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Aus der Arbeit des NABU
Beim NABU Kisdorfer Wohld arbeitet eine Gruppe von fünf Aktiven an Stellungnahmen zu Bauleitplanungen und Planfeststellungsverfahren und überprüft, ob Kompensationsmaßnahmen auch tatsächlich und fachgerecht durchgeführt werden. Ab und zu werden wir gefragt, warum wir das tun - und ob sich der Aufwand denn wirklich lohnt.
In der Theorie ist in Planverfahren für die Natur (fast) alles bestens geregelt: Unabhängige Sachverständige erarbeiten vollkommen neutral eine umfassende Umweltprüfung, kartieren lückenlos Flora und Fauna und weisen akribisch auf Konflikte bezüglich aller Schutzgüter hin. Die Naturschutzbehörden nehmen Stellung und sorgen für eine angemessene Berücksichtigung aller Naturschutzaspekte. Die Öffentlichkeit bringt aktiv ihre Vorschläge und Bedenken ein. Das Planungsbüro prüft auf Basis dieser Informationen alle vernünftigen Alternativen und macht verschiedene Entwürfe, um einen optimalen Plan zu entwickeln. Die Kommune wägt schließlich alle privaten und öffentlichen Belange – ökonomisch, sozial und ökologisch – gerecht gegeneinander ab und gelangt so zur perfekten Planung. Im Anschluss werden die Kompensationsmaßnahmen für die Eingriffe in Natur und Landschaft zeitnah und fachgerecht ausgeführt und dauerhaft inbrünstig gepflegt…
Wenn es denn nur so wäre! In der Realität bestaunen wir daumendicke Gutachten, die 100 Jahre alte Bäume übersehen, streng geschützte Zauneidechsen als „durchwandernd“ marginalisieren und vermeintliches Intensivgrünland kartieren, welches beim näheren Hinsehen über 50 Pflanzenarten beheimatet, davon mehrere der Roten Liste. Wir bemerken, dass immer mehr Planverfahren samt Abwägungsvorschlag von den Gemeinden an Projektentwickler (und von ihnen bezahlte Gutachter und Planer) ausgelagert werden. Ein großes Geschäft, das hochgradig ökonomisch optimiert ist. Häufig überlastete Naturschutzbehörden und eine viel zu oft passive und auf dem ökologischen Auge manchmal nahezu blinde Kommunalpolitik haben dem kaum etwas entgegenzusetzen. Schließlich müssen wir feststellen, dass Kompensationsmaßnahmen teilweise nicht oder gar schädlich für die Natur umgesetzt werden. So ist es natürlich nicht immer, aber leider viel zu häufig! Positive Ausnahmen bestätigen die Regel.
Daher beteiligen wir uns an so vielen Planverfahren, wie es unsere Zeit erlaubt. Im Alltag sieht das dann etwa so aus: Wir schauen uns alle Planverfahren, an denen wir beteiligt werden, grob an und identifizieren die für die Natur kritischen Vorhaben. Es beginnt dann mit dem Lesen der nicht selten mehr als 100 Seiten umfassenden Planungsunterlagen. Hier entsteht meist der Eindruck, dass in diesen umfangreichen Gutachten und detaillierten Planungsunterlagen alles berücksichtigt wurde. Oft wird selbst auf den Heldbock oder die Haselmaus umfangreich eingegangen, auch wenn ein Vorkommen von vornherein ausgeschlossen werden kann. Anschließend erfolgt die Recherche. Für einen besseren Überblick - noch vom Schreibtisch aus - können Satellitenbilder, die dank alter Aufnahmen über Timelines weit zurückverfolgt werden können, sehr aufschlussreich sein.
