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Irrwege beim Ausgleich von Naturzerstörungen
Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen in der Landwirtschaft, abgekürzt PIK, lautet der sperrige Titel, unter dem auf Wunsch des Bauernverbands der Ausgleich von Naturzerstörungen völlig neu konzeptioniert werden soll. Für den Naturschutz ist PIK allerdings alles andere als zielführend, für die Fachverwaltung sogar eine enorme zusätzliche Arbeitsbelastung und Bürokratisierung. Obendrein bestehen Zweifel, ob eine Kompensation à la PIK überhaupt mit der Ausgleichsregelung des Bundesnaturschutzgesetzes konform geht. Dennoch hat das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MLUR) die Stiftung Naturschutz mit der Durchführung eines breit angelegten, etwa 200.000 € teuren Modellversuchs beauftragt.
Werden Natur und Umwelt etwa für Wohn- und Gewerbegebiete oder neue Straßen verbraucht – in Deutschland sind das immerhin durchschnittlich 113 ha pro Tag – ist dieser Eingriff nach dem Naturschutz- und Baurecht auszugleichen. Wer sich mit der sogenannten Ausgleichsregelung beschäftigt hat, weiß, dass der rechnerisch ermittelte Ausgleich – die Wiederherstellung oder Verbesserung von Natur und Landschaft an anderer Stelle – faktisch so gut wie nie den Eingriff wettmacht. Meist auch dann nicht, wenn die bei größeren Eingriffsvorhaben unumgängliche Variante des Ausgleichs gewählt worden ist, nämlich der Erwerb von Flächen, um diese im Sinne des Naturschutzes aufzuwerten. Aber immerhin beruht diese Kompensationsregelung bislang auf eigentlich selbstverständlichen Grundsätzen: Die behördlich festgesetzten Maßnahmen sollen nach Möglichkeit gerade die durch den Eingriff bewirkten Verluste an Lebensräumen und deren ökologischen Funktionen ausgleichen. Und die Existenz der Maßnahmen wird auf Dauer gesichert. Schließlich bleibt der Eingriff in Form einer Wohnsiedlung oder eines Straßenbaus ja auch für unabsehbare Zeit bestehen – logischerweise muss das dann auch für die Ausgleichsflächen gelten.
Was bedeutet PIK?
Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen in der Landwirtschaft, abgekürzt PIK, lautet der sperrige Titel, unter dem auf Wunsch des Bauernverbands der Ausgleich von Naturzerstörungen völlig neu konzeptioniert werden soll. Für den Naturschutz ist PIK allerdings alles andere als zielführend, für die Fachverwaltung sogar eine enorme zusätzliche Arbeitsbelastung und Bürokratisierung. Obendrein bestehen Zweifel, ob eine Kompensation à la PIK überhaupt mit der Ausgleichsregelung des Bundesnaturschutzgesetzes konform geht. Dennoch hat das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MLUR) die Stiftung Naturschutz mit der Durchführung eines breit angelegten, etwa 200.000 € teuren Modellversuchs beauftragt.
Werden Natur und Umwelt etwa für Wohn- und Gewerbegebiete oder neue Straßen verbraucht – in Deutschland sind das immerhin durchschnittlich 113 ha pro Tag – ist dieser Eingriff nach dem Naturschutz- und Baurecht auszugleichen. Wer sich mit der sogenannten Ausgleichsregelung beschäftigt hat, weiß, dass der rechnerisch ermittelte Ausgleich – die Wiederherstellung oder Verbesserung von Natur und Landschaft an anderer Stelle – faktisch so gut wie nie den Eingriff wettmacht. Meist auch dann nicht, wenn die bei größeren Eingriffsvorhaben unumgängliche Variante des Ausgleichs gewählt worden ist, nämlich der Erwerb von Flächen, um diese im Sinne des Naturschutzes aufzuwerten. Aber immerhin beruht diese Kompensationsregelung bislang auf eigentlich selbstverständlichen Grundsätzen: Die behördlich festgesetzten Maßnahmen sollen nach Möglichkeit gerade die durch den Eingriff bewirkten Verluste an Lebensräumen und deren ökologischen Funktionen ausgleichen. Und die Existenz der Maßnahmen wird auf Dauer gesichert. Schließlich bleibt der Eingriff in Form einer Wohnsiedlung oder eines Straßenbaus ja auch für unabsehbare Zeit bestehen – logischerweise muss das dann auch für die Ausgleichsflächen gelten.
