwaltung ist das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MLUR). Beschäftigte: 272 Mitarbeiter.
- Anlass und Verlauf der Diskussion um den Landeswald werden beschrieben
- Alle Wälder unterstehen der Sozialpflichtigkeit des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat den Vorrang der Gemeinwohlfunktionen (Umweltbildung, Erholung und Tourismus, Naturschutz) gegenüber den Nutzungsfunktionen im Staatswald festgeschrieben. Die Funktionen werden dargestellt.
- Der Zuschussbedarf der Landesforst beläuft sich auf jährlich rd. 10 Mio. €. Davon entfallen € 2,7 Mio. auf die forstbehördliche Tätigkeit, € 0,7 Mio. an Ausbildungskosten, € 2,2 Mio. für Neuwaldbildung und € 3 Mio. für Gemeinwohlleistungen (davon € 0,7 Mio. für Naturschutzleistungen). Die Ausgaben und Einsparpotentiale werden bewertet.
- Die Situation um den Verkauf von Splitter- und Steuwaldbesitz wird dargestellt. Dieser wurde bereits unter Rot-Grün in Angriff genommen. Im Jahr 2006 sollen rd. 3.5 Mio. € durch Waldverkäufe (in der Hauptsache den Forst "Christianslust" betreffend) realisiert werden.
- Die möglichen Folgen des Verkaufs des Landeswaldes wie einer Rechtsformänderung werden dargestellt. In beiden Fällen wären vor allem die Allgemeinwohlbelange betroffen, die sich auch vertraglich oder über rechtliche Auflagen wegen der Ertragsorientiertheit der Bewirtschaftung in der Regel nicht absichern lassen.
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Hier können Sie die Hintergrundinformationen (Stand: 7. Dezember 2006) als pdf-Datei herunterladen.
Zukunft des schleswig-holsteinischen Landeswaldes
Hintergrundinformationen zur Diskussion
In aller Stille entschied sich Ende 2005 die Landesregierung, einen kompletten Verkauf des schleswig-holsteinischen Landeswaldes an einen privaten Investor positiv prüfen zu lassen. Dieses Vorhaben blieb lange Zeit von den Medien und damit auch von der Öffentlichkeit unbeachtet - vermutlich ganz im Sinne des Kabinetts, das einen Sturm der Entrüstung befürchtete. Doch als die drohende Möglichkeit des Waldverkaufs durchsickerte, wandten sich Anfang 2006 kritische Forstleute und Politiker sowie Organisationen des Naturschutzes, der Umweltbildung und der Erholung an die Öffentlichkeit. Aus diesen Protesten hat sich im April 2006 das Bündnis Wald entwickelt.
Auch wenn von einem Komplettverkauf mit Kabinettsbeschluss vom 14. November 2006 Abstand genommen wurde, besteht noch lange kein Grund zur Erleichterung. Denn auch die seitens der Landesregierung erwogene Alternative, die Umorganisation der Forstverwaltung in eine stark wirtschaftlich ausgerichtete Betriebsform, bietet Anlass zur Sorge, weil damit die bislang im Landesforst engagiert umgesetzten Allgemeinwohlaufgaben Naturschutz, Erholung und Umweltbildung an den Rand gedrückt zu werden drohen.
Insofern wird es noch lange Zeit Aufgabe für das Bündnis Wald und seine Mitgliedsorganisationen bleiben, aktiv, vehement und immer an der Sache orientiert für den Erhalt des Landeswaldes mit seinen Gemeinwohlleistungen einzutreten. Um in dieser Auseinandersetzung bestehen zu können, benötigt man aktuelle Hintergrundinformationen und Argumente. Die folgende, verständlich gehaltene Situationsdarstellung und Bewertung soll dabei helfen.
Struktur des Landeswaldes und der Landesforstverwaltung
Der Waldbesitz des Landes umfasst etwa 50.000 ha und stellt damit 30 % der Waldfläche Schleswig-Holsteins dar. Der Privatwaldbesitz nimmt ca. 50 %, der im Besitz von Kommunen, Kreisen und Stiftungen befindliche Körperschaftswald ca. 15 %, der Bundeswald ca. 5 % ein. Der landeseigene Wald ist ziemlich ungleich über die Kreise verteilt. So liegt im Kreis Dithmarschen nur eine einzige Landeswaldfläche und auch der waldreichste Landkreis, der Kreis Herzogtum Lauenburg weist nur wenige Landeswälder auf (dafür aber viele Kreisforste). Dagegen ist der landeseigene Waldbesitz z. B. in den Kreisen Segeberg und Ostholstein deutlich umfangreicher und auch mit großen zusammenhängenden Waldgebieten, z.B. Segeberger Forst, Ricklinger Forst im Kr. Segeberg, vertreten.
