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Wer die Natur schädigt, muss ihr dafür etwas zurückgeben
Grundlagen der Eingriffs-Ausgleichs-Regelung
„Bei den Kreisen liegen viele Millionen brach“, „Ausgleichs-Geld stapelt sich“, „Es fehlen Ideen zum Ausgeben“, so lauten gelegentlich die Schlagzeilen in den Medien, wenn es um die Umsetzung eines wichtigen Instrumentes des Naturschutzes geht: Die Eingriffs-/ Ausgleichsregelungen in den Naturschutzgesetzen von Bund und Ländern. Ideen, die Gelder anderweitig, aber wenig zweckdienlich zu nutzen, sind dann auch schnell zur Hand, werden aber der Rechtslage und dem Zweck nicht gerecht. Das Verfahren zur Anwendung der Eingriffsregelung, das das Verschlechterungsverbot durchsetzt, legt in § 17 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) fest, wie derjenige, der in Natur und Landschaft eingreift, dafür Sorge zu tragen hat, dass diese Beeinträchtigung vor Ort oder auch an anderer Stelle der Natur "ausgeglichen", also der Natur für die Beeinträchtigung oder Zerstörung etwas zurückgegeben wird. Die wichtigsten Rechtsgrundlagen dafür sind die §§ 14 und 15 des BNatSchG sowie die §§ 1a und 35 des Baugesetzbuches (BauGB). Weitere Einzelheiten ergeben sich aus den Naturschutzgesetzen der Länder.
Eingriffe in Natur und Landschaft (...) sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können.
§ 14 Abs. 1 BNatSchG
Für manche größeren Eingriffe bei Planungsvorhaben in unser Naturerbe kann jedoch in einigen Fällen aus verschiedenen Gründen kein realer Ausgleich oder Ersatz vor Ort erfolgen, u.a. da im Planungszeitraum ggf. keine geeigneten Maßnahmen umgesetzt werden können. Die Vorhabenträger müssen stattdessen nach festgelegten Berechnungsschlüsseln Ersatzzahlungen in die 'Ausgleichstöpfe' der schleswig-holsteinischen Landkreise leisten. Damit werden zusätzliche Naturschutzmaßnahmen finanziell gefördert und an einem anderen Ort eine Verbesserung der Natursituation nach einem Eingriff erreicht. Die Stiftung Naturschutz des Landes Schleswig-Holstein führt mit ihrer Ausgleichsagentur auch Naturschutz-Maßnahmen "auf Vorrat" durch, deren Kosten später ebenfalls aus Ausgleichsmitteln bezahlt werden können.
Windkraft sorgt für Einnahmen
Insbesondere der starke Ausbau der Windkraft-Nutzung lässt vor allem in den Westküsten-Kreisen Nordfriesland und Dithmarschen sowie im Kreis Schleswig-Flensburg die zur Verfügung stehenden Mittel dieser Ersatzzahlungen stark ansteigen. Mittlerweile wurden Stimmen laut, die nun diese Mittel für andere, teils sach- und zweckfremde Aufgaben nutzen wollten. Sie fordern, das Geld in zweifelhafte Kompensationsmaßnahmen wie die produktionsintegrierte Kompensation (PIK) in der Landwirtschaft zu stecken. Durch einen eingeschränkten, nicht andauernden Nutzungsverzicht wird der Natur jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum geholfen. Daher sind PIK-Maßnahmen rechtswidrig und stellen statt dessen nur eine zusätzliche Einnahmequelle für Landwirte dar. Von interessierter Seite wird aus Kostengründen auch gleich die Abschaffung oder zumindest Abschwächung der bewährten gesetzlichen Regelungen gefordert, indem die Berechnungsgrößen für die Geldmittel verändert, also gesenkt werden sollen.