Will das schleswig-holsteinische Landwirtschafts- und Umweltministerium jetzt diesen Grundsatz der Realkompensation kippen? PIK zufolge soll die Kompensation zukünftig nicht mehr auf einer bestimmten Ausgleichsfläche mit analog zu den eingriffsbedingten Verlusten festgelegten Maßnahmen wie die Anlage von Gehölzen, die Renaturierung eines Gewässers oder die Wiederherstellung eines Niedermoors realisiert werden. Stattdessen sollen jetzt Ausgleichsmaßnahmen in die landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsabläufe integriert und auf vertraglicher Ebene den Landwirten zur Durchführung übertragen werden. Die Maßnahmen werden zudem zeitlich befristet, in der Regel auf fünf Jahre, wobei sich das Ministerium aber auch kürzere Laufzeiten vorstellen kann. Nach Ablauf der Verträge können die Maßnahmen anderenorts und in anderer Form durchgeführt werden, sofern der Landwirt dies wünscht.
Die Vertragsvarianten sind hauptsächlich auf kleinflächige Maßnahmen wie Ackerrandstreifenbrache ausgerichtet, weil sich diese am besten in die Agrarproduktion einbinden lassen. Produktionsintegrierte Kompensation wäre die totale Umwälzung der bisher geltenden Kompensationsprinzipien. Flexible Einpassung in die Agrarproduktion anstelle langfristiger Sicherung naturgemäßer Flächenentwicklung - in etwa so lässt sich die Intention zusammenfassen, die man getrost um das Ziel einer gesicherten Einkommensquelle für die beteiligten Landwirte ergänzen darf.
Das MLUR hat hierzu die Stiftung Naturschutz für die Jahre 2009 – 2012 mit einem Modellversuch betraut. Die Ausgleichsagentur der Stiftung soll im Hamburger Umland der Kreise Pinneberg, Segeberg und Lauenburg unter den Bauern der Region die Bereitschaft zur Teilnahme am Projekt einschließlich deren finanzieller Vorstellungen ausloten. Dabei sollen bestimmte Vertragsvarianten in der Praxis ausprobiert und deren ökologische Effizienz untersucht werden. Als Vertragsmuster sind für Ackerflächen die Anlage von Blüh- und Brachestreifen, der verbreiterte Reihenabstand bei der Getreideeinsaat sowie die temporäre Vernässung von Mulden vorgesehen, für Grünland die Anlage von Saumstreifen, Gelegeschutz für bodenbrütende Vögel und ebenfalls die zeitlich befristete Vernässung von Senken. Als Kulisse ist der Hamburger `Speckgürtel´ gewählt worden, weil dort die Flächenüberbauung besonders rasant voranschreitet und damit auch das Angebot an geeigneten Ausgleichsflächen knapp wird. Das hört sich zunächst unverfänglich an. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass es bereits bei dem Pilotvorhaben nicht um eine tatsächliche Eingriffskompensation im Sinne einer `Wiedergutmachung´ an Natur und Landschaft geht, sondern um ein Programm zugunsten der Landwirtschaftsinteressen.
Geringe Naturschutzeffizienz
Die kurzen Vertragslaufzeiten, der mögliche großräumige Standortwechsel jeweils innerhalb der naturräumlichen Haupteinheiten Marsch, Geest und östliches Hügelland sowie die vorgestellten Maßnahmen des PIK-Programms stehen im Widerspruch zur wahrlich nicht neuen ökologischen Erkenntnis, dass mit Ausnahme sogenannter Pioniergesellschaften die meisten Lebensgemeinschaften für ihre optimale Entwicklung längere Zeiträume und größere Flächeneinheiten benötigen.
