Moore in Schleswig-Holstein
Auf schwankendem Grund
Die Faszination Moor besteht seit Ewigkeiten, doch ist es dasselbe mit dem Lebensraum Moor? Welche Moore gibt es noch und wen oder was kann man dort finden? Der NABU informiert. Mehr →
Moore üben eine einzigartige Faszination auf den Menschen aus. Sie wirken geheimnisvoll und unheimlich, sogar ein wenig bedrohlich oder aber wild romantisch – schon immer haben Moore daher in der Literatur und im Film als Schauplatz und Tatort gedient. Wer kennt nicht das Gedicht von Annette von Droste-Hülshoff „Der Knabe im Moor“, welches diese Stimmung auf den Punkt gebracht hat. In Graal-Müritz in Mecklenburg-Vorpommern an der Ostseeküste wiederum feiern alljährlich viele Menschen den guten Moorgeist „Murmann“, der schon etlichen Moorwanderern das Leben gerettet haben soll.
Bis heute haben Moore wie kein anderer Lebensraum sich ihre Aura erhalten können. Dabei verschwindet dieser Lebensraum, der für viele spezialisierte Tiere und Pflanzen, aber auch für den Klimaschutz und den Wasserhaushalt der Landschaft von überragender Bedeutung ist.
Der NABU Schleswig-Holstein setzt sich mit einem von der BINGO! Umweltlotterie gefördertem Projekt mit diesem Lebensraum auseinander.
Moor ist nicht gleich Moor
Moore entwickeln sich dort, wo infolge hohen Wasserstandes und dadurch bedingten Sauerstoffmangel die Stoffproduktion der Pflanzen größer ist als der Stoffabbau. Es kommt damit zu einer jährlichen Zunahme von abgestorbenem Pflanzenmaterial, aus dem sich der für Moore typische Torf bildet. Die Torfbildung wird durch das Klima, die Oberflächengestalt und den Wasserhaushalt der Landschaft bestimmt. Je nach naturräumlicher Lage im Land gibt es unterschiedliche Moortypen, die oft auch in kleinräumigen Verzahnungen miteinander vorkommen und eine hohe Standortvielfalt bedingen.
Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war noch mehr als ein Zehntel der Fläche des Landes Schleswig-Holstein mit Mooren bedeckt. Vor allem zur Landgewinnung begann bereits im späten Mittelalter die Kultivierung vermoorter Niederungen. Die beginnende Industrialisierung, eine zunehmende Mechanisierung der Landwirtschaft sowie die Verkoppelung der Landschaft auch bislang unwirtschaftlicher Flächen beschleunigten diesen Prozess. Die Begradigung und der Ausbau der Fliessgewässer im 20ten Jahrhundert hat die Entwässerung weiterer Landstriche auch im Binnenland vorangetrieben. Niedermoore wurden als Weiden genutzt, Hochmoore erst überwiegend zur Brennstoffgewinnung – an der Westküste auch zur Salzgewinnung - abgetorft, anschließend urbar gemacht und landwirtschaftlich genutzt. Unglaublich, aber wahr - leider wird bis heute immer noch Torf in Hausgärten und im Gartenbau verwendet!
In jüngerer Zeit erweist sich aber die Nutzung ehemaliger Moorflächen zunehmend als problematisch. Die entwässerten Torfe sacken und vernässen, eine Nutzung als Wiese oder Weide wird erheblich erschwert. Zahlreiche ehemals genutzte Flächen verbrachen inzwischen und sind als Nutzflächen, leider vielfach auch für die Ziele des Moorschutzes verloren gegangen. Der Flächenhunger der aktuell aus dem Boden sprießenden Agrargasanlagen hat den Bedarf an Ackerflächen zum Anbau vor allem für Mais sprunghaft in die Höhe schießen lassen, viele Niedermoorflächen sind wieder in intensive landwirtschaftliche Nutzung überführt worden – und Grünland wird weiter umgebrochen!
Durch höhere Einträge von Nährstoffen wirkt sich die Nutzung von Niedermoorböden als Acker noch gravierender als die Nutzung als Grünland aus. Über 87.000 Hektar Niedermoor und etwa 20.000 Hektar Hochmoor und damit über 73 Prozent der Moorflächen werden heute in Schleswig-Holstein landwirtschaftlich genutzt – Tendenz steigend! Die Landschaft im Land zwischen den Meeren verändert sich weiter grundlegend.
„hotspots“ der Biodiversität
Die verschiedenen Moortypen sind „extreme“ Lebensräume u. a. mit hohen Wasserständen, Nährstoffarmut, extrem sauren oder basischen Bedingungen, kaltem Mikroklima mit z.T. ganzjähriger Nachtfrostgefahr. Dies stellt hohe Ansprüche an die Anpassungsfähigkeit ihrer Bewohner. In den vergangenen Jahrtausenden hat sich daher eine einzigartige Biozönose in und auf den Mooren eingefunden. Charakteristische Pflanzen der Hochmoore, wie der Sonnentau oder das Schnabelried haben sich perfekt an das nährstoffarme und saure Milieu ihrer Umwelt angepasst. Sie reagieren aber äußerst empfindlich auf eine Veränderung der äußeren Bedingungen.
