380-kV-Ostküstenleitung
Planung steht artenschutzrechtlich auf schwachen Füßen
Neumünster, 30. August 2016: Die zur Ableitung von Windstrom aus Ostholstein vorgesehene 380-kV-Höchstspannungsleitung wird vor allem im Abschnitt zwischen Göhl (Kreis Ostholstein) und Lübeck etliche im Hinblick auf den Vogelschutz besonders sensible Bereiche berühren. Darunter fallen Brutplätze von anfluggefährdeten Großvögeln wie Seeadler, Rotmilan, Schwarzstorch und anderen Arten. Doch Planungsträger und Behörden sind sich der ökologischen Sensibilität kaum bewusst, kritisiert der NABU die jetzige Planung. Außerdem verläuft die Trasse auf langer Strecke quer zur Vogelzugrichtung. Zur Todesfalle könnte die Leitung zudem in der Nähe von Vogelrastgebieten wie dem Neustädter Binnenwasser werden, wo bereits an der vorhandenen 110-kV-Leitung regelmäßig Vögel verunglücken. Deshalb sind umfangreiche ornithologische Untersuchungen anberaumt worden, um einen möglichst artenschutzverträglichen Trassenverlauf zu finden.
Allerdings ist der exakte Trassenverlauf bereits lange vor Abschluss der vogelkundlichen Untersuchungen festgelegt worden, so dass die Ergebnisse der ornithologischen Gutachten zwangsläufig Makulatur sein werden. Problematisch ist zudem, dass sich Planer und Umweltministerium bislang offenbar keine Gedanken darüber gemacht haben, wie viele Anflugopfer überhaupt hinnehmbar sein werden. Die Frage, wo hier die im Hinblick auf das Artenschutzrecht sowie die für EU-Vogelschutzgebiete vertretbaren Erheblichkeitsschwellen liegen, muss dabei auch den künftigen Windenergieausbau als zusätzliches Gefährdungspotential in der Region berücksichtigen. Gespräche des NABU mit dem verantwortlichen Netzbetreiber TenneT, Planern und Umweltministerium zeigten jedoch, dass man sich dieser Aufgabe gar nicht bewusst gewesen ist.
Aus Sicht des Vogelschutzes ist dagegen die Planung positiv zu bewerten, das EU-Vogelschutzgebiet Oldenburger Graben nicht mit der gigantischen Freileitung zu überspannen, sondern dort ein hauptsächlich im Bohrverfahren verlegtes Erdkabel zu verlegen. Die Verkabelung der großen Niederung sollte jedoch bis in deren Randbereich erfolgen.
Allerdings ist eine derartige Erdverkabelung auch für den Trassenverlauf unmittelbar westlich des ebenfalls als EU-Vogelschutzgebiet und Naturschutzgebiet ausgewiesenen Neustädter Binnenwassers notwendig, das als Rastgebiet unter anderem für Schwäne und Kraniche von Bedeutung sind. Sonst dürften dort Unfälle von Großvögeln vorprogrammiert sein. Ernsthafte Bestrebungen, auch diesen Abschnitt zu verkabeln, haben Land und Netzbetreiber unverständlicherweise aber noch nicht gezeigt.
Ebenso wenig nachvollziehbar ist, dass die bereits vorhandene 110-kV-Leitung nicht an die neue 380-kV-Leitung angehängt werden soll. Anscheinend werden sich die beiden Netzbetreiber TenneT (380 kV) und Eon (Schleswig-Holsteinische Netz AG, 110 kV) darüber nicht einig. So steht zu befürchten, dass weite Strecken an der Lübecker Bucht doppelt verdrahtet sein werden – nach Auffassung des NABU ein absolutes Unding. Hier ist der Umwelt- und Energiewendeminister gefordert, ein klares Wort an die Betreiber zu richten.
Der NABU hat im Laufe des sogenannten Dialogverfahrens diese Punkte immer wieder vorgebracht. Beachtet worden ist jedoch kaum einer dieser Hinweise. Außerdem verhielten sich die Planer gegenüber den Naturschutzverbänden nicht besonders mitteilungsfreudig, manche wichtigen Informationen zum Planungsgeschehen mussten ihnen erst ‚aus der Nase gezogen‘ werden. Ein echter Dialog sieht anders aus!
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Fritz Heydemann, 04522-3971