Der Landesforst wird von zur Zeit sechs Forstämtern verwaltet, denen insgesamt 43 Forstreviere zugeordnet sind. Sitz der zentralen Forstverwaltung ist das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MLUR), `oberster Forstchef´ ist also Landwirtschaftsminister Dr. von Boetticher. Bei den Forstämtern sind (noch) die unteren Forstbehörden, zuständig für alle den Wald betreffende Genehmigungsverfahren, angesiedelt; die oberste Forstbehörde sitzt im MLUR. Insgesamt beschäftigt die Landesforstverwaltung derzeit 272 Mitarbeiter. Vor wenigen Jahren waren noch über 300 Personen im Landesforst bedienstet; durch Wiederbesetzungssperren und Umbesetzungen wird deren Zahl aber deutlich abgebaut.
Die Situation
Im sogenannten Schlie-Papier hat der im Finanzministerium angesiedelte `Entbürokratisierungsstaatssekretär´ Schlie der Landesregierung den Verkauf des gesamten landeseigenen Waldes aus Kostengründen empfohlen. Finanzminister Wiegard und Ministerpräsident Carstensen haben diesen Vorschlag unterstützt. Das Kabinett hat einen diesbezüglichen Prüfauftrag beschlossen, der u. a. beinhaltet, dass im Falle der Entscheidung für die Veräußerung nur ein Komplettverkauf infrage kommt, um zu vermeiden, dass Investoren sich die `Sahnestücke´ heraussuchen und das Land auf den unrentablen Flächen sitzen bleibt, und vom neuen Eigentümer die Mitarbeiter der Forstverwaltung zu übernehmen sind, weil strenggenommen nicht der Wald an sich, sondern die Personalkosten den Haushalt `belasten´. Als Kaufinteressenten wurden v. a. skandinavische Zelluloseproduzenten und Holzkonzerne angepeilt. Im August / September 2006 wurden mögliche Kaufinteressenten über ein sogenanntes Interessenbekundungsverfahren aufgefordert, Angebote abzugeben. Dieses sei noch längst nicht als Vorentscheidung für einen Verkauf anzusehen, man wolle seitens des Landes bloß wissen, "was denn der Wald wert sei", so Minister von Boetticher. es gab acht Rückmeldungen, allerdings sämtlich ohne monetäres Angebot, wodurch das Verfahren zur Farce geriet.
Die Vorstellung vom Waldverkauf ist auch unter Politikern der Regierungsfraktionen stark umstritten gewesen. Die SPD mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Hay hat sich klar gegen einen Verkauf positioniert, auch maßgebliche Teile der CDU opponieren. Von den Kabinettsmitgliedern war allerdings kein Widerstand zu vernehmen, auch nicht von den der SPD zugehörigen Ministern. Die Opposition - FDP, B 90 / Die Grünen und SSW - lehnten den Verkauf ab und kritisieren das Verhalten der Landesregierung heftig. Die Grünen initiierten eine Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative, die sich gegen den Verkauf wenden sollte.
Den vollständigen Verkauf der Landesforste hat bisher keine Landesregierung ernsthaft verfolgt, auch wenn in Niedersachsen und den neuen Bundesländern nicht unerhebliche Staatsforstflächen an privat verkauft worden sind. Der Einschätzung des NABU nach dürfte die vom Ministerpräsidenten verfolgte Intention des Komplettverkaufs auch in Schleswig-Holstein schon früh politisch zum Scheitern verurteilt gewesen sein. Der gesellschaftliche Druck, maßgeblich ausgehend von den im Bündnis Wald zusammengeschlossenen Organisationen, war einfach zu groß. Spätestens Mitte August 2006, als die SPD-Fraktionsspitze ihr Veto gegen den Komplettverkauf ankündigte, hätte dies auch dem Ministerpräsidenten klar sein müssen. Doch offenbar wollte man die Möglichkeit der Privatisierung als Drohkulisse mit dem Zweck, die durchaus selbstbewusste Forstverwaltung für die bevorstehende Umstrukturierung in eine andere Betreibsform gefügig zu machen, einsetzen.