Situation in Schleswig-Holstein
Insbesondere durch den Ausbau der Windenergie fallen in der Tat derzeit größere Geldbeträge an. Dieser Prozess wird aber absehbar nach dem 'Volllaufen' von WKA-Eignungsgebieten wieder auf den alten Stand zurückgehen. Für den Zwischenzeitraum haben die Kreise unter Beteiligung des MELUR im Vorwege bereits Konzepte zur Verausgabung der Ersatzzahlungsmittel erarbeitet. Ziel ist es, im jeweiligen Kreisgebiet ein Bündel von größeren Naturschutzmaßnahmen, die zumeist in der Trägerschaft lokaler, regionaler (Gemeinden, Verbände) oder landesweit tätiger Initiativen (Stiftung Naturschutz) stehen, umzusetzen. Größere, naturschutzfachlich fundierte Projekte sollen im jeweiligen Kreis binnen der vorgegebenen Frist von derzeit zwei Jahren umgesetzt werden. In der aktuellen LNatSchG-Novelle sind dafür nunmehr drei Jahre vorgesehen. Die Ausgleichsmittel liegen also derzeit nicht brach und „stapeln“ sich, sondern werden heute fristgerecht verausgabt. Nach Recherchen des NABU sind dabei Ideen zur Verbesserung der Naturschutzsituation zahlreich vorhanden. Der NABU selbst wie auch andere Organisationen finanzieren auf diese Art manche Naturschutzmaßnahmen, so etwa der NABU in Ostholstein die Neu-Anlage von Amphibien-Gewässern.
Irrwege
Vorschläge, den Abriß schlecht isolierter Häuser oder die Sanierung von Industriebrachen mit den Ausgleichsgeldern für Eingriffe in die Natur zu subventionieren und auf den freigewordenen Flächen – statt auf der grünen Wiese – energetisch hochwertige Häuser zu bauen, sind rechtlich nicht zulässig und fachlich fehlgeleitet.
Ersatzzahlungsmittel können nur erhoben werden, wenn ein realer Ausgleich für einen Eingriff in die Natur vor Ort nicht möglich ist. In diesen Fällen schreibt das BNatSchG aber die ausschließliche, zweckgebundene Verwendung der Ausgleichsgelder für Maßnahmen des Naturschutzes vor. Die Wohnungsbauförderung und die Erschließung von Industriebrachen sind unstrittig keine Naturschutzmaßnahmen. Sie können daher auch nicht aus Naturschutzmitteln finanziert werden.
Nicht möglich ist auch eine Subventionierung aus dem Ausgleichstopf etwa von Maßnahmen zur Knickpflege, zu deren Durchführung der Landwirt bereits gesetzlich verpflichtet ist. Regionale Knickschutz-Programme, die aber Maßnahmen zur Neuanlage von Knicks und zur ökologischen Aufwertung bestehender Knicks (z.B. durch Nachpflanzen von Gehölzen und Überhältern) beinhalten und über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen, können jedoch mit Ersatzzahlungsmitteln finanziert werden.
Im Zusammenhang mit der Diskussion werden teils astronomisch hohe Beträge genannt. Danach sollen angeblich allein im Kreis Nordfriesland (NF) 25 Mio. € an Ausgleichsgeldern geparkt werden. Rechnet man jedoch das Ersatzzahlungs-Aufkommen für Windkraftanlagen auf den in NF liegenden Eignungsgebieten hoch, so ergibt sich seit 2012 zwar tatsächlich ein Betrag von rund 21 Millionen € an Ausgleichszahlungen. Von diesen sind nach Informationen des NABU bislang aber erst 9,9 Mill. € gezahlt worden. Der Kreis NF hat aber bereits ein Ausgleichskonzept mit zahlreichen Maßnahmen erarbeitet, ist also gut vorbereitet.
Besonders irreleitend sind Aussagen, die Bezug nehmen auf Flächengrößen von Schutzgebietskategorien und daraus fälschlich ableiten, Schleswig-Holsteins stände heute bereits zu großen Teilen 'unter Naturschutz', und im Nationalpark, in Landschafts- oder Naturschutzgebieten, in EU-Vogelschutz- oder FFH-Gebieten lägen wertvolle Böden still oder auf ihnen würden “Urwälder gezüchtet" (zur Flächengrößenberechnung s. Auflistung unten). Marine Naturschutzflächen und damit der größte Teil des Nationalparks wie auch Seen und Teiche sind jedoch bei der Flächengröße nicht relevant, da sie - wie sofort einleuchtet - nicht landwirtschaftlich genutzt werden: Auf großen Teilen der Naturschutzflächen wird auch heute noch die landwirtschaftliche Nutzung betrieben. Sowohl MELUR als auch die Kreise legen zudem großen Wert darauf, dass Ausgleichsgelder nicht für Flächen, die für die Landwirtschaft von besonderer Bedeutung sind, verausgabt werden, zumal die Schwerpunkträume des Naturschutzes in aller Regel außerhalb der landwirtschaftlichen Gunstgebiete liegen.
