Umweltakademie in Neumünster belassen
Bildungsarbeit im Naturschutz vor ungewisser Zukunft
27. Oktober 2006: Die Akademie für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein soll nach einer Verlautbarung des MLUR 2008 umziehen, um angebliche Einsparungen zu realisieren. Das Vorhaben ist aber offenbar zwischen den Koalitionsparteien noch strittig: Die SPD im Kieler Landtag zeigt sich überrascht von der Ankündigung, hatte sie dem Vorhaben bislang noch nicht zugestimmt.
Positiv an den bisherigen Verlautbarungen: Die wegen ihrer hervorragenden Bildungsarbeit bundesweit anerkannte Institution bleibt nach massiven Protesten des NABU und früheren Interventionen der SPD bestehen, behält darüber hinaus ihren Status als nichtrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und zudem ihren Namen. Die Akademie würde jedoch ihr hervorragendes Lernumfeld in Neumünster verlieren, trotz deutlichem Entgegenkommen der Stadt bei Miet- und Verwaltungskosten. Vorstand und Beirat der Akademie sollen zu einem Kuratorium zusammengefasst werden. In wieweit im Rahmen der Zusammenlegung von Verwaltungsaufgaben die Akademie als Bildungseinrichtung auch Öffentlichkeitsarbeit für das Ministerium übernehmen muss, bleibt zunächst offen.
Der NABU hält die Absicht des MLUR, den Standort Neumünster aufzugeben, für falsch. Die angeblichen Einsparmöglichkeiten der Akademie als Begründung für deren Umzug sind in der genannten Höhe nicht nachvollziehbar, Belastungen dabei in Teilen vom MLUR selbst zuvor herbeigeführt worden. Am geplanten Standort Flintbek ist zudem im nüchternen, architektonisch ungeerigneten Verwaltungsgebäude des LANU direkt an einer vielbefahrenen Straße kein positives Lernumfeld vorhanden, wodurch zu befürchten stände, dass die bundesweit herausragende Akzeptanz bei den Nutzern sinkt. Die Anbindung an den ÖPNV ist miserabel. Aus diesem Grunde hat etwa NRW gerade den umgekehrten Weg beschritten und für die nun ausgegliederte Akademie in attraktiver Lage ein neues Gebäude errichtet.
Schleswig-Holsteins größter Naturschutzverband fordert, den Beschluss des Ministeriums zur Standortverlagerung zurückzunehmen. Zur Steuerung der Akademie sind in das geplante Kuratorium die bisherigen durch den Beirat vertretenen Kooperationspartner mit Mehrheit aufzunehmen.
Nachtrag 2015: Mittlerweile ist die Umweltakademie aufgelöst worden. Als Neugründung wurde zusammen mit der Akademie für den ländlichen Raum das 'Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume' am Standort des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) in Flintbek gegründet.
NABU fordert klares Bekenntnis zum Erhalt am Standort Neumünster
Umweltakademie des Landes vor ungewisser Zukunft
1. Juni 2006: Die Akademie für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein, bundesweit anerkannt wegen ihrer hervorragenden Bildungsarbeit für Multiplikatoren im Umweltsektor, steht vor einer ungewissen Zukunft. In der Öffentlichkeit werden von Landwirtschaftsminister v. Boetticher und seinem Staatssekretär Rabius ausschließlich finanzielle Gründe für die beabsichtigte Verlagerung der Umweltakademie genannt, um sie in das Landesamt einzugliedern. "In Wahrheit geht es jedoch um die Schleifung einer Institution, die für fortschrittliche umweltpädagogische Bildungsarbeit nicht nur im Lande, sondern bundesweit steht", so NABU Landesvorsitzender Hermann Schultz. Die Akademie muss ihren bisherigen Namen aufgeben, "Natur und Umwelt" sind unerwünscht.
