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Rückgang durch Schwimmblasenwurm, Glasaalfang und mangelnde Wandermöglichkeiten
In den Sommermonaten ist dies kein ungewohntes Bild auf unseren großen Seen. Der Augenzeuge wird annehmen, dass dieser konzertierten Attacke kaum ein Fisch entkommen sein könnte, die Klagen der Fischer und Angler im Ohr: „Kein Wunder, das sich da der Aalfang nicht mehr lohnt!“ Doch der Eindruck ist falsch. Die Jagd des großen Kormorantrupps gilt einem Jung- oder Kleinfischschwarm, der gezielt eingekreist und irritiert wird, so dass die wirtschaftlich bedeutungslosen Fischchen leichter zu fangen sind. Aale und andere Speisefische mittlerer Größe werden dagegen nur von einzeln tauchenden Kormoranen erbeutet.
Der Aal im Zentrum der Diskussion
Insbesondere auf den Aal, der sich als teuerster heimischer Binnenfisch verkaufen lässt, fixiert sich die Diskussion um die Rolle des Kormorans. Mit einem Anteil von zwei bis drei Prozent spielt der Aal jedoch im Nahrungsspektrum des Kormorans eine völlig nebensächliche Rolle. In nur jedem zwanzigsten aller in Schleswig-Holstein untersuchten Kormoran-Speiballen sind überhaupt Aale nachgewiesen worden. An dieser Tatsache ändern die immer wieder kolportierten Beobachtungen von Kormoranen mit Aalen im Schnabel nichts: Dem Kormoran gelingt es häufig nicht, den schlangenförmigen und muskulösen, im Gegensatz zu anderen Beuteobjekten schwer zu bewältigen Aal „unauffällig“ unter Wasser zu verschlucken.
Ertragsverluste
Ertragsminderungen beim Aalfang sind an holsteinischen Seen bereits Ende der 1970er Jahre feststellbar, als der Kormoran an unseren Binnenseen kaum auftrat. Fangrückgänge in den letzten Jahrzehnten gibt es überall in Europa. Besonders deutlich wird dies in den Küstengewässern. Beispielsweise ist der Aalfang im Greifswalder Bodden von 1956 bis 1984 kontinuierlich auf weniger als ein Zehntel zurückgegangen, also zu einer Zeit, als der Kormoran keine Rolle spielte. Falsch ist es, jeden vom Kormoran erbeuteten Aal als Ertragsverlust für die Fischerei zu bewerten, auch wenn er durchschnittlich 180 Gramm wiegt. Denn ein vermarktungsfähiger Aal sollte mindestens doppelt so schwer sein. Bis er nach mindestens vier Jahren sein Fanggewicht erreicht hat, kann er auf verschiedene andere Weise umkommen.
Aussetzungen sinnvoll?
Zur Bestandsstützung des Aals werden von Seiten der Fischerei seit Jahrzehnten Maßnahmen ergriffen. Die Einschränkung des Fangs von Aalen in der für Ende 2013 geplanten neuen schleswig-holsteinischen Küstenfischereiverordnung KüFO (wie auch in der Binnenfischereiverordnung BiFO) durch die Erhöhung des Mindestmaßes gefangener Aale wird vom NABU begrüßt, aber als unzureichend angesehen. Es verwundert, dass ein mit Fischereiverbänden in der Frage der Mindestgröße bereits 2008 erzielter Konsens erst fünf Jahre später Eingang in die KÜFO finden soll, obwohl der Erhaltungszustand des Aals in dieser Zeit immer schlechter geworden ist. Es ist nunmehr aufgrund der mittlerweile dramatischen Bestandssituation des Aals und der extrem schlechten Rekrutierung kaum davon auszugehen, dass dieser Konsens für eine Erholung der Aalbestände ausreicht.