In der Projektbeschreibung wird ständig auf einige bekannte Tierarten bzw. Tiergruppen wie Feldlerche, Rebhuhn und Amphibien Bezug genommen. Doch nützt es etwa dem Rebhuhn wenig, wenn weit verteilt in einer zunehmend ausgeräumten Agrarlandschaft ein paar Brache- und Blühstreifen angelegt werden, die dann noch in relativ kurzen Abständen weiträumig wechseln. Erst recht fragwürdig erscheinen derartige Maßnahmen in Regionen, in denen kaum oder gar keine Rebhühner mehr vorkommen – wie im Hamburger Umland.
Eine geflutete Ackermulde ist als Laichgewässer für Amphibien ungeeignet, wenn das Umfeld außerhalb der Vernässung mit Mineraldünger (der auf Lurche höchst giftig wirkt) abgestreut werden darf und weder Nahrung noch Verstecke bietet. Im Grünland werden kurzlebige Überstauungen zwar gerne von Laubfrosch oder Grasfrosch angenommen, einer Verlegung um etliche Kilometer können aber selbst diese wanderfreudigen Arten nicht nachkommen.
Blühstreifen, gemäß der Saatgutmischung zum großen Teil aus nicht heimischen Pflanzen bestehend, können zwar blütenbesuchende Insekten anlocken, ansonsten fressen an Buchweizen, Mauretanischer Malve, Sonnenblume etc. aber nur verhältnismäßig wenige Insektenarten. Da die Produktion von regionalheimischem Wildblumensaatgut in größerer Menge sehr aufwändig ist, konnte die vorgesehene Mischung im ersten Versuchsjahr noch nicht angeboten werden.
Von derartigen Maßnahmen profitieren vor allem anpassungsfähige Allerweltsarten, spezialisierte, wenig flexible Arten jedoch kaum. Insbesondere an nährstoffarme Standorte und naturnahe, über längere Zeit `gereifte´ Strukturen gebundene Tier- und Pflanzenarten – die aufgrund ihrer geringen Anpassungsfähigkeit von eingriffsbedingten Biotopzerstörungen am stärksten betroffen sind – ist damit nicht geholfen. Weder Bläulinge noch Schlehenspinner, weder Skabiose noch Wegwarte haben eine Chance, über die mit PIK verbundene Rotation meist aufgedüngter Standorte die verlorenen Habitate ersetzt zu bekommen. Diese im Projekt skizzierten PIK-Maßnahmen sind weitgehend an der Natur vorbei geplant worden.
Positive Effekte könnten dagegen für den Programmpunkt `erweiterter Saatreihenabstand bei Getreide´ erwartet werden. Der lichtere Stand des aufgewachsenen Getreides könnte Feldlerche und Ackerbegleitkräutern tatsächlich mehr Lebensraum als in den eng geschlossen stehenden Weizenäckern der Intensivlandwirtschaft bieten, zumal Dünge- und Spritzmitteleinsatz vertraglich ausgeschlossen werden. Ein Angebot, das vor allem auf Biobetriebe zugeschnitten ist. Allerdings könnte das Land mit der Beibehaltung der Ökolandbauförderung tatsächlich weitaus mehr erreichen – und das auch noch für viel weniger Geld pro Hektar.
Nicht als Projektinhalt aufgenommen wurde die Klärung der zentralen Frage, wie die für einen bestimmten Eingriff festgelegte Ausgleichsqualität und –quantität in PIK-Maßnahmen umzurechnen wäre: Wie viel Quadratmeter Blühstreifen wären die Kompensation für einen Hektar Bodenversiegelung? Wie ließe sich ein gerodetes Gebüsch mit hoher Habitateignung für Heckenvögel und Kleinsäuger ausgleichen?