Moore sind von Natur aus nährstoffarme Biotope. Schon die Düngung angrenzender landwirtschaftlich genutzter Flächen und der nachträgliche Transport der Nährstoffe in die Gebiete führen zu erheblichen Beeinträchtigungen dieses sensiblen Ökosystems. Aber auch Niedermoore stellen für viele zeitweise oder ganzjährig an Wasser gebundene Arten einen bedeutenden Lebensraum dar. Seltene Amphibien-, Reptilien- und Vogelarten, aber auch eine Vielzahl spezialisierter Wirbelloser z. B. aus der Gruppe der Libellen und Käfer sind auf sie angewiesen.
Lebensraumschutz ist also auch hier Artenschutz. Trocknet ein Moor aus, da der Wasserstand zu niedrig ist, werden nicht nur Kohlendioxid, das als Klimagas besonders schädliche Methan und Nährstoffe freigesetzt, sondern es hat auch Konsequenzen für die Artenzusammensetzung des Moores. An nährstoffreichere und trockenere Standorte angepasste, konkurrenzkräftigere Arten dringen dann in die Moore ein und verdrängen die moortypischen Arten.
Dokumentiert wird der Artenrückgang der Moore auch anhand der Roten Listen. Aufgrund der starken Gefährdung von Moorlebensräumen sind die spezialisierten Arten ohnehin nur noch sporadisch verbreitet. Nach Auswertungen des Bundesamtes für Naturschutz BfN sind bei den im Vergleich zu Niedermooren besser untersuchten Hochmooren über 90 % der ursprünglich vorhandenen Moorflächen bereits verloren gegangen und als intakte Hochmoorfläche werden in Schleswig-Holstein lediglich 40 ha angesehen (BfN 2006). Von den echten Moorarten liegt die Gefährdung nach neuesten Erkenntnissen bei deutlich über 50 % und teilweise sogar bei 75 %. Dieser hohe Gefährdungsgrad betrifft dabei gleich mehrere Wirbellosengruppen wie Schmetterlinge, Käfer, Köcherfliegen, Wanzen ebenso wie die Brutvögel und Pflanzenarten.
Moorschutz ist Klimaschutz
Weltweit werden im jährlich neu gebildeten Torf etwa 150 bis 250 Millionen Tonnen Kohlendioxid festgelegt. Das entspricht der doppelten Menge, die im Kyoto-Protokoll weltweit als Reduktionsziel festgelegt ist. Lebende Moore haben damit eine Klima kühlende Wirkung. Eine weitere Torfakkumulation führt zu einer ständigen Abnahme des Kohlendioxidgehaltes in der Atmosphäre. Weit wichtiger ist jedoch auch die Bedeutung der Moore als historischer Kohlenstoff-Speicher. Weltweit enthalten die Moore mehr gebundenen Kohlenstoff als alle Wälder dieser Welt.
Vor allem durch intensive landwirtschaftliche Nutzung werden Moore aber vom CO2-Speicher zum CO2-Emmittenten. Den größten Anteil an den Emissionen aus Mooren trägt mit 84 Prozent die Land- und Forstwirtschaft. Aus extensiv genutzten Mooren stammen neun Prozent und aus der industriellen Abtorfung sieben Prozent.
Eine fortschreitende Torfmineralisation schafft eine Fülle zusätzlicher und vermeidbarer Umweltprobleme durch die Freisetzung atmosphärenwirksamer Gase sowie durch die Abfuhr ehemals in Torf gebundener Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor in das Oberflächen- und Grundwasser. Eine weitere wichtige Funktion nehmen Moore im Landschaftswasserhaushalt als Filter von Nähr- und Schadstoffen und vor allem auch als Rückhalteflächen ein.
Bei der Biotopkartierung, die von 1978 bis 1993 vom damaligen Landesamt für Naturschutz- und Landschaftspflege (heute Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume LLUR), konnten nur auf knapp 19 Prozent der Niedermoorstandorte noch typische, ökologisch wertvolle Biotope gefunden werden. Nur knapp sieben Prozent der Moorflächen des Landes weisen noch wertvolle Hochmoorbiotope auf. Die verbleibenden Flächen befinden sich zum größten Teil in mehr oder weniger intensiver landwirtschaftlicher Nutzung und werden deshalb auch weitestgehend entwässert. Auch die erfassten Biotopflächen in den Mooren sind in der Regel nicht von einer Entwässerung verschont geblieben. 95 Prozent der Hochmoorbiotope sind zumindest schwach entwässert. Für die Niedermoorflächen der Biotopkartierung sieht die Bilanz in dieser Hinsicht etwas günstiger aus. Von den erfassten Niedermoorflächen weisen nur 43 Prozent der Biotope von einer schwachen Entwässerung geprägte Wasserstände auf. Ein Lebensraum verschwindet.