Mindestmaß erhöhen
Über die Vorschläge hinausgehende Maßnahmen sind jedoch notwendig: In der Fischerei wurden Mindestmaße allgemein vor allem deshalb eingeführt, um ein zumindest einmaliges Ablaichen von Fischen zu gewährleisten. Der Aal laicht jedoch nur ein einziges Mal in der Sargassosee. Weibliche (abwander- und laichbereite) Blankaale aus deutschen Gewässern unterschreiten jedoch nur äußerst selten eine Länge von 50 cm, die Mehrzahl ist sogar noch länger. Bei der geplanten Erhöhung des Mindestmaßes von 35 auf 45 cm werden daher wie bisher nicht laichreife Gelbaale gefangen. Durch die Anhebung des Maßes verringert sich aber nur der Zeitraum, in dem sich die Gelbaale im befischbaren Bestand befinden. Ein Mindestmaß, das die Abwanderung eines signifikanten Anteils der Weibchen erlauben würde, müsste voraussichtlich bei mindestens 55, eher sogar bei 60 cm liegen. Solange noch ein Großteil der Aale als Blankaale vor oder während der Abwanderung gefangen wird, hat dies einen direkten Einfluss auf den Laicherbestand, der sich damit kaum erholen wird.
Wichtig ist weiterhin, dass der Fischereiaufwand auf die größeren Aale zur Kompensation der Minderfänge durch die erhöhte Mindestgröße nicht entsprechend gesteigert wird. Der Internationale Rat für Meeresforschung ICES (2011) empfiehlt, jede anthropogene Sterblichkeit (Freizeitfischerei, kommerzielle Fischerei, Kraftwerke und Umweltverschmutzung) bei Aalen durch geeignete Maßnahmen auf nahezu Null zu verringern.
Die derzeitige Praxis der Bestandsaufstockung mit Glasaalen in Gewässern mit natürlichem Bestand wird darüber hinaus von Wissenschaftlern als zweifelhaft angesehen. Es bestehen starke Bedenken, dass von Fischern umgesetzte Aale, die in ihr Aufwuchsgewässer nicht selbst eingewandert sind, als laichreife Tiere den Weg in die Sargassosee finden. Wenn Aale in Gewässer eingesetzt werden, in denen noch ein natürlicher Bestand vorhanden ist, werden durch die Fischerei nicht nur die eingesetzten, sondern weiterhin auch die natürlich eingewanderten Aale gefangen. Der Druck auf die natürlichen Aaalbestände bleibt damit bestehen: Durch die Bestandsaufstockung besteht damit vordergründig kein besonderer Druck, den Fischereiaufwand zu reduzieren. Dies wäre aber notwendig, da unter der obigen Annahme nur die natürlich eingewanderten Aale und nicht die ausgesetzten zur Vermehrung beitragen.
Zudem gibt es eine Reihe anderer Probleme, die mit dem Umsetzen von Jungaalen verbunden sind (z.B. Verbreitung von Krankheiten und Parasiten). ICES (2011) empfiehlt daher, Bestandsaufstockungen mit Glasaalen nicht zur Aufrechterhaltung der Fischerei vorzunehmen, sondern nur dort, wo die von Menschen verursachte Sterblichkeit sehr gering ist und gute Chancen bestehen, dass die Aale auch das reproduktive Blankaalstadium erreichen. Der NABU spricht sich dafür aus, den Aal für eine Übergangszeit bis zur Erholung der Bestände vollständig zu schonen.
Problem: Schwimmblasenwurm
Besondere Probleme bereitet dem Aal der Schwimmblasenwurm Anguillicola crassus, ein aus Fernost Anfang der 1980er Jahre eingeschleppter Parasit, mit dem bis zu 90 Prozent der Aalbestände befallen sind. Er schädigt die Schwimmblase, was je nach Befallsintensität zu vermindertem Wachstum, geringerer Fitness oder infolge erhöhten Risikos bakterieller Infektionen zum Tod führen kann. Besonders problematisch wirkt sich die verringerte Leistungsfähigkeit auf der quer durch den Atlantik führenden Wanderung zu den Laichgründen in der Sargassosee aus – sofern die Blankaale, wie die abwandernden geschlechtsreifen Fische genannt werden, nicht schon in den europäischen Flüssen in den manchmal durch das halbe Gewässer gespannten Reusennetzen gefangen oder von den Kraftwerksturbinen zerhäckselt worden sind.
