Mangelnde Kenntnis
Zumeldung des NABU zu den Pressemitteilungen von CDU und FDP zur Verbandsklage
Neumünster, 27. Oktober 2016: Zu den heutigen Äußerungen der verkehrspolitischen Sprecher der CDU- und FDP-Landtagfraktionen, Hans-Jörn Arp, sowie Christopher Vogt erklärt der NABU:
Es ist bezeichnend, wie wenig CDU und FDP sich mit den fachlichen, rechtlichen und finanziellen Aspekten des Naturschutzes in Schleswig-Holstein auskennen und wie sie in Konflikten immer wieder in alte Stereotypen zurückfallen, statt auch für sich Lehren aus CDU-eigenem Fehlverhalten und Fehleinschätzungen zu ziehen:
Wie hinreichend bekannt ist, berühren viele der Infrastruktur-Vorhaben in Schleswig-Holstein auch nach übereinstimmenden Bewertungen von staatlichen Behörden ökologisch hoch sensible Gebiete und dabei auch EU-rechtlich gesicherte Umweltaspekte. Hier ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung mindestens von bestehendem Recht zu legen ist ureigene, in den Satzungen niedergelegte Aufgabe der Naturschutzverbände. Alle Urteile der Gerichte zeigen aber immer wieder, dass das Land seinen daraus erwachsenden Verpflichtungen nicht hinreichend nachkommt – und das trotz bereits in den Verfahren vor einer Klage vielfach geäußerten und präzisierten Hinweisen seitens der Naturschutzverbände. Zudem hat insbesondere die CDU in Zeiten ihrer Verantwortlichkeit bei den grundlegenden Weichenstellungen im Vorwege vieler Planungen wie der A 20 etwa bei der vorfestgelegten Trassenführung oftmals Naturschutzaspekte hintenangestellt. Dies wirkt sich bis heute negativ bei der Realisierung von Projekten aus.
Wie viel Geld bekommen die Anwälte?
Gute Rechtsanwälte helfen dem Land dann nicht, wenn die Planung, die sie zu verteidigen haben, schlicht rechtlich und fachlich nicht tragfähig ist. Von einem mangelhaften Faktenwissen von Herrn Arp zeugt seine Einschätzung zu den Prozesskosten. Der NABU nimmt überrascht zur Kenntnis, dass Herr Arp meint, die Naturschutzverbände könnten sich „exorbitant teure Prozessvertretungen“ durch Top-Änwälte leisten, die sich das Land nicht leisten könne. Zwar besteht insoweit auch aus Sicht des NABU Übereinstimmung zur hohen Qualität der vom NABU beauftragten Anwälte, nicht aber zu dem behaupteten Kostenvergleich. So ist allgemein bekannt, dass die im Verfahren zur Elbquerung der A 20 vom Land Schleswig-Holstein beauftragte Kanzlei Graf von Westphalen als international tätige Großkanzlei zu den vergleichsweise teuren Kanzleien gehört, deren Stundenhonorare und Gesamtbudget den der vom NABU beauftragten Kanzlei Mohr Rechtsanwälte deutlich übersteigen dürfte. Von daher wird Herr Arp dem Verdacht einer Falschbehauptung nur erfolgreich entgegentreten können, wenn er öffentlich darlegt, auf welche tatsächlichen Information zu dem Kostenvergleich der Anwälte er seine Behauptungen stützt. Der NABU ist gespannt darauf, von Herrn Arp zu erfahren, wie hoch die Kosten der Prozessvertretung des Landes in den Klagverfahren zur schleswig-holsteinischen Hälfte der geplanten Elbquerung der A 20 beim BVerwG tatsächlich waren und ob diese wirklich – wie behauptet – niedriger als die des NABU waren.
NABU übernimmt und teilfinanziert staatliche Aufgaben
Offensichtlich nicht verstanden haben CDU und FDP auch, welche Aufgaben Naturschutzverbände wie der NABU mit den – gemessen an den Notwendigkeiten geringen – zur Verfügung gestellten, eigenen Finanzmitteln des Landes wahrnehmen. Vom NABU werden etwa umfangreiche Verpflichtungen des Landes in der Schutzgebietsbetreuung, aber auch im Artenschutz und in der Umweltbildung, übernommen, und aufgestockt mit teils erheblichen Eigenmitteln der Verbände finanziert. Hinzu kommt ein hohes ehrenamtliches Engagement, auf das das Land weitgehend kostenlos zugreifen kann. Wird hier gestrichen, wird dies zum Bumerang: Das Land wäre derzeit finanziell und organisatorisch gar nicht in der Lage, die fachlich und rechtlich notwendige, vom NABU mit hohem Engagement getragene Betreuung des teils EU-rechtlich gesicherten Naturerbes in den Schutzgebieten etwa an der Ostseeküste oder in den Naturschutzkögen an der Westküste sicher zu stellen.
„Voll daneben“ ist schließlich die Einbeziehung von Geldern der aus Spielerteilnahmen finanzierten Umweltlotterie BINGO in die Argumentation. Trotz CDU-Mitarbeit im Vergaberat der Lotterie hier diese Mittel als Staatsmittel darzustellen und so in das angedrohte Kürzen bzw. Streichen einzubeziehen, zeugt schlicht von gravierender Unkenntnis. Die BINGO-Projekte des NABU etwa im Fledermausschutz, in der Gewässerbetreuung im Rahmen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie oder im Schweinswalschutz, für die der Verband häufig deutlich mehr als die geforderten 25 Prozent Eigenmittel aufwenden muss und die ebenfalls bei der Umsetzung von staatlichen Umweltzielen helfen, sind hoch effizient und fachlich anerkannt auf hohem Niveau. Sie treffen auch in der Öffentlichkeit auf eine große positive Resonanz.
Der NABU fordert CDU und FDP auf, von derart unüberlegten Äußerungen Abstand zu nehmen. Zur Verbesserung des Kenntnisstandes bietet der NABU den beiden Parteien an, bei der Durchdringung des Naturschutzes und seiner Rahmenbedingungen in Schleswig-Holstein gerne behilflich zu sein.
Kontakt
Ingo Ludwichowski, Mobil 0160-96230612