Beliebigkeit statt Kontinuität
Im für das Pilotprojekt herausgegebenen Werbeprospekt wird PIK als „wandernde Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme“ bezeichnet. Da aber die der Kompensation zugrunde liegenden Eingriffe in ihrer Ortsbezogenheit und in ihrer Auswirkung auf die Umwelt immerwährend sind, bedürfen sie eines konstanten, auf Dauer garantierten Ausgleichs. Das hat auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg so gesehen und deshalb mit seinem Urteil vom 14. September 2000 die zeitliche Befristung einer Ausgleichsmaßnahme für unzulässig erklärt. Die Stadt Hamburg, die schon seit Jahren Ausgleichsflächen per Vertragsnaturschutz rekrutiert, hat dementsprechend mit den Landwirten langfristige Verträge mit zusätzlicher unbefristeter grundbuchlicher Sicherung als Naturschutzfläche geschlossen. Damit sind die in Hamburg durchgeführten Maßnahmen beständig auf bestimmte Flächen fixiert. PIK will jedoch auf derartige Bindungen verzichten, setzt stattdessen die Eingriffskompensation der Beliebigkeit aus.
Problematisch ist zudem die fehlende Sicherheit für die dauerhafte Finanzierung von PIK-Maßnahmen. Während bei der Kompensation über Flächenerwerb die Finanzierung mit dem Grundstückskauf und der Einleitung von Entwicklungsmaßnahmen, manchmal auch über eine zeitnah in Flächenschutzmaßnahmen umzusetzende Ersatzzahlung im Wesentlichen erledigt ist, bleibt die Finanzierung des PIK-Vertragsnaturschutzes auf Dauer hingegen eine unsichere Angelegenheit. Spätestens in wenigen Jahrzehnten werden aufgrund der weltweit steigenden Nachfrage nach Agrarprodukten bei gleichzeitigem Rückgang der Produktionsfläche die Kosten für ackerbaulich gut nutzbaren Grund und Boden deutlich ansteigen. Das wirkt unmittelbar auf das Preisniveau für die mit Ertragsminderung einhergehenden Vertragsnaturschutzvarianten. Wie schnell und unvorhergesehen der Flächenwert in die Höhe klettern kann, wird beispielsweise in den Einzugsgebieten von Agrargasanlagen sichtbar. Die Nachfrage nach Maisanbauflächen hat dort die Pacht- und Kaufpreise in kürzester Zeit stark nach oben getrieben.
Zwar wird für PIK überlegt, die aus dem Eingriff errechnete Ersatzgeldzahlung als Kapitalstock anzulegen. Doch ob dessen Verzinsung mit der monetären Bodenwertsteigerung mithalten kann, ist äußerst fraglich. Sollte das Geld eines Tages nicht mehr für die Vergütung der Landwirte reichen, müsste die öffentliche Hand, d.h. der Steuerzahler einspringen. Waren Bund, Land oder Kommune Eingriffsverursacher, z.B. über einen Straßenneubau, dürfte dies gerechtfertigt sein – nicht aber bei von privaten Investoren verursachten Eingriffen, beispielsweise in Form eines Wohngebiets.
Verdrängung anderer Naturschutzinstrumentarien?
Bis vor einigen Jahren lag noch ein großer Teil der Ausgleichsflächen, kleinteilig und mit eher als Verlegenheitslösungen denn als naturschutzgerechte Biotopentwicklungen wirkenden Planungen bedacht, verstreut in der Landschaft oder an die jeweilige Eingriffsfläche angeschlossen. Mittlerweile haben sich jedoch die Fachbehörden verstärkt mit der Forderung durchgesetzt, einzelne Ausgleichskontingente zu ausreichend großen und entwicklungsfähigen Komplexen zusammenzufassen. Damit konnten sich Kompensationsmaßnahmen - abgesehen von der nach wie vor unzureichenden Eingriffs-Ausgleichs-Relation sowie der meist ökologisch ineffektiven Anrechenbarkeit von innerhalb des Eingriffsgebiets vorgenommenen kleinflächigen Begrünungsmaßnahmen wie Straßenbaumpflanzung oder Grünbedachung –zu einem effizienten Instrument des flächenbezogenen Naturschutzesentwickeln.
