Naturverträgliche Landwirtschaft
Was ist in Schleswig-Holstein zu tun?
Wer heute über Felder und Wiesen wandelt, kann sich glücklich schätzen, wenn ihm noch am Rande eines Ackers eine Feldlerche oder eine Grauammer und in einer feuchteren Senke ein Kiebitz oder eine Bekassine begegnen. Auch Klatschmohn, Kornrade, Korn- und Sumpfdotterblume gehören heute zu den Raritäten einer weitgehend monotonen Landschaft. Früher stellten sie Allerweltsarten dar, deren Erwähnung in ihren Tagebüchern sich viele Naturbeobachter ersparten, waren sie doch zu diesem Zeitpunkt allgegenwärtig.
In früheren Jahrzehnten machte eine rigide Flurbereinigung manchem Knick und Kleingewässer den Garaus. Gerade die Intensivierung der Landwirtschaft nach dem Krieg blieb nicht ohne deutlich negative Folgen. Doch gerade in den letzten Jahren hat die weitere Intensivierung der Flächennutzung, der verstärkte Umbruch von Grünland für den Maisanbau und der drastisch verschlechterte Schutz der Knicks die Situation noch einmal erheblich verschärft. Nur wenige Gebiete verfügen heute aufgrund der langfristig anhaltenden negativen Entwicklung mit verstärktem Einsatz von Pestiziden, der Vergrößerung der Schläge und der Melioration der Böden durch Entwässerung noch über ein ausreichendes Potential, um kurzfristig bedrohten Arten auf landwirtschaftlichen Nutzflächen zu helfen. Der anhaltende deutliche Stickstoffüberschuss auf den Ackerflächen verstärkt diese Entwicklung nachhaltig.
Hilfsangebote für die Natur vorhanden
Dabei bietet die EU mit finanzieller Unterstützung durch Land und Bund verschiedene Möglichkeiten, dem Verlust der Artenvielfalt in der Kulturlandschaft entgegen zu steuern - wenn man es denn will. Im Zuge der EU-Agrarreform wird derzeit diskutiert, die Direktzahlungen an die Landwirtschaft ab 2013 an konkrete gesellschaftliche Leistungen u.a. im Umwelt- und Naturschutz zu binden. Davon können sowohl ökologisch wirtschaftende Betriebe wie auch konventionell arbeitende Landwirte gleichermaßen profitieren. Erstere leisten aber mit ihrem grundsätzlichen Verzicht auf Pestizide und Mineraldünger von vornherein einen besonderen Beitrag zu einer umweltfreundlicheren Landbewirtschaftung. Kooperation und Fantasie sind gefragt, um diese herausragende Chance für die bedrängte Natur auch in Schleswig-Holstein zu nutzen. Der NABU fordert die Landesregierung auf, sich für eine Umgestaltung der Förderung der Landwirtschaft einzusetzen. Schließlich kann die Gesellschaft erwarten, dass Zahlungen an Landwirte auch eine entsprechende öffentliche Leistung gegenübersteht. Die Ablehnung jeglicher Auflagen, wie sie der Bauernverband auch in Schleswig-Holstein fordert, ist da sicher der falsche Weg.
Zehn Prozent Vorrangflächen für den Schutz der Kulturlandschaft
Gegenwärtig wird in der EU über die Ausgestaltung der Auflagen heftig diskutiert. Der NABU fordert, auf mindestens zehn Prozent der Fläche eines landwirtschaftlichen Betriebs typische Elemente der Kulturlandschaft anzulegen bzw. zu erhalten. Dieser Anteil an ökologischen Vorrangflächen wurde während einer langjährigen Studie in der Schweiz als zielführend für den Natur- und Umweltschutz ermittelt, ohne die wirtschaftliche Basis der Betriebe zu gefährden. Die Vorrangflächen sollen der Bestandssicherung rapide abnehmender Arten der Feldflur wie Kiebitz, Rebhuhn und Feldlerche sowie der Sicherung bisher naturverträglich genutzter und artenreicher Flächen dienen. Darüber hinaus sollen sie einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Gewässern vor landwirtschaftlichen Stoffeinträgen leisten.