Das Kabinett hatte jedoch auch beschlossen, alternativ zur Privatisierung eine Umorganisation der Landesforstverwaltung in eine andere Betriebsform wie Landesbeztrieb, Anstalt öffentlichen Rechts, GmbH oder Stiftung prüfen zu lassen. Hier wurde anfänglich das Modell der Anstalt öffentlichen Rechts favorisiert, in das z. B. die Länder Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern ihre Landesforste überführt haben.
Dies hat sich jedoch geändert. Offenbar auf Wunsch des Ministerpräsidenten, der seine Schlappe in Sachen Komplettverkauf nicht überwinden konnte, ist die Liste der Betriebsformvarianten mit Kabinettsbeschluss vom 14. November 2006 mittlerweile verändert worden: An vorderster Stelle finden sich jetzt zwei GmbH-Modelle (davon eines mit privater Minderheitsbeteiligung), ergänzt um die Anstalt öffentlichen Rechts sowie den Landesbetrieb (nach § 26 Landeshaushaltsordnung). So sind jetzt zwei von den vier zu prüfenden Optionen per gesetzlicher Definition privatrechtliche, ausschließlich gewinnorientierte Unternehmensformen, in die sich Gemeinwohlleistungen nicht sinnvoll integrieren lassen.
Zu hoffen ist, dass die SPD-Fraktion bei ihrem kürzlich getroffenen Beschluss, eine Betriebsformänderung nur in Form einer Anstalt ö. Rechts oder eines Landesbetriebs und nur unter Wahrung der Gemeinwohlbelange zu akzeptieren, bleiben wird.
Von der Öffentlichkeit unbemerkt, musste die Forstverwaltung bereits eine bittere Pille schlucken: Die unteren Forstbehörden, bislang der Synergieeffekte wegen bei den Forstämtern angesiedelt, sollen im Zuge der angestrebten Kreisreform bei den Kreisen angesiedelt werden. Mit dieser sinnlosen Entscheidung - sie wird keinen Cent Haushaltsentlastung nach sich ziehen - wird nicht nur der fachliche Kontakt zwischen Forstaufsicht und Forstverwaltung erschwert werden, die Forstaufsichtsbeamten werden auch stärker dem Druck der Kommunen ausgesetzt sein (Stichwort: Waldbeseitigung und Waldabstandsunterschreitung zugunsten von Baumaßnahmen).
Die Gemeinwohlaufgaben und ihre gesetzlichen Grundlagen
Alle Wälder, ob privat oder staatlich, unterstehen der im Grundgesetz verankerten Sozialpflichtigkeit. Gemäß § 1 Landeswaldgesetz haben sie nicht nur eine "Nutzfunktion" (nachhaltige Erzeugung des Rohstoffes Holz), sondern auch eine "Schutzfunktion" (Schutz von Luft, Wasser und Boden sowie Arten und Lebensgemeinschaften) und eine "Erholungsfunktion" (Wandern, Reiten, Radwandern) zu erfüllen. So dürfen die Wälder Schleswig-Holsteins grundsätzlich betreten werden, ökologische Grunderfordernisse wie der Erhalt gesetzlich geschützter Biotope, der Schutz von Nistplätzen gefährdeter Vogelarten wie Seeadler oder Schwarzstorch, der Verzicht auf Kahlschläge und die Neuanlage von Entwässerungen werden nach dem Landeswaldgesetz (zuletzt 2004 novelliert) allen Waldbesitzern abverlangt.
"Der Staats- und Körperschaftswald (Körperschaftswald befindet sich im Eigentum der Kreise, Städte, Gemeinden und öffentlich-rechtlichen Stiftungen) dient in besonderem Maße dem Allgemeinwohl. Er ist unter besonderer Berücksichtigung der Schutz- und Erholungsfunktion zu bewirtschaften, zu entwickeln und zu vermehren." Das ist die klare Vorgabe des § 6 Landeswaldgesetz, mit dem die besondere Aufgabe des öffentlichen Waldbesitzes betont wird. Die diesbezüglichen Ansprüche liegen also über dem aus der Sozialbindung resultierenden, für alle Wälder geltenden Mindeststandard. Für den Landeswald sind derartige Gemeinwohlaufgaben in § 6 Landeswaldgesetz zusätzlich spezifiziert, indem neben der Auflistung zu berücksichtigender ökologischer Belange auch die Umweltbildung als Aufgabe der Landesforstverwaltung festgeschrieben worden ist.
Auch aus dem Landesnaturschutzgesetz (§ 3a) ergibt sich für den Staats- und Körperschaftswald die Verpflichtung, Belange des Naturschutzes in besonderem Maße wahrzunehmen.