Von besonderer Brisanz: Die "Akademie ohne Natur und Umwelt im Landesamt für Landwirtschaft usw." soll organisatorisch zugleich zum Sprachrohr der Behörde werden. Auch im Hinblick auf die angebliche Kostengünstigkeit meldet der NABU erhebliche Zweifel an. Hat der Minister übersehen, dass dem NABU, der jährlich rd. 12.000 Euro Miete zahlte, quasi gekündigt wurde um an dessen Stelle die Akademie für den ländlichen Raum AlR aufzunehmen, die für die selben Räume keinen Cent zahlen muss? Hat der Minister übersehen, dass die Stadt Neumünster bereit ist, einen größeren Teil der anfallenden Pachtkosten für das Akademiegebäude in Höhe von rd. 30.000 Euro zu übernehmen? "Wie passt das mit dem angeblich konsequenten Sparwillen des Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen zusammen? Der eigenen Klientel die Mietzahlungen erlassen, die Finanzanstrengungen der Kommune ignorieren und die Umweltakademie sowohl inhaltlich als auch finanziell beschneiden - so offensichtlich einseitig kann das Sparprogramm nun wirklich nicht umgesetzt werden", erklärte der NABU Chef.
Anerkannt gute Arbeit
Schleswig-Holstein ist für die im Koalitionsvertrag als vorrangig verankerte Bildungsarbeit für eine nachhaltige Entwicklung gut aufgestellt, weist das Land doch mit der Akademie für Natur und Umwelt in Neumünster eine Einrichtung vor, die an einem gut ausgestatteten Standort bundes- und landesweit Meilensteine in der Fortbildung setzt. Kriterium für die hohe Akzeptanz bei haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern der Umweltverwaltung wie des verbandlichen Naturschutzes und Interessensvertretern: Eine überdurchschnittlich hohe Auslastung der hochkarätigen, jedoch preisgünstigen Veranstaltungen und Seminare, und ein großer Kreis an Kooperationspartnern, der die inhaltliche Arbeit der Akademie stark mitgestaltet. Der Koalitionsvertrag sieht vor, eine Enquete-Kommission einzusetzen, um u. a. durch externen Sachverstand die Aufgaben und Tätigkeiten zu bewerten und Handlungsvorschläge zur weiteren Optimierung der Bildungsarbeit zu machen.
Enquete-Kommission ade
Die Landesregierung plant jedoch, die Akademie überstürzt in das Landesamt in Flintbek einzugliedern und dabei den Standort Neumünster aufzugeben. Das Vorgehen macht bei näherer Betrachtung jedoch nur aus einem bestimmten Blickwinkel Sinn. "Der Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein dient dem Ministerpräsidenten vor allem dazu, der SPD - wie im Falle der missratenen Kormoran- und Landesjagdzeitenverordnung - bittere Pillen zu verabreichen. Gleichzeitig glaubt er selbst, jetzt die Chance nutzen zu können, um mit Hilfe angeblicher finanziellen Notwendigkeiten in Abkehr vom Koalitionsvertrag die Schleifung der Akademie durchzusetzen", urteilt NABU Landesvorsitzender Hermann Schultz über das Vorgehen. "Damit wird eine Institution sozialdemokratischer Umweltbildungspolitik ohne reale Notwendigkeit zerschlagen". Die Umweltakademie entstand auf Initiative des ersten, von SPD Ministerpräsident Engholm in sein Kabinett berufenen schleswig-holsteinischen Umweltminister Prof. Berndt Heydemann.
Zahlreiche Angebote zur Kostenreduktion am Standort "unerwünscht"?
Dass auch die Akademie ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten kann, ist seitens der Kooperationspartner, die über den Beirat der Akademie die inhaltliche Arbeit mitbestimmen, unbestritten. So wurde insbesondere eine für ehrenamtliche Teilnehmer schmerzliche, letztendlich aber notwendige Erhöhung der Beiträge und Senkung der Honorare diskutiert und mitgetragen, um am Standort Neumünster die Identifikation stiftende Einrichtung als Treff aller am Umwelt- und Naturschutz Interessierten zu erhalten. Ein vom Beirat initiiertes Gespräch des Ersten Stadtrates Arend mit Umweltstaatssekretär Rabius hatte am 8. Mai 2006 zum Ergebnis, dass die Stadt Neumünster von sich aus zum Erhalt des Standortes eine deutliche Reduktion der Mietkosten anbot und Teile der Bewirtschaftung zukünftig zu übernehmen bereit war. Auch der Förderverein der Akademie ist bei der Suche nach zusätzlichen Finanzquellen aktiv geworden.Was empört ist, wie wenig diese Vorschläge gewürdigt werden und statt dessen offensichtliche Eigeninteressen des MLUR immer mehrzum Vorschein kommen. Der Beirat hat seine Bedenken gegen dieses Vorgehen am 11. Mai 2006 in einem offenen Brief an Landwirtschaftsminister von Boetticher formuliert.