Wichtige Elemente einer naturverträglicheren Landbewirtschaftung sichern
Wichtig ist es zunächst, den Bestand an Naturstrukturen im Land dauerhaft zu sichern. Typische Elemente der schleswig-holsteinischen Kulturlandschaft sind Knicks, Feldraine und Kleingewässer, Buntbrachen, Ackerrandstreifen und extensiv genutztes Grünland können zusätzlich Elemente einer besonderen naturverträglichen Bodennutzung sein. Die Grundlage für eine nachhaltige Verbesserung der Situation im Agrarbereich stellen Flächen dar, die für den Schutz der Natur elementare Funktionen übernehmen können. Der Erhalt und - wo notwendig und möglich - die Neuanlage von Knicks, Kleingewässern, Feldgehölzen wie auch Dauergrünland sind dafür die Basis.
Knicks
Sie sind ein prägendes, dauerhaftes Element der schleswig-holsteinischen Kulturlandschaft mit einer langen Tradition ihrer Nutzung, das in weiten Bereichen des Landes in unterschiedlicher Ausprägung typisch ist. Zusammen mit einem ausreichend breiten Saum verbinden Sie Lebensräume in der Landschaft. Sie genießen den - leider in den letzten Jahren stark abgeschwächten - besonderen Schutz des Landesnaturschutzgesetzes (LNatSchG). Neben vielen Insekten- und Säugetierarten sind auch einige Vogelarten wie Goldammer und Neuntöter auf Knicks als Lebensraum und Brutstätte angewiesen. Sie sollten deshalb nur abschnittsweise auf den Stock gesetzt werden. Geknickte Bereiche sollten mit ungestörten abwechseln, damit der Lebensraum für diese Arten erhalten bleibt.
Un- oder spätgemähte Rand-, Blüh- und Saumstreifen; Feldlerchenfenster
Hierzu gehören auch Schilf- und Hochstaudenfluren, Ruderalflächen, Böschungen sowie unbefestigte Graswege. Diese Elemente erfüllen wichtige Funktionen in Agrar-Ökosystemen. Sie sind wertvolle Lebens- und Nahrungsräume für eine Vielzahl von Tierarten wie Schmetterlinge und Feldvögel. In vielen Ackerbauregionen sind die Schläge aufgrund der Flurbereinigung und der Rationalisierung der Betriebe sehr groß und damit der Anteil der Randstrukturen an der Gesamtfläche gering. Vogelarten wie Grauammer, Feldlerche und Rebhuhn nutzen Randstrukturen wie Feldsäume oder Blühstreifen sowohl zur Nahrungssuche als auch zur Nestanlage. Entsprechende Strukturen in einer Breite von sechs bis zehn Meter, die erst spät gemäht werden, verbessern die Bedingungen für Feldvögel insbesondere in intensiv bewirtschafteten Gebieten.
'Felderchenfenster' stellen Hilfen dar, mit denen Feldlerchen als Charaktervögel der offenen Kulturlandschaft in landwirtschaftlich geprägten Gebieten überleben sollen. In den Schlägen werden durch kurzes Aussetzen der Drillmaschine kleinere Flächen nicht eingesät. In der sich entwickelnden Vegetation sollen Feldlerchen brüten und Nahrung suchen können. Feldlerchenfenster sollen auch in Kulturen erprobt werden, die bisher noch nicht im Fokus standen, wie Raps oder Mais. Der NABU begleitet mit dem Bauernverband das Projekt „1000 Äcker für die Feldlerche“, das den Erfolg oder Misserfolg einer derartigen Maßnahme dokumentieren soll.
Kleingewässer
Dazu gehören Elemente wie wassergefüllte Gräben, Bäche, Tümpel und Teiche. In ihnen leben Amphibien, aber auch zahlreiche Insekten wie Libellen und Käfer. Sie sind besonders geschützt durch das LNatSchG und bedürfen einer ausreichenden Abschirmung gegen Stoffeinträge, sollen sie ihre wichtige Funktion wahrnehmen können. Durch das Schließen der Drainage können Kleingewässer in Senken ohne größeren Aufwand 'von selbst' wieder entstehen.
Feld- und Ufergehölze, Waldränder
Diese dauerhaft mit Gebüschen und Bäumen bestandenen Flächen sind für viele Brutvogelarten wichtig. In ihnen nisten u.a. Mäusebussard, Ringeltaube, Sing- und Misteldrossel sowie Buchfink und Goldammer. Ein ausreichend breiter Randstreifen als Nahrungsgebiet verbessert die Wertigkeit deutlich.