Einen Vorrang der Gemeinwohlfunktionen vor der Holzerzeugung für den Staatswald hat zudem das Bundesverfassungsgericht bereits in einem Urteil von 1990 ausgesprochen.
Leistungen für den Naturschutz
Abgesehen davon, dass Wälder allgemein, insbesondere naturnah bewirtschaftete Bestände, aufgrund ihrer im Vergleich zu Agrarflächen sehr extensiven Nutzung einen erheblichen Beitrag zum Umweltschutz leisten, haben die Landesforste ökologische Belange in besonderem Maße zu berücksichtigen. Konkret und verbindlich gefasst sind diese in der `Richtlinie für die naturnahe Waldentwicklung in den schleswig-holsteinischen Landesforsten´ (1999). Hier beispielhaft einige Maßgaben der Landeswaldrichtlinie:
- Standortgerechte Baumartenwahl sowie eindeutige Präferenz für heimische Laubbäume,
- konsequente ökologische Ausrichtung der Nutzungsstrategien und Minimierung von Eingriffen,
- Förderung der Naturverjüngung, Unterstützung und Einbeziehung natürlicher Sukzessionen,
- Wiederherstellung des ursprünglichen Wasserhaushalts durch Rückbau künstlicher Entwässerungen und Gewässerregeneration;
- schrittweise Umwidmung von 10 % der Waldfläche zu ungenutzten Naturwäldern,
- Erhöhung des Totholzanteils, spezielle Arten- und Biotopschutzmaßnahmen.
Seit 2004 bringt auch das Landeswaldgesetz (§ 6) die Verpflichtung, den Naturschutz im landeseigenen Wald in außerordentlicher Weise zu berücksichtigen, mit zum Teil präzisen Forderungen zum Ausdruck.
Diese Vorgaben sind in etlichen Forstrevieren schon seit Jahren in die Praxis umgesetzt worden. So wurden (und werden) ehemalige Entwässerungen aufgehoben, monotone Nadelholzbestände zu Mischwäldern mit hohem Laubholzanteil mittelfristig umgebaut oder Artenhilfsprogramme für gefährdete Vogelarten oder Fledermäuse aktiv unterstützt.
Leistungen für Erholung und Tourismus
Abwechslungsreiche, naturnahe Wälder mit Feuchtgebieten, knorrigen Baumveteranen, stufig aufgebauten Beständen und blütenreichen Wegrändern und Lichtungen weisen nicht nur eine große Artenvielfalt auf, sondern erfreuen auch das Auge des Erholungssuchenden. In unseren Wäldern, insbesondere in den Staats- und Kommunalwäldern, ist das Wanderwegenetz mit Abstand am dichtesten. Die Landesforstverwaltung unterhält ca. 1.700 km Wege (= Strecke von Kiel nach Neapel) in `kinderwagengerechtem´ Pflegezustand, d. h. diese Wege werden z. B. nach dem Holzrücken gleich wieder für die Bedürfnisse der Spaziergänger hergerichtet. Vor allem in touristisch frequentierten Regionen und im stadtnahen Umfeld sind die Waldwege mit zahllosen Ruhebänken, Wegweisern, Unterständen, separaten Reitwegetrassen etc. ausgestattet, die ebenfalls einen erheblichen Unterhaltungsaufwand erfordern.
Leistungen in der Umweltbildung
Zunehmende Naturentfremdung ist eine Tendenz unserer Zeit, dem schon im Kindes- und Jugendalter entgegen gewirkt werden muss. Tiere und Pflanzen in ihrer Vielfalt entdecken, Naturphänomene erleben - neben Wattenmeer und Ostseeküste, Tümpel, Bach und Weiher eignet sich der Wald im besonderen Maße, Menschen jeder Alters- und Bildungsstufe die Faszination der Natur nahe zu bringen.
Vor diesem Hintergrund unterhält das Land die beiden Jugendwaldheime Süderlügum und Hartenholm (info.erlebniswald@forst-sh.de) für Klassenfahrten und naturorientierte Jugendfreizeiten. Überregional bekannt ist der Erlebniswald Trappenkamp, der Ausstellungen rund um das Thema Wald mit einem 300 ha großen Freigelände und einem umfangreichen umweltpädagogischen Veranstaltungsangebot verbindet.
Nicht hoch genug einzuschätzen ist die Bereitschaft der Landesförstereien, für Schulen und Kindergärten, Gemeinden, Vereine und Touristikorganisationen Führungen und andere naturerlebnisorientierte Leistungen anzubieten, vielerorts gekoppelt mit Naturlehrpfaden, Beobachtungsplattformen etc.
