Zukünftige Planung und Umgang mit Ausnahmegenehmigungen
Windenergie in Schleswig-Holstein - Offener Brief
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Daniel Günther,
Medienberichten zufolge werden die Neufassungen des Landesentwicklungsplanes und der Regionalpläne, hier in Bezug auf das Sachthema Windenergie, vermutlich erst gegen Ende des Jahres 2018 beschlussreif sein. Der NABU sieht es grundsätzlich positiv, dass damit der Auswertung und Abwägung der im ersten Beteiligungsverfahren eingegangenen zahlreichen Anregungen und Bedenken zu den in den Planentwürfen dargestellten Windenergie-Vorranggebieten mehr Zeit eingeräumt wird. Da die Errichtung von Windenergieanlagen zumeist die Belange der Menschen, der Natur und der Landschaft und deren Umgebung nachhaltig berührt, ist es nach Auffassung des NABU vollkommen richtig, im Hinblick auf diese Belange die Platzierung und Ausweisung der Vorranggebiete mit großer Sorgfalt zu prüfen.
Gemäß Koalitionsvertrag sieht die Landesregierung bei der Errichtung von Windkraftanlagen inzwischen einen größeren Abstand zu Wohnsiedlungen vor, so dass auch die neuen Fassungen des Landesentwicklungsplanes und der Regionalpläne entsprechend ausgerichtet und damit etliche geplante Vorranggebiete neu justiert werden müssten. Mit großer Sorge nimmt der NABU Überlegungen der Windkraftbranche wahr, sozusagen als Ausgleich für die verlorene Fläche die Abstände zu Objekten des Naturschutzes verringern zu lassen. Der NABU würde es daher sehr begrüßen, wenn Sie solchen Vorstellungen unmissverständlich eine Absage erteilen würden. Denn die nach den jetzigen Kriterien geltenden Abstände zu für den Naturschutz wertvollen Bereichen, seien es Schutzgebiete, Wälder oder Brut- und Rastplätze von besonders windkraftsensiblen Vogelarten, sind ohnehin schon knapp bemessen. Diese noch weiter einzukürzen würde sich insbesondere unter Gesichtspunkten des Artenschutzes äußerst problematisch auswirken.
Statt durch Überplanung selbst kritischer Flächen die Konflikte zwischen Windenergie und Naturschutz zu verschärfen, sollte eher die Zielsetzung relativiert werden, zwei Prozent der Landesfläche der Windenergienutzung zur Verfügung zu stellen. Zumal weder die Energiewende in Schleswig-Holstein, noch der Klimaschutz im globalen Rahmen vom vollständigen Erreichen dieser selbstgesetzten Marge abhängig sind.
Mit erheblicher Skepsis sieht der NABU zudem die an die Landesregierung herangetragene Forderungen, während des sich über die zur Planentwicklung benötigte Zeit erstreckenden Moratoriums verstärkt Ausnahmegenehmigungen für den Bau von Windkraftanlagen zu erteilen. Vorgezogene Baugenehmigungen sollten wirklich nur dort für Windkraftvorhaben erteilt werden, wo die Standorte unter Betrachtung sämtlicher Belange bereits jetzt erkennbar unkritisch sind. Sonst würde der Sinn des Planungsprozesses im Allgemeinen und des Beteiligungsverfahrens im Besonderen infrage gestellt werden.
Auf gar keinen Fall dürfen Windkraftvorhaben an Standorten Ausnahmegenehmigungen erhalten, die nach den ins Beteiligungsverfahren gegebenen Planentwürfen aufgrund des hohen Konfliktpotenzials z.B. mit Artenschutzbelangen ausdrücklich nicht zu Vorranggebieten weiterentwickelt und deswegen aus der weiteren Planung herausgefiltert worden sind. Dies ist nach Kenntnis des NABU bereits mindestens in einem Fall geschehen (Abwägungsbereich PR3_SEG-057, Groß Niendorf, in Verbindung mit PR3_STO-004, Tralau). Dadurch ist das Beteiligungsverfahren auf nicht hinnehmbare Weise unterlaufen worden. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie auf die zuständige Landesbehörde, hier das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Abt. Technischer Umweltschutz, dahingehend einwirken könnten, dass dieses Genehmigungsverfahren gestoppt wird. Darüber hinaus bitten wir Sie eindringlich darum sicherzustellen, dass sich solche Fälle in Zukunft nicht wiederholen.
Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie diese beiden grundsätzlichen Anliegen des NABU in die Diskussion um die Ausrichtung der Windenergieplanungen sowie der Praxis von Vorab-Genehmigungen mit einfließen lassen könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Hermann Schultz
NABU Landesvorsitzender
7. Dezember 2017
Gleichlautende Schreiben gingen an:
Ministerpräsident Daniel Günther
Staatskanzlei
Minister Robert Habeck
Ministerium für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung
Minister Hans-Joachim Grote
Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration
Umweltpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion
MdL Hauke Göttsch
Umweltpolitische Sprecherin der Fraktion B’90 / Die Grünen
MdL Marlies Fritzen
Umweltpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion
MdL Oliver Kumbartzky
Umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion
MdL Sandra Redmann
Umweltpolitischer Sprecher des SSW
MdL Flemming Meyer