Fazit
Das Instrument der Eingriffs- / Ausgleichsregelung ist ein sinnvoller Beitrag, Schädigungen des Menschen an unserem Naturerbe zumindest abzumildern und auszugleichen. Die besten Möglichkeit, unsere Natur zu erhalten, ist jedoch, auf überflüssige, die Umwelt beeinträchtigende Projekte von vornherein zu verzichten.
ILu 8. Juni 2015
Daten und Fakten zum flächenhaften Naturschutz in Schleswig-Holstein (Stand: März 2015 nach Angaben MELUR / LLUR u.a.)
- Ausgleichsflächen (Beispiel): In Steinburg dienen rd. 6 % der Kreisfläche als Kompensationsflächen für Eingriffe, einschließlich der vorgehaltenen Flächen für den Neubau der A20.
- Kompensationsflächen: Von den landesweit ca. 25.000 ha Ausgleichsflächen werden 15.700 ha (= 63 %) landwirtschaftlich genutzt.
- Landschaftsschutzgebiete (LSG): Der Flächenumfang von LSG außerhalb der Natura 2000-Gebiete beträgt rd. 192.000 Hektar. LSG-Verordnungen als schwächstes Instrument des Naturschutzes lassen jedoch fast ausnahmslos jede Art von landwirtschaftlicher Nutzung zu. Einschränkungen ergeben sich je nach Verordnung vor allem für Bautätigkeiten und Erstaufforstungen.
- Naturschutzgebiete (NSG)*: Der Flächenumfang der NSG beträgt rd. 207.704 Hektar. Darin enthalten sind große Wasserflächen. Der Anteil der terrestrischen Gebiete beträgt 47.239 ha (2,99 % der Landfläche). NSG stellen rechtlich die strengste Schutzgebietskategorie dar. Trotzdem ist in der weit überwiegenden Zahl der Gebiete die landwirtschaftliche Nutzung zulässig. In einer Reihe von Naturschutzgebieten, bestehen aber für die landwirtschaftliche Nutzung Auflagen auf der Grundlage des Schutzzwecks (u.a. Umbruchsverbot für Grünland, kein Einsatz von Pestiziden, keine zusätzliche Entwässerung, Beweidungsauflagen).
- EU-Flora-Fauna-Habitat-Gebiete (FFH-Gebiete)*: Der Flächenumfang der FFH-Gebiete beträgt rd. 693.607 Hektar. Darin enthalten sind große Wasserflächen. Der Anteil an terrestrischen Gebieten beträgt 113.601 ha (7,26 % der Landfläche). Die Gebiete sind ausgewiesen nur für den Erhalt bestimmter Teile der Natur. Nutzungen, die den Schutz dieser in den 'Standarddatenbögen' spezifizierten Tiere (ohne Vögel) und Lebensräume nicht berühren, sind uneingeschränkt zulässig.
- EU-Vogelschutzgebiete*: Der Flächenumfang der EU-Vogelschutzgebiete beträgt rd. 853.304 Hektar. Darin enthalten sind große Wasserflächen. Der Anteil an terrestrischen Gebieten beträgt nur 104.885 ha (6,71 % der Landfläche). Die Gebiete sind ausgewiesen nur für den Erhalt bestimmter Vogelarten. Nutzungen, die den Schutz dieser in den 'Standarddatenbögen' spezifizierten Vogelarten nicht berühren, sind uneingeschränkt zulässig.
- Naturschutzflächen gesamt*: Die überlappungsfreie Fläche von terrestrischen FFH-, Vogelschutz- und Naturschutzgebieten beträgt rd. 160.000 Hektar oder 10 % der Landfläche. Davon werden 68.000 Hektar (= 42,5 %) landwirtschaftlich genutzt.
- Nationalpark Wattenmeer*: Der Wattenmeer-Nationalpark hat eine Größe von 440.000 ha.
* Gesetzlich geschützte Gebiete können unter mehrere Schutzkategorien fallen. So sind viele Naturschutzgebiete gleichzeitig als FFH- und Vogelschutzgebiete (EU-Gebiete des Netzes 'Natura-2000') ausgewiesen. Große Teile der FFH- und Vogelschutzgebiete überlappen ebenfalls. Ein Aufaddieren der Flächengrößen unterschiedlicher Kategorien führt daher zu einem falschen Gesamtergebnis.