Die finanzielle Seite
Der Landesforstverwaltung wird von manchen Kreisen vorgeworfen, ihr derzeitiger jährlicher Zuschussbedarf von ca. € 10 Mio. (2004) beruhe auf `defizitärer Wirtschaftsweise´. Das erweist sich bei näherer Betrachtung als zu kurz gedacht, da die Landesforstverwaltung im Gegensatz zu privaten Forstbetrieben Aufgaben wahrzunehmen hat, die gar nicht wirtschaftlich zu leisten wären. So sind € 2,7 Mio. an Kosten für die forstbehördliche Tätigkeit in der Zuschusssumme enthalten, dazu € 0,7 Mio. an Ausbildungskosten, € 2,2 Mio. für Neuwaldbildung (eine Investition für die Zukunft!) und € 3 Mill. für klassische Gemeinwohlleistungen. In letzter Position enthalten sind gut € 0,7 Mio. Naturschutzleistungen, die rechnerisch durch Nutzungsverzicht von Naturwaldparzellen oder ausgewählten Alt- und Totholzbäumen zu Buche schlagen.
Einschließlich der Kosten für die Neuwaldbildung beträgt der jährliche Zuschussbedarf für die Gemeinwohlleistungen der Landesforstverwaltung, umgerechnet auf alle Schleswig-Holsteiner, gerade einmal 2 € pro Kopf. Das sollte uns der Landeswald wert sein!
Nicht außer acht gelassen werden sollte, dass die Forstverwaltung jährlich € 6-7 Mio. durch Holzverkäufe erzielt. Diese Einnahmen werden sich voraussichtlich in den kommenden Jahren erhöhen, da dann, im Hinblick auf die Altersstruktur der in den Landesforsten wachsenden Bestände, an wertvollen Stämmen deutlich mehr als heute die Hiebreife erlangt haben wird. So rechnet das Landwirtschaftsministerium ab ca. 2010 mit jährlichen Mehreinnahmen von € 2,5 Mio., ohne dass hierbei die jetzt schon infolge erhöhter Nachfrage steigenden Holzpreise berücksichtigt worden sind. Bereits in 2006 werden die Erlöse deutlich über dem geplanten Soll liegen.
Auch die Kosten für die Gemeinwohlaufgaben Naturschutz, Erholung und Umweltbildung sind keinesfalls als verlorener Zuschuss, sondern als gesellschaftlich unverzichtbare und volkswirtschaftlich sinnvolle Investitionen zu werten. Insbesondere im Umfeld von touristisch intensiv frequentierten Gegenden (z. B. Kreis Ostholstein) spielen attraktive Wälder mit guter Erholungsinfrastruktur und ausgeprägten Naturerlebnismöglichkeiten auch unmittelbar wirtschaftlich eine bedeutende Rolle, indem sie den Marktwert der Tourismusregion deutlich erhöhen. Darüber hinaus ist der Staat zu Gemeinwohlaufgaben im besonderen Maße verpflichtet.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht gerechtfertigt, die Landesforstverwaltung als defizitär arbeitend abzuqualifizieren. Schließlich kommt niemandem der Gedanke, beispielsweise Polizei und Justiz als defizitär zu bezeichnen, weil sie sich nicht aus eingenommen Geldbußen und Prozessgebühren selbst finanzieren können! Das gerne z. B. vom Waldbesitzerverband angeführte Argument, private Forstbetriebe würde generell viel ökonomischer als der Staatsforst wirtschaften, stimmt gleichfalls nicht. Denn die geförderten Privatbetriebe erhalten, pro Hektar Waldfläche gerechnet, nicht weniger Zuschüsse, als sie die Landesforst für ihren Wirtschaftsbetrieb zur Zeit noch benötigt.
Dennoch bestehen Einsparpotentiale, welche die Forstveraltung auch nutzt. Forstämter werden zusammengelegt, die Forstreviere vergrößert. In den vergangenen zehn Jahren sind ca. 30 % der Personalstellen gestrichen worden. Der Personalabbau findet aber seine Grenzen, wenn geforderte Leistungen nicht mehr oder nur noch ungenügend erbracht werden können. Zu beachten ist zudem, dass sich ein Stellenabbau zwar betriebswirtschaftlich als vorteilhaft erweisen könnte, volkswirtschaftlich aber eindeutig nachteilig wirkt.
Weitergehende Informationen zur finanziellen Situation der Landesforst (und anderem) können Sie dem Memorandum `Zur Zukunft des öffentlichen Waldes in Schleswig-Holstein´, erarbeitet vom Bund Deutscher Forstleute (BDF) entnehmen.
