Wie sich auch „Panorama“ irrt
Mareike Burgschat und Jörg Hilbert versuchen sich erneut an Vorwürfen gegen Naturschutzverbände
15. März 2012: Ob eine Klage erfolgreich geführt werden kann, gehört wie die Abwägung für oder gegen eine Mediation für Umweltverbände zu den naturschutzfachlich wie rechtlich am schwierigsten zu entscheidenden Fragen. Schleswig-Holsteins Naturschützer sind dabei in Verwaltungsgerichtsverfahren überdurchschnittlich erfolgreich. Doch verrät der NABU dabei seine Ziele, wie die Journalistin Mareike Burgschat nach dem gescheiterten Anlauf in „Menschen und Schlagzeilen“ des NDR im Sommer letzten Jahres nun im ARD-Magazin „Panorama“ erneut zu belegen versucht?
Bereits am 23. August 2011 schreckte ein Fernsehbeitrag im Rahmen des NDR-Formats „Menschen und Schlagzeilen“ (MuSch) naturengagierte Menschen in Schleswig-Holstein auf: „Tauschgeschäfte – Umweltverbände verraten Ideale“ titelte das Magazin. Doch die gegen NABU, BUND und LNV gerichteten Vorwürfe im Falle „Flughafen Lübeck“ hielten – auch bei vom NABU befragten Landesjournalisten – einer kritischen Betrachtung nicht stand. Die beiden Autoren, Mareike Burgschat und Jörg Hilbert, lieferten weder im Beitrag, bei anschließenden Diskussionen im – zeitweise geschlossenen – NDR-Forum oder gar bei persönlichen Gesprächen mit dem NABU Belege für Ihre Aussagen. Wenig verwunderlich: Der NABU hatte bereits frühzeitig die Grundlagen seiner Entscheidungsfindung in Klageverfahren auf seinen Internetseiten bekannt gemacht, seinen Standpunkt zu den Vorwürfen des NDR am selben Ort veröffentlicht, seine Mitglieder in der Verbandszeitschrift „Betrifft: Natur“ umfassend informiert und seinerseits den offenen Dialog mit schleswig-holsteinischen Journalisten gesucht. Mehr Transparenz geht kaum noch. Insbesondere der in der Anmoderation noch geäußerte Vorwurf, die Organisationen seien käuflich, wird deshalb heute auch von den Autoren des Beitrags nicht mehr wiederholt. Das ist gut und richtig.
Zweiter Aufschlag
Doch trotz der breiten öffentlichen Darstellung der Hintergründe, die zur Entscheidung für eine Mediation geführt haben und die zeigen, dass die Mediation in Lübeck den Naturschutz deutlich und weit über das gesetzlich vorgesehene Maß hinausgehend vorangebracht hat, haben dieselben Autoren nun im ARD-Magazin Panorama am 15. März 2012 erneut einen Beitrag platziert, der vorgibt, neue Argumente für die alte These, der NABU verrate seine Ziele, zu liefern.
Warum auch Panorama irrt
Doch auch hier verfangen sich Frau Burgschat und Herr Hilbert in der „causa Lübeck“ in Widersprüchen und werden dem Sachverhalt nicht annähernd gerecht:
- Erstaunlich ist zunächst, dass die einmalige, zudem gekürzte Projektmittel-Vergabe von rund tausend Euro für eine umweltpädagogische Maßnahme durch die „Stiftung Grönauer Heide" bei einem Stiftungsvermögen von mehreren Millionen Euro eine derartige Beachtung findet. Die Stiftung ist aus der Mediation 'Flughafen Lübeck' hervorgegangen und setzt die zahlreichen vereinbarten Ausgleichsmaßnahmen vor Ort um. Die Frage, in welcher Entfernung und mit welcher Qualität Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe stattfinden dürfen, ist durch Gesetzgebung längst geregelt: Eingriffe in Lübeck könnten – rechtlich zulässig – heute auch im 150 Kilometer entfernten Flensburg durch nicht-gleichwertige Maßnahmen ausgeglichen werden. Der Wirkbereich der Stiftung ist dagegen durch deren Satzung frühzeitig auf den engeren Lübecker Raum begrenzt worden. Die anerkannt gute Arbeit der Stiftung bei der Umsetzung der Mediationsvereinbarung findet aber keinerlei Beachtung. Zudem sind Stiftungen grundsätzlich ein anerkannt erfolgreiches Mittel, Naturschutzziele langfristig und effektiv zu erreichen, wie nicht allein die NABU-eigene "Stiftung Naturerbe", sondern auch die „Deutsche Bundesstiftung Umwelt“ oder die „Stiftung Naturschutz“ des Landes Schleswig-Holstein beeindruckend zeigen. Das Kieler Umweltministerium bedient sich letzterer häufig und erfolgreich beim Flächen- und Artenschutz im Land zwischen den Meeren. Alle Stiftungen fördern dabei explizit auch Umweltbildungsprojekte. Schließlich lebt ein Projekt von einem für den Naturschutz positiven Umfeld. In manchen politischen Kreisen ist es zudem Konsens, dass durch umweltbezogene Bildung und Information mehr für den Naturschutz erreicht werden könne, als etwa durch das Ordnungsrecht.
- Verwunderlich ist aber, dass hier ein Zusammenhang mit den klagenden Verbänden NABU, BUND und LNV konstruiert wird, obwohl die für ein Kleinstprojekt gescholtene Stiftung keine organisatorische Verbindung zu den Klägern hat, sondern Unterstiftung der staatlichen schleswig-holsteinischen „Stiftung Naturschutz“ ist.