Angesichts der immer geringer werdenden Bereitschaft der öffentlichen Hand, Haushaltsmittel zum Flächenankauf für den Naturschutz zur Verfügung zu stellen, dürfte den Ausgleichsflächen zukünftig ein noch größeres Gewicht zukommen – sofern das MLUR die Kompensationsmaßnahmen nicht in unwirksame, mehr dem Geldbeutel des Landwirts als den Ansprüchen von Flora und Fauna dienende Vertragsnaturschutzvarianten à la PIK zerbröselt. Vor dem Hintergrund seiner knappen Finanzen wird das Land zudem über kurz oder lang auf den Gedanken kommen, auch den bislang freiwillig geleisteten Vertragsnaturschutz ganz aus dem Topf der Ersatzzahlungen zu finanzieren. Summa summarum könnte PIK also maßgeblich dazu beitragen, die Palette der verschiedenen Instrumentarien zur Realisierung eines flächenbezogenen Naturschutzes außerhalb des gesetzlichen Biotopschutzes erheblich auszudünnen.
Enormer Verwaltungsaufwand
Bereits jetzt ist aufgrund der in der Vergangenheit gepflegten Zersplitterung von Kompensationsmaßnahmen für die Naturschutzbehörden kaum zu überblicken, wo und in welchem Zustand sich die jeweiligen Ausgleichsflächen befinden. Um diese höchst unbefriedigende Situation zu überwinden, sind die unteren Naturschutzbehörden in Schleswig-Holstein seit 2003 gesetzlich zur Führung eines Ausgleichsflächenkatasters verpflichtet (§ 17 Abs. 6 Bundesnaturschutzgesetz). Dessen Erstellung bereitet den UNBen infolge des fortschreitenden Personalabbaus allerdings schon jetzt Probleme. Das Ausgleichskataster ist in den meisten Kreisen daher bislang nur ansatzweise realisiert worden. Die PIK-Maßnahmen würden hier zu einer vollkommenen Konfusion führen: Für eine Baumaßnahme unter Umständen auf mehrere Agrarflächen, bei Eingriffen größeren Stils sogar über eine Vielzahl von Äckern und Weiden verteilte Kompensationsmaßnahmen, die zudem noch zeitlich und standörtlich innerhalb der drei naturräumlichen Haupteinheiten des Landes wechseln können – wer will denn da noch den Überblick behalten oder gar die sachgerechte Durchführung der vereinbarten Maßnahmen kontrollieren? Die immer wieder von der Politik geforderte Verwaltungsvereinfachung wird durch PIK geradezu konterkariert.
Die rechtliche Verantwortung für Schutz, Pflege und Entwicklung der Kompensationsflächen obliegt in der Regel letztlich den öffentlichen Planungsträgern. Deren Wahrnehmung würde durch die vorgesehene Diskontinuität ebenfalls deutlich erschwert werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Vertragsverletzungen seitens der Landwirte erfahrungsgemäß keineswegs auszuschließen sind.
Geringe Resonanz bei Landwirten
Im Mittelpunkt des Pilotprojekts steht die Frage, ob und zu welchen monetären Konditionen Landwirte zur Beteiligung bereit sind. Zudem soll die ökologische Effizienz der Vertragsformen in der Praxis untersucht werden. Wegen der zeitlichen Begrenzung des Modellvorhabens werden allerdings nur Verträge mit ein- bis zweijährigen Laufzeiten geschlossen und begutachtet.
Die Praxisphase begann Anfang 2010 – und führte bald zur Ernüchterung zumindest auf Seiten des Bauernverbands. Denn trotz eifriger Werbung sind insgesamt nur 75 ha für den Feldversuch angeboten worden, davon zwei Drittel von Ökobetrieben, die sich ohnehin nicht vom Bauernverband vertreten lassen. Dagegen haben konventionelle Betriebe nur im Versuchsraum der Segeberger Geest, also in einer Region mit leichten Böden, nennenswertes Interesse an PIK bekundet. Die mit Abstand größte Nachfrage bezog sich auf das Blühstreifenprogramm. Dann folgte das Angebot des weiten Getreidesaatreihenabstands. Dagegen blieb das Interesse an Brache sowie Grünlandsaumstreifen gering. Die Maßnahmen `Gelegeschutz´ und `zeitlich befristete Anlagen von Kleingewässern / Blänken´ wurden überhaupt nicht abgefragt. In den Praxisversuch wurden bisher 45 ha einbezogen, gut die Hälfte davon als `Getreide mit weiten Saatreihen´.