Zusätzliche die Bilanz verbessernde Maßnahmen
Der NABU fordert zudem, auch Ackerflächen als ökologische Vorrangflächen anzuerkennen, die nicht mit chemischen Pflanzenschutzmitteln und stickstoffhaltigen Mineraldüngern behandelt werden oder die als selbstbegrünte bzw. eingesäte Bunt- und Rotationsbrachen genutzt werden.
Grünlandflächen sollten als Vorrangflächen gelten, wenn sie nur maximal zweimal pro Jahr angepasst an Schutzbestimmungen genutzt oder nicht mit chemischen Pflanzenschutzmitteln, stickstoffhaltigen Mineraldüngern oder mit Gülle behandelt werden oder wenn es sich um extensiv beweidete, artenreiche Flächen handelt. Weitere Informationen über Anlage und Pflege von Flächen in landwirtschaftlich genutzten Gebieten lassen sich in speziellen Druckschriften und auf den Internetseiten des NABU finden.
'Der Lämmerhof' - Beispiel für eine vorbildliche Berücksichtigung des Naturschutzes | |
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Wer in Schleswig-Holstein nach positiven Beispielen für eine umfassende Umsetzung von Vorstellungen des Naturschutzes in der Landwirtschaft sucht, kommt um den "Lämmerhof" im Kreis Herzogtum Lauenburg nicht herum. Im Stecknitztal am Rande des Naturparks Lauenburgische Seen gelegen, können Interessierte am Sitz des von Demeter zertifizierten Öko- Betriebes in Panten und Mannhagen anschaulich erleben, wie Landwirtschaft und Naturschutz mustergültig "unter einen Hut" gebracht werden - und beide sich auch finanziell rechnen. Wirtschaftliche Grundlagen Der Betrieb, gemeinsam bewirtschaftet von Detlef Hack und Ute Thode sowie Christian und Urte Brüggemann, umfasst rd. 600 ha, davon 380 ha ackerbaulich genutzte Flächen bewachsen mit Getreide oder Leguminosen in siebengliedriger Fruchtfolge. Die Schläge haben eine mittlere Größe von rd. 4,5 ha. Weidewirtschaft wird in einer "halboffenen Weidelandschaft" praktiziert. Gehalten werden 90 Mastschweine, 80 Rinder und 80 Mutterschafe. In die Beweidung sind auch Flächen der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein einbezogen. Der Lämmerhof hat sich 2004 für die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise nach Demeter-Richtlinien entschieden. Derzeit arbeiten auf dem Hof und im Hofladen 12 Mitarbeiter plus die beiden Familien. Der Hof ist betrieblich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts GbR organisiert. |
Naturschutzmaßnahmen Eine Flurneuordnung mit dem Ziel der Naturvermehrung veränderte Ende der 90er Jahre den Hof: In Anlehnung an die frühere Kulturlandschaft werden die Flächen des Lämmerhofes heute von vielen Knicks und Einzelbiotopen wie Teichen, Feldgehölzen sowie Trocken- und Nasswiesen durchzogen. Die ersten Schritte in Richtung Naturschutz und der Hellmoor-Renaturierung wurden bereits Anfang der 90er Jahre vollzogen. Biotopgestaltende Maßnahmen wie Knicks anlegen, Naturrefugien als Brachen zulassen und Blühstreifen an den Feldrändern wurden mit der Umstellung auf den ökologischen Landbau 1990 begonnen. Ermutigt durch die steigende gesellschaftliche Anerkennung, manchmal auch trotz Hohn, ging der Lämmerhof beharrlich seinen Weg. Die auf dieser Webseite präsentierten Fotos zeigen Aspekte aus diesem Betrieb. Der Lämmerhof wurde mehrfach ausgezeichnet, so im Jahr 2004 mit dem Förderpreis (1. Platz) Ökologischer Landbau des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und zuletzt 2009 mit dem 1. Preis im Knickwettbewerb des Schleswig-holsteinischen Heimatbundes SHHB. Vielseitige Angebote Neben einem eigenen Hofladen bietet der Lämmerhof u.a. Veranstaltungen wie Konzerte, Feriencamps und Hofführungen an. Auch die Beratung anderer landwirtschaftlicher Betriebe steht mit auf dem Programm. Kontakt www.laemmerhof.de |
Finanzielle Unterstützung für besondere Leistungen
Wer für die Allgemeinheit wichtige Aufgaben übernimmt, soll dafür auch entlohnt werden. Die schleswig-holsteinische Landesregierung will laut eigener Aussage die ökologisch bewirtschaftete Fläche in Schleswig-Holstein erweitern, um von den vielfältigen positiven Umweltauswirkungen dieser Maßnahme zu profitieren. Das Land unterstützt daher ökologisch wirtschaftende Betriebe finanziell. Vor dem Hintergrund, dass in Schleswig-Holstein nur 490 der Landwirte ökologisch arbeiten und dabei rd. 3,7 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschaften (rd. 37.085 ha) und das Land damit bundesweit am unteren Ende der Öko-Skala rangiert, sind die selbst gesteckten Ziele der Landesregierung allerdings immer noch wenig ehrgeizig (Stand: 31. Dezember 2014).
