Plötze / Rotauge: häufige Nahrung des Kormorans - Foto: Ingo Ludwichowski
Nahrung des Kormorans
Auf der Speisekarte: wirtschaftlich unbedeutende Fischarten
Für Angler und Fischer sind Kormorane der Inbegriff des Üblen, der die Erwerbsgrundlage der Fischerei und die Beutefreuden der Angler als Konkurrent angeblich schonungslos ruiniere und sogar Fischarten ausrotte. Die betrieblichen Verluste der Fischerei gingen dabei angeblich in die Millionen Euro und hätten sogar volkswirtschaftliche Bedeutung.
Doch umfangreiche Nahrungsanalysen und eine kritische Betrachtung der Rahmenbedingungen der Fischerei liefern ein differenzierteres Bild: An vielen Behauptungen ist wenig dran, der Kormoran kein "natürlicher Feind" von Fischern und Anglern! Wirtschaftliche Probleme bestehen vor allem durch ein verändertes Konsumentenverhalten. Der NABU gibt einen Überblick über die opportunistische Nahrungsnutzung durch den verfolgten Fischfresser.
Nahrungsuntersuchungen
Kormorane ernähren sich überwiegend von Fisch. Sie sind in der Lage, abhängig von der an den meisten Seen in Schleswig-Holstein allerdings zumeist geringen Sichttiefe bis zu 25 Meter tief zu tauchen und Fische mit dem Schnabel zu fangen. Der mittlere tägliche Nahrungsbedarf eines Kormorans liegt bei rd. 330 - 350g.
Opportunist
Kormorane sind Nahrungsopportunisten. Angepasst an das Nahrungsangebot nutzen sie in Schleswig-Holstein zwei unterschiedliche Jagdstrategien: Großen Fischen stellen sie einzeln nach, auf kleine Schwarmfische jagen sie gemeinsam. Nur einzeln jagende Kormorane könnten damit über den Fang von Aalen die Binnenfischerei partiell beeinträchtigen.
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Flussbarsch: häufige Nahrung des Kormorans - Foto: Karel Jakubec / Wikipedia
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Hecht: nur selten Nahrung des Kormorans - Foto: Ingo Ludwichowski
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Brasse: nur Jungtiere sind Nahrung des Kormorans - Foto: Karel Jakubec / Wikipedia
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Kaulbarsch: häufige Nahrung des Kormorans - Foto: Kiit Hunt / Wikipedia
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Europäischer Stint: häufige Nahrung des Kormorans - Foto: W. Hell / Wikipedia
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Dorsch: in der Ostsee nur selten Nahrung des Kormorans - Foto: Ingo Ludwichowski
Nahrungsfische des Kormorans
Wirtschaftlich unbedeutende Fischarten
Nach den regelmäßig seit vielen Jahren im Auftrag des Umweltministeriums erstellten Nahrungsanalysen besteht etwa die Hälfte der Beute des Kormorans aus marinen Fischen und Krebsen. Zudem besteht der weitaus überwiegende Teil der gefressenen Süßwasserfische aus Jungfischen der "Massenarten" (Flussbarsch, Plötze) bzw. aus fischereilich uninteressanten Kleinfischen (Stint, Kaulbarsch). Fischarten wie der Aal oder die Maräne, deren Erbeutung durch Kormorane eine tatsächliche Konkurrenz zur Fischerei bedeuten würde, stellen nach den Analysen im Auftrag des Fischereiministeriums in Kiel bis heute nur einen geringen Teil der Nahrungsmenge dar.
Rückgang des Aals
Vielfach wird der Kormoran als Bedrohung für den Aal dargestellt. Ihn als Sündenbock dafür verantwortlich zu machen, dass der Aalbestand seit langem sinkt, geht jedoch völlig an der Realität vorbei. Verschwiegen werden u.a. die eklatante Verknappung und horrende Verteuerung des für den Besatz zur Verfügung stehenden Glasaals. Ursache ist der intensive Glasaalfang hauptsächlich für ostasiatische Aalmästereien vor der Küste Europas, der die Glasaalpreise aktuell auf bis zu 1.200 € pro kg (entspr. 2 - 3.000 Tiere) hochschnellen ließ.