Einseitige Sichtweise
Der Bauernverband beklagt regelmäßig die angebliche Konkurrenz des Ausgleichsflächenerwerbs gegenüber den agrarstrukturellen Belangen. Er vergisst dabei allerdings, dass es in der Regel Landwirte sind, die ihre Flächen an Bauvorhabensträger veräußern, sich nicht selten sogar offensiv um die Baulandausweisung ihrer Flächen bemühen – weil Baugrundstücke nun einmal deutlich mehr Geld in die Kasse spülen als Raps oder Weizen. Und auch am Verkauf von den dann meist notwendigen Ausgleichsflächen wird gerne verdient. Für feuchte, moorige Wiesen und trockene, sandige Hänge bietet inzwischen nur der Naturschutz bzw. der um eine Kompensationsfläche bemühte Vorhabensträger einen guten Preis. Über den so erzielten Verkaufserlös hat sich so mancher Landwirt die erforderlichen Betriebsinvestitionen leisten können.
Es ist durchaus vorstellbar, dass es bei dem weiter rasant fortschreitenden Flächenverbrauch in absehbarer Zeit sehr schwierig sein wird, in Verdichtungsräumen wie dem Hamburger Umland geeignete Ausgleichsflächen zu angemessenen Preisen zu erwerben. Und es ist auch verständlich, dass landwirtschaftliche Betriebe mit dem Wunsch nach Expansion jegliche Form der Flächenkonkurrenz mit Argwohn betrachten. Aber in dieser Situation am Kompensationsprinzip der Ausgleichsflächenkontinuität zu rütteln, d.h. den Bedarf an dauerhaft der Natur zu überlassenden Ausgleichsflächen in Abrede zu stellen, statt die eigentliche Ursache für die Verknappung landwirtschaftlicher Produktionsfläche, den ungebremsten Bau von Straßen, Wohn- und Gewerbegebieten, aufs Korn zu nehmen, ist unglaubwürdig und in keiner Weise nachvollziehbar.
Was sagt der NABU Schleswig-Holstein dazu?
Der NABU Schleswig-Holstein ist, wie BUND und LNV, um Mitarbeit am PIK-Modellvorhaben gebeten worden. Aufgrund der Fragwürdigkeit des Projekts und dessen Intentionen hat der NABU dieses Angebot klar abgelehnt, denn PIK ist nach Auffassung des NABU weder rechtlich mit der Eingriffs-Ausgleichsregelung vereinbar noch für den Naturschutz gewinnbringend. Diese Form der angeblichen Eingriffskompensation ist ein Etikettenschwindel, an dem sich der NABU in keiner Weise beteiligen wird.
Dass nach wie vor täglich über 100 Hektar der freien Landschaft entzogen werden, um großteils unter Asphalt und Beton zu verschwinden, dass sich weder der Bund noch die Länder oder die Kommunen ernsthaft um das von ihnen selbst postulierte Staatsziel – Rückgang der Flächenverbrauchsquote bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag - bemühen, ist das eigentliche Problem, dem sich politische Entscheidungsträger und Verbandslobbyisten zu stellen haben.
Ein Lösungsansatz wäre, den Anspruch an Kompensationsleistungen so hoch zu schrauben, dass jedes Bauprojekt wirklich gründlich hinsichtlich seiner Notwendigkeit durchdacht wird. Davon sind wir weit entfernt – erst recht, wenn ein Programm ineffizienter Kompensation, wie PIK sinnvoller auszuformulieren wäre, die zwar unzulänglichen, aber immerhin noch im Ansatz nachvollziehbaren bisherigen Ausgleichsregelungen beiseite drängen sollte!
Hey 28. September 2010