Die Prämien sind - im Gegensatz zu einer pauschal weitgehend ohne Gegenleistung gezahlten Flächenprämie allgemein für jeden landwirtschaftlichen Betrieb - kein Geschenk an Bio-Landwirte, sondern eine Honorierung der besonderen Leistungen, die ökologisch wirtschaftende Betriebe für Umwelt- und Klimaschutz erbringen. Zur Aufrechterhaltung der an die Natur angepassten Landbewirtschaftung sind sie für viele Betriebe existenziell notwendig. Der NABU fordert bereits seit langem, Zahlungen an landwirtschaftliche Betriebe von derartigen Zusatz-Leistungen zum Wohle der Allgemeinheit abhängig zu machen.
Vertragsnaturschutz und Artenhilfsprojekte
Das Land fördert weiterhin im Rahmen von Artenhilfsprojekten bestimmte Vorhaben konventioneller wie ökologisch wirtschaftender Betriebe, die der Erhaltung besonders bedrohter Arten der Agrarlandschaft dienen sollen. Flächen bezogene Zahlungen an Landwirte sind für die Dauer von fünf Jahren auch in bestimmten Fördergebieten möglich, wenn im Rahmen des Vertragsnaturschutzes für einen längeren Zeitraum besondere Bewirtschaftungsweisen zum Schutz der Natur eingehalten werden.
Stichwort: EU-Agrarreform 2013
Für die Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik erfolgte eine deutliche Budgetreduzierung. Die gesellschaftliche Legimitation der Agrarzahlungen wird in Zukunft nicht mehr nur auf Basis früherer Agrarsubventionen erfolgen. Zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen wie Erhalt der biologischen Vielfalt, Klimawandel, Gewässerschutz und erneuerbaren Energien bedarf es neben der Ausdehnung der Agrarumweltförderung zur Honorierung der ökologischen Leistungen der Landwirtschaft auch einer sinnvollen Weiterentwicklung der Anforderungen an die Landwirtschaft. Der NABU setzt sich weiterhin dafür ein, dass sämtliche Prämienzahlungen an konkrete Umweltleistungen gekoppelt werden. Leider wurden viele Forderungen bei der Reform nicht umgesetzt oder deutlich abgeschwächt - zu Lasten von Natur und Umwelt.
Unterstützung gefragt
Wer eine naturgemäße Bewirtschaftung will, sollte beim Einkauf Bio-Produkten aus Schleswig-Holstein den Vorrang geben. Als Verbraucher haben Sie es in der Hand, mit Ihrem Einkauf ökologisch erzeugter Produkte eine für die Natur verträgliche Landwirtschaft maßgeblich zu unterstützen. Machen Sie mit und leisten Sie Ihren Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt und unseres Naturerbes besonders in Ihrer Region!
ILu akt 3. August 2015
Wichtige Informationen (extern)
- Demeter-Betriebe in Schleswig-Holstein
- Bioland-Betriebe Schleswig-Holstein
- Demeter-Betrieb 'Der Lämmerhof' / RZ
- Förderung ökologischer Landbau (MELUND)
- Vertragsnaturschutz in Schleswig-Holstein (MELUND)
- Zuwendungen für Artenschutz (Artenhilfsprogramme; MELUND)