Problem: Glasaalfang
Doch auch die Wanderung der jungen Aale in umgekehrter Richtung zu Europas Binnen- und Küstengewässern endet nur noch selten erfolgreich. Die kleinen, wegen ihres durchschimmernden Körpers als Glasaale bezeichneten Fische werden bereits seit etwa hundert Jahren in großen Mengen gefangen. Früher konnten sie hauptsächlich als Besatz für Seen und Teiche dienen. Dieses Besatzmaterial ist inzwischen für europäische Binnenfischer und Angelvereine fast unerschwinglich teuer geworden – zwischen 300 und 1.200 Euro je Kilogramm müssen dafür heute auf den Tisch geblättert werden. Doch mittlerweile bietet die enorm expandierte Farmaal-Industrie Chinas und anderer fernöstlicher Länder das Dreifache des europäischen Marktpreises. Folglich werden jetzt zwei Drittel und mehr des Glassaalfangs in jene Länder verkauft, wo sie anstelle des selten gewordenen Japanischen Aals gezielt für den immens großen japanischen Markt gemästet werden. Ein nicht unerheblicher Teil der Glasaale landet als in südeuropäischen Ländern begehrte, sündhaft teure Delikatesse in den Konservenfabriken. Darüber hinaus bestimmt der Golfstrom in seiner Abhängigkeit von Klimaschwankungen, wie viele Jungaale Europas Küsten erreichen.
Problem: Aalaufstieg
Die wenigen, die es tatsächlich bis in unsere Flussmündungen geschafft haben, scheitern in ihrem weiteren Aufstieg meistens an den zahllosen Stauwehren und Sohlgleiten, mit denen die Fließgewässer verbaut sind. Wahrscheinlich wäre auf natürlichem Wege eine Aalpopulation in kaum einem unserer Binnenseen zu erhalten.
Für den Binnenfischer wird einerseits der Aalbesatz zunehmend kostenträchtiger, selbst wenn er, wie in Schleswig-Holstein üblich, vorgestreckte Fische verwendet. Andererseits ist ihm mit dem Import sogenannter Farmaale hauptsächlich aus Dänemark, den Niederlanden und Italien eine übermächtige Konkurrenz entstanden. In temperierten Hälteranlagen industriell gemästete Aale erreichen innerhalb eines Jahres ein Gewicht, wofür der Aal im See die zehnfache Zeit benötigen würde. Inzwischen beherrscht der Farmaal den Markt. Diese Tendenz wird sich fortsetzen, verstärkt durch die Kostenexplosion bei Glas- und Satzaalen.
Nicht der Kormoran ist das Problem ...
Importe und Massenproduktion bestimmen nicht nur im Fall des Aals den Strukturwandel der Fischwirtschaft. Der deutsche Markt wird zu über 80 % von Importen dominiert. Das betrifft zunehmend auch den Handel mit Süßwasserfisch, der übrigens nur 14 Prozent des gesamten Fischumsatzes ausmacht. Zander, Karpfen, Forelle und Große Maräne lassen sich günstiger in benachbarten EU-Ländern als beim heimischen Binnenfischereibetrieb erwerben. Diese Entwicklung ist mit geändertem Verbraucherverhalten gekoppelt. Statt Hechtfilet speist man heute Lachssteak. Nilbarsch und Tilapia aus tropischen Gefilden werden dem fettigen Aal vorgezogen, der dem Gesundheitsimage des Fischverzehrs so gar nicht mehr entspricht. Brassen und andere Weißfische lassen sich, wenn überhaupt, nur zu Niedrigstpreisen zur Produktion von Fischfrikadellen vermarkten.
Im Jahr 2011 sind in Deutschland 2,24 Mio. Tonnen Fisch auf den Markt gebracht worden. Doch davon stammten lediglich 8.300 Tonnen – also 0,4 Prozent – aus heimischen Seen und Flüssen - eine „bescheidene Menge“, wie schon eine Pressemitteilung zur fish international 2002 resümiert. Die Marktsituation ist das Problem der Binnenfischerei, nicht der Kormoran.
Akt. 13. November 2014