Baumarktflair statt Gartenkultur - Landesgartenschau Eutin - Foto: Fritz Heydemann
Ein Rückblick: Landesgartenschau 2016 in Eutin
Pflanzen und Natur blieben Nebensache
"Eins werden mit der Natur" lautete das Motto der Landesgartenschau (LGS) 2016, die dieses mal in Eutin stattfand. Ein Anspruch, der eine hohe Erwartungshaltung weckte, zeigten doch die beiden bisherigen Landesgartenschauen Schleswig-Holsteins gerade im Umgang mit der Natur des Standorts arge Defizite. Hatte man in Eutin aus den Fehlern gelernt? Haben in Eutin endlich Pflanzen, Garten und vielleicht sogar Natur im Mittelpunkt gestanden? Doch Anspruch und Wirklichkeit klafften auch in Eutin weit auseinander. Nachfolgend einige persönliche, bewusst akzentuierte Impressionen eines ausgiebigen Besuchs zur Sommerzeit.
Bereits die Findungsphase ließ Skepsis aufkommen. Denn beim schleswig-holsteinischen Umweltministerium als Koordinator der Standortvergabe bewarb sich mit Eutin nur eine einzige Kommune, bekam den Zuschlag also nicht wegen besonders guter Konzeption, sondern schlicht aufgrund fehlender Konkurrenz. Die in der Holsteinischen Schweiz gelegene Kleinstadt konnte mit einem Stadtpark und dem weitläufigen Schlosspark allerdings ein bereits im bisherigen Zustand attraktives Areal von 27 ha, direkt am Großen Eutiner See gelegen und von historischen Gebäuden flankiert, einbringen. Beide Bereiche hätten jedoch ein gehöriges Maß an planerischer und gestalterischer Sensibilität erfordert. Dieser Aufgabe wurde die LGS in keiner Weise gerecht. Während die Denkmalpflege über den als Kulturdenkmal eingetragenen Schlosspark ihre schützende Hand hielt, ließen sich die Gartenschau-Macher am städtischen Seepark und am Südufer des Großen Eutiner Sees aus.
Planung ließ zu wünschen übrig
Schon unmittelbar nach Vorlage der Planung kamen Zweifel an der Naturverträglichkeit der Veranstaltung und der Genehmigungsfähigkeit vieler Teilaspekte auf. So war die Anlage von Sichtachsen vorgesehen, denen letztendlich rund 400 Bäume zum Opfer gefallen sind. Weiter wurden gesetzlich geschützte Biotope wie verschiedene Uferbereiche des Sees, teilweise sogar Bestandteile des Natura 2000-Netzes, arg in Mitleidenschaft gezogen.
Angesichts der im Vorwege laut gewordenen Kritik der Naturschutzverbände sahen sich Planer und Macher der LGS etwa eineinhalb Jahre vor dem Start der Veranstaltung veranlasst, ein Gespräch mit den Kritikern zu führen, das sich jedoch als reine Alibiveranstaltung entpuppte. So wurden die Naturschutzvertreter zwar aufgefordert, im Nachgang zum Gespräch ihre zahlreichen Bedenken und Anregungen schriftlich zu formulieren. Am Ende ist davon jedoch nichts berücksichtigt worden. Die LGS-Macher haben es nicht einmal für nötig gehalten, auf die vielen Hinweise in irgendeiner Form zu reagieren. Peinlich war der Auftritt des von den LGS-Geschäftsführern beauftragten Biologen, der die Naturverträglichkeit des Ganzen bescheinigen sollte, und dies natürlich auch tat. Dieser war mit wesentlichen Aspekten der FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht vertraut.
Auch das Land Schleswig-Holstein spielte dabei eine unglückliche Rolle. Denn als formal für die Vergabe der LGS verantwortliche Institution hätte es auf eine Einhaltung von Naturschutzstandards und eine insgesamt naturverträgliche Umsetzung der LGS achten und drängen müssen. So sah die Bewerbungsrichtlinie des Landes vor, dass die LGS auch der Stärkung des Naturhaushaltes dienen sollte. Dieser Ansatz ist jedoch völlig verfehlt worden; entsprechende Hinweise des NABU an das Umweltministerium sind sang- und klanglos verpufft.