Verkauf von Streu- und Splitterwaldbesitz
Nach einem Kabinettsbeschluss von 2001, also aus der vorigen Legislaturperiode stammend, will das Land forstlichen "Streu- und Splitterwaldbesitz" veräußern, womit wegen ihrer abgeschiedenen Lage und geringen Größe unrentabel zu bewirtschaftende Waldstücke gemeint sind. Verkauft werden zudem nicht mehr benötigte Forsthöfe und andere Liegenschaften.
In die öffentliche Auseinandersetzung geraten ist der beabsichtigte Verkauf des mit 400 ha nicht gerade als Splitterwaldfläche zu bezeichnenden Forstes `Christianslust´. Dabei handelt es sich um den einzigen Landesforst im Kreis Dithmarschen, der überdies für die Erholung der örtlichen Bevölkerung von hoher Bedeutung ist. Im November 2006 hat das Parlament mit den Stimmen von CDU und SPD dem Verkauf für 2,5 Mio. € zugestimmt. Darüber hinaus sind noch zwei weitere - deutlich kleinere - Waldflächen zum Verkauf ausgeschrieben.
Erwartet werden 2006 Einnahmen aus Immobilienverkäufen von insgesamt € 3,5 Mio., die hauptsächlich aus dem Verkaufserlös von Christianslust erzielt werden sollen. Diese Summe ist in den Haushaltsplan bereits eingestellt worden. Auch in den Folgejahren sollen weitere Verkäufe von Streu- und Splitterwäldern erfolgen.
Der Beschluss zum Verkauf von Streu- und Splitterwäldern ist nicht mit der jetzigen Kabinettserwägung zur kompletten Privatisierung des Landeswaldes zu verwechseln. Dennoch birgt auch er kritisches Potential. So hat der `Splitterwaldbeschluss´ vielerlei Begehrlichkeiten bei diversen Interessenten geweckt, die auf Politik und Landwirtschaftsministerium mit Geboten für gewünschte Waldflächen zugehen, was bei der klammen Haushaltslage des Landes dort eventuell doch auf Entgegenkommen stoßen könnte, auch wenn die betroffenen Wälder gar nicht auf der Splitterwaldliste stehen sollten. Problematisch ist, dass z.B. NATURA 2000-Wälder nicht mit einem expliziten Verkaufsverbot belegt sind. Zudem ist zu befürchten, dass aufgrund der schnellen Erlöserwartungen des Landes mit wertvollem Bestand bestockte Waldflächen unter Niveau veräußert werden. Im Fall der Privatisierung von Christianslust ist v.a. ein Abbau der Erholungsinfrastruktur zu befürchten.
Zukunft von Naturschutz, Erholung und Umweltbildung ...
... im Falle eines Verbleibs beim Land, aber mit Rechtsformänderung
Wie bereits erwähnt, wird das Land die Landesforstverwaltung in eine andere Rechtsform überführen. Die Entscheidung über die zu wählende Organisationsform steht noch aus, zur Zeit wird vom Kabinett die GmbH präferiert. Für Organisationen des Naturschutzes, der Jugend- und Umweltbildung oder des Erholungswesens, wie sie mehrheitlich das Bündnis Wald bilden, dürften die Strukturen der diskutierten Rechtsformen ein `Buch mit sieben Siegeln´ und alles andere als interessant sein. Dennoch ist es notwendig, sich in Grundzügen damit auseinander zu setzen, um in der Auseinandersetzung um die Zukunft des Landeswaldes gut gewappnet zu sein.
Zur Zeit wird der Landesforst als `Sondervermögen´ ausgewiesen. Von der früheren Landesregierung war angedacht, das Sondervermögen in eine eigens zu gründende Stiftung zu überführen. Dieser Gedanke scheiterte aber u.a. an finanzpolitischen Erwägungen. Faktisch wird der Landeswald als eine Art Regiebetrieb geführt. Ein Regiebetrieb ist sowohl in wesentlichen wirtschaftlichen Angelegenheiten wie auch rechtlich unselbständig, d.h. vom Land als Träger abhängig und voll in dessen Verwaltungsstruktur eingebunden. Das Land trifft also alle relevanten Entscheidungen.
Als mögliche neue Rechtsformmodelle sind vom Land bislang GmbH, Anstalt öffentlichen Rechts, Landesbetrieb und (anfänglich) Stiftung ins Speil gebracht worden. Selbst die Üerführung in eine Aktiengesellschaft sollte geprüft werden. Dieses Vorhaben wurde wegen des zu erwartenden politischen Drucks aber ald zurückgezogen.