Daneben ist kritisch zu hinterfragen, ob der in den vergangenen Jahrzehnten sehr intensiv vorgenommene Aalbesatz überhaupt der quantitativen Zusammensetzung der natürlichen Fischfauna entspricht oder ob er nicht sogar zum Rückgang von Kleinfischarten geführt hat. Der Sinn dieser Maßnahmen wird von Fischereibiologen mittlerweile generell in Frage gestellt.
Probleme der Binnenfischerei
Vielen Fischereibetrieben geht es nicht gut. Zahlreiche Bewirtschafter von Gewässern haben mittlerweile aufgegeben. Doch der wirtschaftliche Niedergang der Binnenfischerei beruht nicht auf dem angeblich drastischen Rückgang der potentiell vermarktungsfähigen Ware (mit Ausnahme des Aals), sondern auf einem geänderten Verbraucherverhalten und der verstärkten internationalen Konkurrenz. Manche Fischer haben sich dem steigenden Wettbewerb gestellt: Sie verkaufen heute nicht mehr allein überwiegend selbst gefangen Fisch, sondern bieten dem Verbraucher zudem ein deutlich erweitertes, an der geänderten Nachfrage orientiertes Spektrum von Fischarten zum Verzehr an. Wirtschaftlich eng wird es für diejenigen, die den Wandel nicht mitmachen. Vor allem für sie wird der Kormoran auch zum Sündenbock.
Nahrungsanalysen
Im Auftrag des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums werden regelmäßig Nahrungsanalysen vorgenommen. Dafür untersuchen Wissenschaftler die Speiballen der Kormorane, mit denen unverdauliche Nahrungsreste, ähnlich wie wir es von Eulen kennen, ausgewürgt werden. Vor allem anhand der in den Speiballen enthaltenen Ohrknöchelchen lassen sich Art und Größe der erbeuteten Fische bestimmen. Weiterhin wird der Mageninhalt geschossener Kormorane analysiert.
Diese Untersuchungen ergeben ein weitaus zuverlässigeres Bild als gelegentliche Beobachtungen von Kormoranen mit großen Barschen oder Aalen im Schnabel: Während kleine Fische als Hauptnahrung unter Wasser verschlungen wird, tauchen Kormorane nur mit besonders großen und widerspenstigen Beutefischen wie Aalen auf. Das verleitet vorschnell zu falschen Schlüssen hinsichtlich des Beutespektrums.
Dem Verbraucher wird heute ein umfangreiches Sortiment an großteils in tropischen Gewässern gefangenen Fischen geboten. Die neben dem Aal ökonomisch wertvollsten heimischen Binnenfischarten (Hecht, Große Maräne, Forelle, Zander, Karpfen) werden v.a. in Osteuropa, aber auch in Dänemark deutlich preiswerter als in Schleswig-Holstein produziert. Dem gegenüber gibt es erhebliche Absatzprobleme bei als Speisefisch unattraktiven Arten wie Rotauge (Plötze) und Brasse. Diese kommen als von der Gewässereutrophierung stark begünstigte Arten in vielen Seen weiterhin massenhaft vor - trotz der Kormorane, die die hochrückigen Brassen nur im Jugendstadium, Rotaugen dagegen zahlreich erbeuten.
Schadwirkungen
Bisherige wissenschaftliche Untersuchungen belegen eine Abhängigkeit möglicher Schäden des Kormorans von vielen Faktoren, insbesondere vom Gewässertyp. An großen Binnenseen, auf Flüssen und Küstengewässern gelten diese als "nicht erheblich". In der Zeit, in der in Schleswig-Holstein der Kormoran jahreszeitlich seinen Maximalbestand erreicht, besteht nämlich die Nahrung der Kormorane insbesondere am Großen Plöner See jahrweise wechselnd aus wirtschaftlich bedeutungslosen Kleinfischen wie Stint, Kaulbarsch, kleinen Flussbarschen oder Weißfischen.