Konzeptionslos zusammengewürfelte Showelemente
Werbematerial und Presseberichten zufolge sprudelte es bei der LGS-Gestaltung nur so vor Ideen, eine interessanter und exklusiver als die andere. Die Realität ernüchterte allerdings. Denn viele Inszenierungen setzten auf oberflächliche Effekthascherei, blieben bei näherem Hinsehen aber ebenso profan wie alles, was die LGS noch zu bieten hatte. So sollte eine Ansammlung von "Kulturgärten", entworfen von Studenten der Landschaftsarchitektur, "den Ort in Beziehung zur Geschichte setzen". Die Ergebnisse blieben künstlich-abgehoben, zum Teil geradezu banal. Beispielsweise für jede Eutiner "Kulturinstitution" einen Holzkübel mit einer Felsenbirne zu bepflanzen und einen Gartenstuhl davor zu setzen, zeugt nicht gerade von Originalität und gärtnerischer Gestaltungskunst. Genauso überzogen wurden die "Gärten der Erinnerung" als "Höhepunkt" verkauft, um sich dann dem Besucher als Musterkollektion von Grabstätten zu entpuppen. Für ländliches Flair sollten neben einer öden "Landwiese" ein paar Hühner, Schafe und Ferkel sorgen - für Kinder ganz nett, aber ebenso wenig als "Höhepunkt" einer Landesgartenschau geeignet. Dazu ein paar Spielflächen, eine Veranstaltungsbühne, Blumenausstellungen in den Gebäuden des historischen Betriebshofs - alles ohne wirklichen Reiz und ohne erkennbares Konzept zusammengewürfelt.
Sogar die Gestaltung des Haupteingangs ließ zu wünschen übrig. Während der Altstadtzugang den Besuchern mit einem Meer aus Dahlienblüten einen farbenfrohen Empfang bereitete, strahlte der Bereich des Haupteingangs mit seinen Werbefahnen und gesichtslosen Zweckbauten eher den Charme eines Gewerbegebietes aus. Als geradezu peinlich offenbarte sich der "Seestrand mit Ostseestrandkörben", für den kubikmeterweise Seesand aufgeschüttet und dabei selbst ein Hochstaudenried, immerhin ein gesetzlich geschütztes Biotop, nicht verschont wurde. Sinn des ganzen: Werbung für die Ostseebäder. An der Uferkante mit dem Schild "Baden verboten" fand das Strandvergnügen allerdings sein Ende.
Ähnlich sinnentleert war das mehr als eine halbe Million Euro teure „Holzdeck in der Stadtbucht“, eine in den See auf Pfeiler hineingebaute Verbreiterung der Seepromenade, die kaum jemand nutzte, weil die alte Uferpromenade ohnehin schon sehr breit war. Vom Steg aus konnte man im trüben Wasser des Eutiner Sees ein paar in Kübeln eingelassene kümmerliche Seerosen erblicken, weshalb dieser nun wirklich nicht spektakuläre Eindruck hochtrabend als „Wassergarten“ tituliert wurde.
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Offen angelegter Regenwasserkanal mit Steinschüttung und angrenzender Blumenwiese - Foto: Fritz Heydemann
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Strandimitation im Hochstaudenried - Foto: Fritz Heydemann
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Bunte 'Wegwerf-Pflanzen', Einheitsrasen und breite Wege bestimmen das neue Bild des Seeparks. - Foto: Fritz Heydemann
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Rosenblüte, Emblem der Landesgartenschau 2016 - Foto: Fritz Heydemann
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Der historische Küchengarten, einer der wenigen gelungenen Gestaltungen - Foto: Fritz Heydemann
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Viel Pflaster, wenig Natur auf der Uferpromenade - Foto: Fritz Heydemann
Enttäuschend für Gartenfreunde
Entlang der Hauptwege vor allem des Seeparks protzten die für Gartenschauen anscheinend unvermeidbaren, meist mit Einjährigen bepflanzten Blumenrabatten und -kübel, mal in Rot-, mal in Blau- oder Gelbtönen abgestimmt. Nur die Masse an Blüten, die grelle Intensität der Farben bestimmte deren Bild. Turnusgemäß waren die Frühjahrsblüher gegen die Sommerblumen ausgetauscht worden, die dann vermutlich der Herbstkollektion weichen mussten. So wurden Pflanzen zu massenhafter Wegwerf-Ware degradiert - mit der Begründung, im Gartenbau sei dies eben üblich.
Der normale Lebenslauf einer Pflanze, geprägt durch Wachsen, Knospen, Blühen, Fruchten und Vergehen, war nicht vorgesehen, weil unansehnlich. Allein Üppigkeit war gefragt. Strukturvielfalt, diffizile Formen und Farben fristeten auf dieser Gartenschau allenfalls ein Nischendasein. Wer sich für besondere Stauden interessierte, suchte vergeblich. Immerhin war das vorhandene Sortiment mit Namenschildern versehen. Davon brauchten die Gartengestalter allerdings nicht allzu viele. Denn das Arten- und Sortenspektrum blieb kümmerlich; so mancher Hausgarten weist deutlich mehr Vielfalt auf.
Wie jede andere Gartenschau zeigte auch diese Schaugärten, Mustergärten in genormtem Miniaturformat, bei denen sich Gartenplaner mit architektonischen Gestaltungselementen aus Granit, Stahl und Holz ausleben durften. Auch hier fanden Gartenliebhaber wenig Inspiration, waren die Schaugärten doch eher auf exklusive, materialintensive (und damit teure) Effekte ausgerichtet.