Zurzeit befinden sich 115.000 ha Niedermoorböden (7,3 % der Landesfläche) und 30.000 Hektar Hochmoorböden (1,9 % der Landesfläche) im Land. Zu den bekanntesten Hochmooren zählt das Dosenmoor bei Neumünster, das Nienwohlder Moor oder das Fröslev-Jardelunder Moor an der dänischen Grenze zwischen Ellund und Süderlügum. Große Niedermoore liegen in der Oberen Treenelandschaft oder auch im Eidertal zwischen Flintbek und Bordesholm. Landesweit verteilt sich eine Vielzahl von kleineren Mooren über alle Landkreise. Etliche Moorgebiete sind bereits als Naturschutzgebiet oder FFH Gebiet ausgewiesen. Viele der kleineren Moorflächen sind aber der Öffentlichkeit kaum bekannt, sei es in ihrer Bedeutung für die Biodiversität oder für den Klimaschutz. Dies gilt es ändern!
Ambitioniertes Projekt
Der NABU möchte im Rahmen seines Projekts „Von Moorfröschen und Moorgeistern“ über seine Landesstelle Wasser eine Plattform schaffen, die es den verschiedenen landesweit verstreuten Akteuren ermöglicht, in einem engeren Austausch zu gelangen, Informationen auszutauschen oder Hilfestellungen auch vor Ort zu bekommen. Hier sollen verbandübergreifend möglichst viele der verstreut agierenden Akteure angesprochen und vernetzt werden, seien es engagierte Einzelpersonen, vor Ort tätige kleine Naturschutzgruppen, landesweit tätige Organisationen oder z.B. Lokalen Aktionen.
Im Rahmen dieser „Moor-Allianz“ soll darüber hinaus mit Grundeigentümern wie der Kirche, Stiftung Naturschutz oder Kommunen Verbindung aufgenommen und Diskussionen über die Möglichkeiten eines Moorschutzes initiiert werden, auf Chancen der Moorprogramme der Landesregierung hingewiesen werden – eine derartige Plattform fehlt zur Zeit und bietet eine neue Möglichkeit, den Moorschutz in Schleswig-Holstein weiter voranzubringen.
Carsten Pusch
NABU Schleswig-Holstein
Leiter NABU Landesstelle Wasser
Lange Str. 43
24306 Plön
Tel.: 04522-2173
Mail: Carsten.Pusch@NABU-SH.de
Thomas Behrends
NABU Landesstelle Wasser
Tel.: 04522-5989301
Mail: Thomas.Behrends@NABU-SH.de
Auf der wissenschaftlichen-fachlichen Seite liegen umfangreiche Information über Moore in Schleswig-Holstein vor, es fehlt vor allem an der Vermittlung dieser Informationen an die Öffentlichkeit vor Ort. Viele Menschen verbinden mit einem Moor lediglich das klassische Hochmoor. Über das Vorkommen, die Bedeutung und besonders auch die Gefährdung besonders der Niedermoore ist selbst in interessierter Öffentlichkeit hingegen wenig bekannt! Mit den Instrumenten der Umweltbildung sollen verschiedene Zugangsmöglichkeiten zum Thema Moor geschaffen werden.
So ist die Zusammenstellung von Infomaterialien und Utensilien in ausleihbaren „Moor-Kisten“ zur umweltpädagogischen Arbeit im Moor mit z.B. Hintergrundinformationen, Bestimmungsutensilien oder Materialien für kleine Experimente für interessierte (Naturschutz-) Gruppen wie NAJU Kindergruppen, Schulen oder Kindergärten vorgesehen. Durch Vorträge und Exkursionen sollen die vielfältigen Moortypen in Schleswig-Holstein und ihre spezialisierte Tier- und Pflanzenwelt vorgestellt und im Rahmen eines in Kürze startenden Fotowettbewerbes soll das Interesse für diese Lebensräume z.B. bei Naturfotografen geweckt werden - „Moor im Focus“.
Aber auch der Aufbau und die Überarbeitung der Internet-Präsentation des NABU Schleswig-Holstein zum Lebensraum Moor, Moorschutz, Moor und Klima, Moor und Biodiversität gehört zu den Projektinhalten – „Moor im net“. Ein wesentlicher Schwerpunkt stellt aber schließlich die Vernetzung der verschiedenen Akteure im Moorschutz zur gegenseitigen Information, Unterstützung und Kooperation von z.B. Schutzgebietsbetreuern, Naturschutzvereinen oder Lokalen Aktionen bei der Planung oder Initiierung von Moorschutzmaßnahmen und Moorschutzprojekten sowie die Verknüpfung mit überregionalen Moorschutzprojekten und -initiativen.
Die Faszination Moor besteht seit Ewigkeiten, doch ist es dasselbe mit dem Lebensraum Moor? Welche Moore gibt es noch und wen oder was kann man dort finden? Der NABU informiert. Mehr →
Um die Aufmerksamkeit auf diesen besonderen Vogel und seinen bedrohten Lebensraum zu lenken, wurde die Bekassine zum "Vogel des Jahres 2013" ernannt. Der NABU informiert. Mehr →