- Absurd wird dann aber der suggerierte Zusammenhang, dass heute kritisierte Projekte Rückwirkungen auf die Jahre vorher liegende Entscheidung pro oder contra Mediation hätte haben müssen. Schließlich haben die Verbände nie behauptet, hellseherisch in die Zukunft zu blicken, sondern mit der Stiftung ein Instrument gewählt, dass sich allerdings bis heute bewährt hat.
Der NABU hat in einer über zweistündigen „Befragung vor laufender Kamera“ in seiner Geschäftsstelle in Neumünster die Journalistin immer wieder auf diese und andere Ungereimtheiten ihrer Behauptungen aufmerksam gemacht – offensichtlich jedoch bestand kein Interesse, diese für die Beurteilung wesentlichen Aspekte zu berücksichtigen. Da es den oben genannten Zusammenhang schon der Logik geschuldet nicht geben kann, bricht eigentlich spätestens hier der Vorwurf des Verrats an Umweltzielen in sich zusammen. Vom NABU darauf angesprochen, lieferte Frau Burgschat folglich auch keine schlüssige Deutung dieser gravierenden Widersprüchlichkeiten.
Klagen um des Klagens willen?
Frau Burgschat versucht zudem, Matthias Braun, Vorstandssprecher der lokalen Naturschutzstation Dummersdorfer Ufer, als Kronzeugen für ihre Behauptungen herauszustellen. Er wurde vom NABU als „externes Mitglied“ für den Rat der Stiftung Grönauer Heide benannt. Wie schon im Falle Brigitte Dowideit im Fernsehbeitrag bei MuSch im August 2011 gilt jedoch auch hier: Die Zeugen sind offensichtlich ungeeignet, die Komplexität der notwendigen Abwägungen darzustellen. Die Entscheidungsfindung für oder gegen eine Mediation fußt nämlich auf zwei Grundlagen, die nicht losgelöst voneinander zu betrachten sind: Zum einen der Frage, wie Verbesserungen für den Naturschutz fachlich erreichbar sind, zum anderen aber, ob für deren Durchsetzung überhaupt eine ausreichende rechtliche Basis besteht (s. a. "Ist der NABU käuflich?") – oder ob nicht über eine Mediation und zusätzliche, über den gesetzlichen Rahmen hinausgehende Auflagen mehr für den Naturschutz zu erreichen ist.
Eine „Klage um des Klagens willen“, wie sie offensichtlich die Journalistin trotz ihrer Kenntnis der Ausweglosigkeit einfordert, hat dabei mehr Nach- als Vorteile, unter anderem, weil sie bei einem absehbaren Scheitern keine Verbesserung der Umweltsituation bringt, mit einer Niederlage aber auch immer in der Öffentlichkeit verbunden wird, der Kläger habe auch unrecht gehabt. Herr Braun und Frau Dowideit mögen gegebenenfalls zur Klärung naturschutzfachlicher Fragen beitragen, mit der Beurteilung der rechtlichen Aspekte sind sie aber als Nicht-Juristen überfordert. Auch der NABU zieht zu dieser Entscheidung seine erfahrenen Rechtsanwälte hinzu. Der NABU wünscht dabei der lokalen Bürgerinitiative viel Glück in der Auseinandersetzung mit dem Flughafen in Lübeck. Aber nach der rechtlichen Einschätzung der Verbände wie auch der der beauftragten Rechtsanwälte sind die Chancen, die Klage trotz vom Vorhabenträger verbesserten Unterlagen zu gewinnen, zu gering, um auf eine Mediation verzichten und ein weiteres Klageverfahren anstreben zu können. Die Autoren haben allerdings gar nicht erst den Versuch unternommen, diese Frage überhaupt in den Beitrag einzubeziehen.
Vorbehalte der Öffentlichkeit?
Ob es wirklich in der Öffentlichkeit erhebliche Vorbehalte gegen die Mediationsergebnisse von Lübeck-Blankensee gibt, daran hegt der NABU deutliche Zweifel. Entsprechende Beschwerden sind an den NABU nicht herangetragen worden. Auch der frühere Beitrag in „MuSch“ hat kein größeres Echo gefunden – weder in der interessierten und vom NABU informierten Öffentlichkeit, noch in den übrigen Medien. Im Gegenteil: In Hintergrundgesprächen haben sich mehrere Journalisten auch des NDR in Kenntnis der Sachlage deutlich vom Beitrag distanziert.
Zunehmende Bereitschaft zum Vergleich?
Auch diese These wird von Frau Burgschat gerne verbreitet. Sie widerspricht aber jeglicher objektiver Betrachtung, wenn man hierzu sowohl die schleswig-holsteinschen Fälle hinzuzieht, wie auch in die Auswertung der Praxis in der Bundesrepublik geht (STIFTUNG DAVID (2010): Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur Entwicklung von Vergleichsabschlüssen).
Fazit
Die klagenden Naturschutzverbände haben sich in Schleswig-Holstein in hohem Maße sach- und fachorientiert verhalten. In allen Verfahren wurde – unabhängig vom jeweiligen Klageverlauf – ein hohes Maß an Vorteilen für den Naturschutz erreicht, im Abgleich mit den bestehenden juristischen Rahmenbedingungen. Auch Geldzahlungen an Naturschutzstiftungen sind dabei ein adäquates und moralisch nicht verwerfliches Mittel. Der Panorama-Beitrag bringt keine Erkenntnisse, die daran Zweifel aufkommen lassen können.
ILu, erg. 20. März 2012
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