Belastet wird am Standort Neumünster die finanzielle Situation durch einen "Taschenspielertrick", der es der vom Land bezuschussten, von einem Verein getragenen "Akademie für den ländlichen Raum" (AlR) als neuer Untermieterin der Umweltakademie erlaubt, eine Sparvorgabe des Landes kostenfrei umzuwälzen. Die AlR setzte für die Bereitschaft zum Umzug aus Eckernförde nach Neumünster durch, dass sie zukünftig keine Miete an das Land zahlt - der NABU zahlte für die selben Räumlichkeiten noch jährlich rd. 12.000 Euro. Darüber hinaus muss eine Mitarbeiterin der Umweltakademie im Umfang einer halben Stelle in der AlR aushelfen - ebenfalls kostenfrei und ohne den Stellenplan der Akademie zu entlasten. "Dies ist", so Schultz, "ein gelungenes Beispiel für die Vertuschung von Sparauflagen".
Neue Richtung
In der Summe ergeben sich schon jetzt kaum noch gravierende finanzielle Vorteile bei einer Auflösung des Standortes Neumünster, wenn Synergie-Effekte bei einer rein verwaltungstechnischen statt standörtlichen Anbindung an das Landesamt Eingang finden. Hinzu kommt, dass die Akademie den neuen, aus architektonischer Sicht völlig ungeeigneten Standort in Flintbek in der Regel für Veranstaltungen nicht nutzen kann, sondern andere Räumlichkeiten mit hohem organisatorischen Aufwand anmieten muss. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass man in der Hausspitze des MLUR und erst recht nicht in der Staatskanzlei die sich auftuenden Chancen zur Kostenreduktion ohne Standortverlagerung freudig aufgenommen hätte. Zwar steht der Erhalt der Umweltakademie als Bildungseinrichtung derzeit trotz Schlie-Berichts nicht zur Disposition - zu offensichtlich wäre der Bruch. Mit dem Umzug in das Landesamt in Flintbek verbunden ist jedoch eine vom MLUR als "zwingend notwendig" mitgeteilte Namensänderung der Akademie. "Vordergründige Symbolpolitik des MLUR", so Schultz. Quintessenz der Vorgabe: Wenn die Einrichtung nach dem Umzug noch nominell unabhängig bestehen bleiben sollte, so als "Akademie ohne Natur und Umwelt" in einem umbenannten "Landesamt für Landwirtschaft und Umwelt", wie der Diskussionsstand auch für die Namensgebung des LANU vorsieht. Es ist zweifelhaft, ob die Akademie im Land dann noch Rückhalt bei den zahlreichen, engagierten Kooperationspartnern im Umweltbereich findet und ihrer Identifikationsrolle gerecht werden kann - ein weiterer Kritikpunkt auch des Beirates der Akademie. Es steht zu erwarten, dass dies später Auswirkungen auf die inhaltliche Arbeit haben wird.
Bildung und Regierungsarbeit
Besonders brisant: Mitarbeiter der Akademie sollen zukünftig Teile der Öffentlichkeitsarbeit des Landesamtes - und damit des Ministeriums - übernehmen. Man mag dem Landwirtschaftsministerium in Kiel eine professionellere Darstellung der eigenen Arbeit gönnen. Fraglich bleibt, ob für die Wahrnehmung einer Bildungseinrichtung die Vermischung von behördlicher Informationspolitik und meinungsübergreifender Umweltbildungsarbeit förderlich ist. Sicher käme niemand im Bildungsministerium auf die Idee, die Arbeit der Presseabteilung des Ministeriums oder nachgeordneter Behörden auf Ausbilder im IQSH oder Professoren an der Universität zu übertragen. "Für den NABU ein weiteres Zeichen, wie unausgegoren das MLUR hier agiert und wie notwendig es ist, unabhängigen Sachverstand in die Diskussion einzubringen - fußend auf den Vorgaben des Koalitionsvertrages", so Schultz abschließend. "Der NABU ist sich sicher, das Ergebnis wäre eine Beibehaltung des Standortes Neumünster unter Wahrung der Identität der Akademie".