Kein Biologie- oder Stadtplaner-Diplom erforderlich
Im NABU Kisdorfer Wohld haben sich ehrenamtlich Aktive zusammengefunden und bearbeiten das Thema Stellungnahmen. Uns eint das Interesse an der positiven Entwicklung unserer Umgebung und wir haben keine Scheu vor einer kritischen Auseinandersetzung. Die Voraussetzungen für die Aufgabe sind neben der Bereitschaft sich im Team in die Themen Bauleitplanung und Naturschutzrecht einzuarbeiten vor allem der gesunde Menschenverstand und etwas Sensibilität, um Naturschutzkonflikte in Vorhaben – auch wenn sie nicht offensichtlich sind - zu erkennen. Dabei hilft die Arbeit im Team, denn jeder hat eine leicht unterschiedliche Sichtweise und hilft, das Bild zu vervollständigen. Und das klappt auch ohne einschlägiges Studium ganz gut, denn bei speziellen Fragen findet sich in der NABU-Gruppe häufig jemand mit dem notwendigen Wissen.
Dazu kommen Abfragen des Umweltportals auf kartierte Biotope und Ausgleichsmaßnahmen. Danach ist es wichtig, sich vor Ort ein Bild zu machen, um festzustellen, ob sich die Situation tatsächlich so darstellt, wie in den Planungsunterlagen beschrieben. Dabei helfen uns NABU-Mitglieder, die z.B. in Feldbotanik geschult sind, oder wir finden Kenner des Plangebietes, die möglicherweise wissen, wo sich Fledermausquartiere befinden. Auffällig ist, dass wir bei unseren Begehungen als „Bonus“ recht häufig feststellen, dass Kompensationsmaßnahmen aus früheren Planungen nicht erfolgt sind. Nach der Ortsbegehung müssen die Unterlagen erneut gelesen werden. Oft entdecken wir dann Diskrepanzen zum Zustand vor Ort. Die eigentliche Stellungnahme ist dann die redaktionelle Zusammenfassung der bisher im Prozess gewonnenen Erkenntnisse. Abgerundet wird die Stellungnahme meist mit Vorschlägen für fachlich gute Kompensationsmaßnahmen.
Zur Einordnung: Selbst mit einer umfassenden Stellungnahme können wir meist nur erreichen, dass das Planverfahren und die Abwägung mit vollständigen Informationen erfolgt. Die Abwägung der unterschiedlichen Belange durch die Gemeinde unterliegt großen Freiheiten. Das Ergebnis entspricht daher nur selten unseren Wünschen, ist aber in der Regel besser als ohne unsere „Einmischung“. Umso wichtiger ist es daher, abseits vom formalen Verfahren, die Kommunalpolitik und die Behörden mit Informationen zu versorgen. Denn im Verfahren ist es entscheidend, dass Ermessensspielräume „richtig“ genutzt werden. Und: Auf kommunaler Ebene sind Planverfahren ein politischer Vorgang. Die unermüdliche Verbreitung des Natur- und Umweltschutzgedankens (vgl. NABU-Satzung) an alle an der Planung Beteiligten und die Öffentlichkeit bewirkt manchmal mehr als das formale Vorgehen.
Lohnt sich also der Aufwand? Wir glauben ja! Auch wenn es oft viel Arbeit erfordert und nicht all unseren Argumenten gefolgt wird, können wir viel erreichen. Manchmal sind es kleine Punkte, die einen wirksamen Effekt erzielen, z.B. die Forderung, anstatt schädlichem Mulchen das Mahdgut von Ausgleichsflächen abzutragen. Besonders freuen wir uns, wenn wir substanzielle Planänderungen erreichen können, sei es dass ein 300 Meter langer Knick erhalten bleibt, artenreiches Dauergrünland aus der Planung herausgenommen wird oder eine Baumgruppe von acht alten Linden samt umgebender Wiese in einem wichtigen Fledermausjagdhabitat erhalten bleibt. Wenn wir uns da nicht beteiligt hätten, wäre all dies einfach für immer verschwunden.
NABU Kisdorfer Wohld, akt. 6. Februar 2023