Der Kormoran vermindert die Gewässertrübung, indem er Fische dezimiert, die Zooplankton fressen, die wiederum lästige Grünalgen beseitigen!
Bernd Koop
Ornithologe
"Fischunkraut"
Es sind sogar positive Effekte auf die Gewässerqualität belegt: Durch das Erbeuten von durch die Gewässereutrophierung besonders stark geförderten Weißfischen verringern Kormorane den Fraßdruck auf das Zooplankton, das durch Filtrieren einem übermäßigen Algenwachstum entgegenwirkt. Ausreichend Wasserflöhe und anderes Zooplankton können jedoch die Gewässertrübung eindämmen, indem sie die mikroskopisch kleinen Planktonalgen wegfiltern. Folge: Der See wird klarer und am Grund können wieder Wasserpflanzen wachsen. Auch für den Tourismus ein Vorteil, denn Gäste bevorzugen klare Gewässer zum Baden. Sind in einem See zudem zu viele Kleinfische vorhanden, "verbuttet" der Fischbestand: Große Fische werden zu Gunsten der Zahl kleiner Fische zur Mangelware. Aus diesem Grunde entfernen Fischer die wirtschaftlich bedeutungslosen Kleinfische als "Fischunkraut". Diese Aufgabe übernimmt in natürlichen Seen aber der Kormoran.
Erwerbsfischerei: Hohe Fangzahlen im Vergleich zum Kormoran
Die Zahl der von Kormoranen genutzten Fischmengen wird häufig dramatisiert. Die von der Erwerbsfischerei genutzten Fischbestände sind jedoch nach dänischen Untersuchungen deutlich größer als die des Kormorans (s. Exkurs). Zu beachten ist, dass auch Meeresfische berücksichtigt sind. Wenn daher ein negativer Einfluss auf Fischbestände zu erwarten ist, dann am ehesten durch die Fischerei. Dazu trägt auch bei, dass im Rahmen der Ausübung der Fischerei durch "Fehler in der Fischerei" Massensterben etwa von Flussbarschen ausgelöst werden.
Exkurs: Was Kormorane und Erwerbsfischerei in Dänemark fangen (DOF 1996) | ||
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Fischart |
Kormoran t pro Jahr (1994) |
Erwerbsfischerei t pro Jahr (1994) |
Dorsch | 1.353 | 10.277 |
Schellfisch | 1.200 | 2.447 |
Seeskorpion | 508 | 0 |
Sandgrundel | 470 | 0 |
Aalquappe | 430 | 7 |
Flunder | 300 | 1.941 |
Grundel | 150 | 0 |
Aal | 141 | 525 |
Plötze, Rotaugen | 103 | 31 |
Flussbarsch | 90 | 66 |
Hering | 53 | 25.155 |
Hecht | 30 | 35 |
Weißfische | 28 | 1.307 |
Regenbogenforelle | 21 | 31.000 |
Seezunge | 10 | 3.168 |
Stint | 3 | 68 |
Sandaal | 1 | 7.100 |
Kormoran und Teichwirtschaft
An intensiven Teichwirtschaften und Fischzuchtanlagen sind jedoch bisweilen erhebliche Schäden von 50 - 70 % feststellbar. Hier finden Kormorane Nahrung in hoher Dichte, die Beutefische aber meist keine oder kaum Deckung, um sich zu schützen.
Problematisch wird es vor allem, wenn zu kleine Satzfische eingebracht werden. Dagegen werden große Karpfen nicht vom Kormoran erbeutet. Auch ist längst nicht jeder Produktionsverlust in Karpfenteichwirtschaften dem Kormoran zuzuschreiben. Karpfen sind sehr krankheitsanfällig, darüber hinaus stellen sie bei kühler Witterung das Wachstum ein. So kann in manchen Jahren der Ertrag völlig ausbleiben - auch ohne Einfluss des Kormorans.
ILu akt. 12. November 2014
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