Wohltuend dagegen der zum Schloss gehörende Küchengarten, dem die Landesgartenschau die Chance einer Revitalisierung im historischen Rahmen bot. Die dort angelegten Gemüse- und Heilpflanzengärten gehörten zu den wenigen wirklich anregenden Bereichen. Doch die LGS-Planer kamen nicht umhin, selbst dieses Ensemble durch plumpe Effekthascherei in Form eines aus Brettern zusammengezimmerten, „Küstenstrudel“ getauften Labyrinths atmosphärisch zu stören, dessen Bepflanzung mit Strandroggen und Kapuzinerkresse auch das letzte bisschen an pflanzenökologischer Sensibilität vermissen ließ. Ebenso stillos: Anstatt im Glashaus der alten Orangerie entsprechend dem historischen Kontext Zitronen- und Feigenbäumchen unterzubringen, wurde dort von IKEA eine „Showküche“ eingerichtet.
Wo blieb die Natur?
Immerhin blieb der historische, im Stil eines Englischen Landschaftsgartens angelegte Schlosspark mit seinem wertvollen Baumbestand, seinen Wasserläufen und Freiflächen dank des Denkmalschutzes wohltuend ungestört. Doch der Seepark verlor seinen lauschigen, etwas verträumten und stellenweise durchaus naturnahen Charakter. So wurde eine Vielzahl an Bäumen gefällt, begründet mit 'Verkehrssicherheit', ein auch anderweitig allzu oft belastetes Argument. Tatsächlich brauchte man wohl mehr Platz für Spielflächen, Liegewiesen und Wege. Die bislang extensiv gepflegten Rasenflächen, wegen des hohen Grundwasserstandes mancherorts mit Seggen und anderen Feuchtwiesenarten bestanden, wurden auf ultrakurzes Einheitsgras reduziert, in dem allenfalls mal ein vereinzeltes Gänseblümchen für Abwechslung sorgte. Eine sich an das Röhricht des Sees anschließende Mädesüßflur wurde, offenbar zur Blütezeit, kurzerhand abgemäht.
Andererseits versuchten ein paar Objekte krampfhaft, einen Naturbezug herzustellen. So wurde ein durchs Gelände führender entrohrter Regenwasserkanal mit brachialer Steinschüttung, aber wenig Wasser, als „Renaturierungsprojekt“ gepriesen. Um der begleitenden „Blumenwiese“ ein paar Blüten zu bescheren, fasste man die Idee, sie mit stilisierten Plastikblüten auszustaffieren. In einem von der örtlichen Jägerschaft präsentierten „Waldgarten“ waren die üblichen Stopfpräparate – Fuchs, Hase, Wildschwein usw. – zur Suche ins Gebüsch gestellt. Und natürlich durfte auch ein kleiner „Naturgarten“ nicht fehlen – nett gemeint, aber wenig überzeugend.
„Eins werden mit der Natur“, das konnte man als Besucher dieser mit stillosen Banalitäten vollgepumpten Kunstlandschaft nirgendwo. Sich dieses Motto für die Landesgartenschau zu eigen zu machen, war schlicht dreist. Aber auch in Sachen Gartengestaltung hatte diese Landesgartenschau nichts zu bieten. Nachdem bereits die Landesgartenschauen in Schleswig und Norderstedt in ihrem Umgang mit der Naturausstattung des Standorts wie auch in ihrer Gestaltung zweifelhaft waren, hatten es die Manager der Eutiner LGS und die beteiligten Landschafts- bzw. Gartenbauarchitekten offenbar nicht für nötig erachtet, aus den Fehlern der Vorgängerveranstaltungen zu lernen. Stattdessen hatten sie es geschafft, eine noch banalere Gartenschau zu präsentieren.
Kurz vor Ende der Schau wurde endlich das finanzielle Desaster öffentlich. Angesichts deutlich verfehlter Besucherzahlen wird der Steuerzahler wohl auf einem Defizit von zwei bis drei Millionen Euro sitzen bleiben. Dass die LGS-Verantwortlichen dennoch von einem „großen Gewinn für Eutin“ sprechen, wirkt nach alledem wie blanker Hohn.
Das Resümee der Autoren: Aller Versuche sind drei - das sollte es dann aber auch gewesen sein. Denn Schleswig-Holstein packt es einfach nicht, eine anregende, anspruchsvolle Gartenschau auf die Beine zu stellen, die sich tatsächlich einmal echter Gartenkultur widmet und die vorhandenen Naturelemente integriert, statt sie ‚platt zu machen‘ und anschließend Gartengestaltung auf Baumarktniveau zu präsentieren.
Akt. 4. Oktober 2016