Die Überführung in eine GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) wäre mit einer Privatisierung gleichzusetzen. Auch wenn sie im Landesbesitz verbleiben sollte, gilt sie als private Rechtsform. Eine GmbH ist wirtschaftlich und rechtlich völlig selbständig, sie ist der gewinnorientierten Wirtschaftsweise, nicht aber den Gemeinwohlbelangen außerhalb der allgemeinen Sozialpflichtigkeitsbindung, verpflichtet. Zur Betriebssanierung stünden neben Personalentlassungen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch Waldflächenverkäufe an. Die Einflussmöglichkeiten des Landes als Träger wären sehr gering. Die GmbH, so das Modell, hätte dem Land für die Bewirtschaftung der Waldflächen einen Pachtzins zu zahlen und die Personalkosten zu übernehmen. Als Unternehmen wäre sie jedoch mit Körperschafts- und Gewerbesteuer zu belasten, die nicht dem Land zugute kommen würden, so dass die Bildung einer GmbH sich steuerlich nicht rechnen würde.
Auch die Anstalt öffentlichen Rechts ist wirtschaftlich und rechtlich weitgehend vom Träger unabhängig, gewährt dem Träger jedoch bei ihrer Einrichtung einen gewissen Gestaltungsspielraum. Auf die Berücksichtigung von Gemeinwohlaufgaben kann der Träger (in diesem Fall also das Land) über den Verwaltungsrat einwirken. Üblicherweise ist jedoch nicht die Sicherstellung des Gemeinwohls, sondern die produktionsorientierte Wirtschaftsweise Aufgabe einer Anstalt öffentlichen Rechts. Beispielsweise Bayern führt seine Staatsforst als auf Gewinnerzielung ausgerichtete Anstalt, die diesbezüglich unter starkem Druck steht und dementsprechend für Naturschutz und Erholungszwecke wenig Raum lässt, was von vielen Forstleuten, der politischen Opposition sowie Umwelt- und Erholungsverbänden heftig kritisiert wird. Allerdings ließen sich mit einer Anstalt öffentlichen Rechts Gemeinwohlleistungen über Zielvorgaben festlegen. Aus Sicht des Bündnis Wald ist von Vorteil, dass sich zur Haushaltskonsoldierung vorgesehene spontane Waldverkäufe mit dieser Rechtsform - im Gegensatz zu GmbH und Landesbetrieb - nur schwierig umsetzen lassen würden.
Ein Landesbetrieb (nach § 26 Landeshaushaltsordnung) kann dagegen relativ frei gestaltet werden. Er ist wirtschaftlich ziemlich selbständig, rechtlich jedoch vom Land als Träger abhängig. Die Einflussmöglichkeiten des Trägers sind relativ groß; ein Landesbetrieb kann z.B. verhältnismäßig elastisch auf die Modulation von Zielvorgaben reagieren. Er ist jedoch stark von haushaltspolitischen Entscheidungen abhängig und bietet wenig Schutz vor Waldflächenverkäufen. - In Hessen und im Saarland sind die Landesforsten in Form von Landesbetrieben organisiert.
Eine Stiftung unterliegt der Gemeinwohlverpflichtung. Einer Stiftung übertragenes Vermögen ist nicht rückholbar, d.h. der Landeswald wäre bei Überführung in eine Stiftung nicht mehr zu veräußern oder in eine andere Rechtsform umzuorganisieren. Allerdings finanziert sich eine Stiftung i.d.R. aus ihrem Kapital - und das wäre der Landeswald -, so dass auch hier ein erheblicher wirtschaftlicher Druck entstehen kann. Die Gründung einer Stiftung `Landeswald´ macht nur dann Sinn, wenn das Land den klaren Willen nicht nur zur Entwicklung einer klar und ohne `Schlupflöcher´ auf die Gemeinwohlbelange ausgerichteten Satzung zeigt, sondern auch für einen ausreichenden Kapitalgrundstock als Anschubfinanzierung sorgt. Das ist derzeit nicht erkennbar.
Deutlich wird, dass bei mehreren Rechtsformen die Gemeinwohlbelange, aber auch der Forstbetrieb erheblich unter Druck geraten können und deshalb seitens des Bündnis Wald nicht allein auf die Wahl der zukünftigen Betriebsform, sondern auch auf deren Ausgestaltung zu achten ist.
