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Jetzt Mitglied werden!Portrait: Antje Seebens-Hoyer
Ehrenamtliche im Bereich Verbandsbeteiligung stellen sich vor
Fragen an Antje Seebens-Hoyer
Liebe Antje, wie bist du zur Verbandsbeteiligung gekommen?
Ich habe einige Jahre lang in Mecklenburg-Vorpommern gearbeitet und gelebt. Damals kamen die ersten Offshore-Windparke in die Verbandsbeteiligung und wir haben uns dafür eingesetzt, dass Fledermäuse auch offshore untersucht und berücksichtigt werden. Mich hat fasziniert, dass uns das damals gelungen ist und man durch die Verbandsbeteiligung viel für den Arten- und Umweltschutz erreichen kann. Deshalb bin ich einfach dabei geblieben.
Wie sinnvoll findest Du die Verbandsbeteiligung?
Ich halte die Verbandsbeteiligung neben dem Flächenschutz für eine der wichtigsten Aufgaben von Naturschutzverbänden. Wer, wenn nicht wir, bringt sich für den Naturschutz in Verfahren ein?!
Wie war Deine erste Stellungnahme? (Wie hast du dich darauf vorbereitet?)
In meiner ersten Stellungnahme ging es um den Offshore-Windpark Arcadis Ost 1. Ich habe diese Stellungnahme gemeinsam mit Fledermausspezialisten vor Ort erarbeitet und mich intensiv in die Fachliteratur zum Thema „Fledermauswanderung über der Ostsee und im Ostseeraum“ sowie zu den rechtlichen Grundlagen von Beteiligungsverfahren eingelesen. Wir haben damals erreicht, dass wir mit den für das Verfahren zuständigen Behördenvertreter*innen treffen und unsere Punkte im direkten Dialog diskutieren konnten. In der Folge haben wir uns mehrere Jahre intensiv in dieses und weitere Verfahren eingebracht.
Steckbrief
- Name: Antje Seebens-Hoyer
- Alter: 44 Jahre
- Wohnhaft in: Preetz
- Beruf: Diplom-Biologin, tätig beim NABU Mecklenburg-Vorpommern als Projektkoordinatorin für ein Forschungsprojekt zur Fledermauswanderung über der Nord- und Ostsee.
- NABU-Gruppe: Preetz-Probstei
- NABU-Mitglied seit: 2010
- Stellungnahmen für den NABU seit: 2011
- Expertin für: Fledermäuse
- Kontakt: Seebens@Nachtforscher.de
Konntest du mit einer Stellungnahme ein Verfahren stoppen oder zumindest erreichen, dass bestimmte Maßnahmen zum Schutz der Natur unternommen wurden?
Verfahren werden mit Stellungnahmen nur selten gestoppt. Planungsverfahren sind so aufgebaut, dass im Rahmen der übergeordneten Landschaftsplanung (Raumordnungspläne, Regionalpläne, Flächennutzungspläne o.ä.) festgesetzt wird, wie einzelne Flächen großräumig genutzt werden dürfen (z.B. Ausweisung von Gebieten für Naturschutz, Windenergieanlagen, Wohnbebauung usw.). In einem zweiten Schritt werden dann Einzelverfahren bearbeitet, z.B. über den Bebauungsplan die rechtlichen Grundlagen für eine Bebauung geschaffen oder ein bestimmter Windpark genehmigt. Auf dieser unteren Planungsebene geht es eigentlich nicht mehr darum, ob etwas umgesetzt wird, sondern wie (z.B. Festsetzungen zur Dachneigung, zur Energieeffizienz, zur Lage von Baufenstern). Ich sehe es nicht als primäres Ziel von Stellungnahmen an, Verfahren zu stoppen. Es geht vor allem darum, dass der Naturschutz angemessen berücksichtigt wird. Ein Verfahren muss nur dann gestoppt werden, wenn das naturschutzfachliche Problem anders nicht zufriedenstellend aufgelöst werden kann. Dies war bei mir bislang in drei Fällen so.
Im ersten Verfahren ging es um einen Windpark. Der Artenschutzrechtliche Fachbeitrag zu den Fledermäusen wies überaus geringe Aktivitäten aus, die man so eigentlich an keinem Ort in Deutschland finden sollte. Zufälligerweise hatte ein Ehrenamtler ganz in der Nähe und teilweise sogar in denselben Nächten Fledermauserfassungen durchgeführt und hohe Aktivitäten nachgewiesen. Die Behörde musste das Gutachten kassieren.
Im zweiten Verfahren sollte einer sehr alte Schwarzerle der Status „Naturdenkmal“ aberkannt werden, um sie zu fällen. Sie war ziemlich brüchig und stand unmittelbar an einem viel genutzten Spazierweg. Der Baum war jedoch nur von städtischen Mitarbeiter*innen begutachtet worden. Wir forderten ein Baumgutachten, das dann die Sicherungsmöglichkeiten auswies. Anstelle einer Fällung wurden diese ausgeführt.
Das dritte Verfahren ist eigentlich gar kein Verfahren. Es sollte ein Bebauungsplan für eine Wohnbebauung in die freie Feldmark hinein aufgestellt werden. Sobald es jedoch einen Aufstellungsbeschluss gibt, ist der Zug in der Regel abgefahren. Wir haben deshalb eine Ad-hoc-Stellungnahme geschrieben, in der primär auf rechtlicher Basis umfassend begründet war, warum hier nicht gebaut werden soll. Begleitet war das Ganze von vielen Gesprächen mit den Fraktionen und dem umfassenden Engagement einer Bürger*inneninitiative. Am Ende hat die überwiegende Mehrheit im Bauplanungsausschuss gegen die Aufstellung des Bebauungsplanes gestimmt.
Was könnte in der Verbandsbeteiligung besser laufen?
Abwägungsverfahren werden heutzutage zwar in der Regel in dem Sinne transparent gemacht, dass sich Abwägungsprotokolle häufig online einsehen lassen. Nach meiner Erfahrung ist jedoch die Entscheidung, welche Einwände berücksichtigt werden und welche nicht oftmals nicht nachvollziehbar und wirkt willkürlich. Ich würde mir eine Stärkung des Naturschutzes durch nachvollziehbare Kriterien wünschen. Und ich würde mir wünschen, dass mehr Leute den Wert von Verbandsbeteiligung erkennen und sich in diesen zugegebenermaßen eher „trockenen“ Bereich einarbeiten und einbringen.
Die Fragen stellte Martina Ikert, 29. Januar 2023