Die Interessensvertretungen der Forst im Bündnis Wald sprechen sich für eine Anstalt öffentlichen Rechts bzw. für einen - optimierten - Regiebetrieb aus. Eine Anstalt gewährt eine relativ sichere Rechtsform mit klaren Zuständigkeiten, würde also die Forst vor der nächsten `Überraschung´ zu bewahren helfen. Sie muss aber von eindeutigen politischen Zielvorgaben zugunsten der Gemeinwohlaufgaben begleitet werden, die erstens langfristig Bestand haben und zweitens mit einer Garantie auf genügend Haushaltsmittel versehen werden müssen. Von Naturschutzverbänden ist auf die Vorzüge einer Stiftung hingewiesen worden, dieses Modell dürfte unter den jetzigen (finanz)politischen Verhältnissen aber nicht in einer akzeptablen Form zu realisieren sein.
Das Bündnis Wald
Als Antwort auf den destruktiven Umgang der Landesregierung mit `ihrem´ Wald - eigentlich müsste es heißen: mit unserem Wald, denn der Staatswald ist Eigentum von uns Bürgern, den die Regierung nur für uns verwaltet - hat sich im April 2006 das Bündnis Wald gebildet. Das Bündnis ist ein lockerer Zusammenschluss aus Organisationen des Naturschutzes, der Waldwirtschaft, des Erholungswesens und anderer gesellschaftlicher Bereiche, deren Interessenssphäre den Erhalt des Landeswaldes mitsamt seinen besonderen gemeinwohlorientierten Verpflichtungen berührt. Insgesamt umfasst das Bündnis Wald derzeit über 30 Mitglieder, überwiegend landesweit tätige Verbände, ergänzt um regional engagierte Vereine. Unterstützend wirken mehrere Agenda-Gruppen mit.
Erholung, Naturschutz, Umweltbildung, naturnaher Waldbau: Der Landeswald muss unser aller Wald bleiben! - Dieses Papier gibt die grundsätzlichen Zielsetzungen des Bündnis Wald wieder. Darüber hinaus haben einzelne Bündnis-Mitglieder diese Forderungen konkretisiert. So hat der NABU als Naturschutzverband folgende Eckpunkte aufgestellt:
Die außerordentliche Wahrnehmung der Allgemeinwohlbelange darf im Staatswald weder in ihrer Qualität noch in ihrer Quantität reduziert werden. Die Aufgabe der Holzerzeugung sollte im Konfliktfall auch weiterhin gegenüber den Naturschutz- und Erholungsfunktionen zurücktreten. Das bedeutet im Einzelnen:
- Die naturnahe Waldwirtschaft in ihrer ökologischen Ausrichtung, wie sie 1999 in der `Richtlinie für die naturnahe Waldentwicklung in den schleswig-holsteinischen Landesforsten´ fixiert worden ist, muss beibehalten und weiterentwickelt werden.
- Die umweltpädagogische Arbeit der Forstbediensteten ist auch zukünftig zu fördern.
- Der Landeswald hat wie bisher den Erholungsansprüchen auf hohem Niveau entgegen zu kommen, d.h. die dafür notwendige Infrastruktur zu erhalten.
- Das Land muss die dafür erforderlichen Mittel verlässlich bereitstellen, der Landesforstverwaltung Kontinuität in ihrer Arbeit ermöglichen und sie bei ihren Bemühungen um Einsparungen konstruktiv unterstützen, anstatt durch ständige Umorganisation Betriebsabläufe zu erschweren und Demotivation der Mitarbeiter zu erzeugen. Sinnvolle, mit oben genannten Grundsätzen vereinbare Rationalisierungsreserven sind auszuschöpfen, um die Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsführung zu erhalten und zu verbessern.
- Der Verkauf von Waldflächen muss kategorisch ausgeschlossen bleiben. Ausnahmen dürfen nur tatsächliche Splitterbesitzungen betreffen, sofern diese nicht besondere Funktionen für Naturschutz und Erholung haben. Der Landeswald muss insgesamt als Sondervermögen, als `Tafelsilber´ des Landes bewahrt werden.
- Die forstbehördliche Unabhängigkeit ist zu erhalten.
- Die vorgenannten Ansprüche sollten ebenfalls für den kommunalen Waldbesitz gelten, wie dies § 5 des Landeswaldgesetzes zum Ausdruck bringt.
- Das Landeswaldgesetz als eines der fortschrittlichsten Waldgesetze Deutschlands ist in seinen Inhalten substanziell unangetastet zu lassen.
Fritz Heydemann
Bündnis Wald
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