Rothalstaucher - Foto: Frank Derer
Kormoran und Teichwirtschaft
Punktuelle Schäden möglich | Flächenhafte "Bekämpfung" des Kormorans unverhältnismäßig
Punktuelle Schäden möglich
Im Rahmen der Fisch-Bewirtschaftungsform der intensiven Teichwirtschaft auftretende Schäden sind jedoch aus den herrschenden, besonderen Bedingungen zu erklären: Ein hoher Fischbesatz bei gleichzeitig geringen Versteckmöglichkeiten für die dort unter wenig natürlichen Bedingungen gehaltenen Fische macht diese Gewässser für Kormorane besonders attraktiv.
Teichwirtschaft in Schleswig-Holstein
Die Teichwirtschaft hat in Schleswig-Holstein eine lange Tradition. Im 13. Jahrhundert begannen Adelige und Mönche, Fließgewässer oder Senken anzustauen, um in den entstehenden Teichen eine zumeist extensive Teichwirtschaft zu betreiben. Im Winter konnte das Wasser über den "Mönch" zur Ernte der zuvor eingesetzten Fische (zumeist Karpfen) abgelassen werden. "Bespannung" (Aufstau) und Ablassen erfolgten über ein spezielles Grabensystem, das heute kaum noch vollständig vorhanden ist. Die Teichwirtschaft gehörte zu den typischen Nutzungen der historischen Gutslandschaft des Östlichen Hügellands. Mit ihr verbunden war eine extreme Bekämpfung von Fischfressern wie Fischadler und Fischotter, die in diesen Zeiten stark in ihrem Bestand reduziert, später auch nahezu vollständig ausgerottet wurden.
Genutzt wurden die Teiche zumeist zur Produktion von "Weihnachtskarpfen", aber auch von Regenbogenforellen, Schleien und Zander. Zur Produktion werden in Schleswig-Holstein "Abwachsteiche" vor allem mit älteren "K3-Karpfen" besetzt, die einer bestimmten Größenklasse zuzuordnen sind.
In der Fischzucht besiedeln kleinere, selbst gezogene "K1- und K2-Karpfen" die "Laich- und Brutteiche". Die Größenklassen K1 und K2 sind es, die heute für den Kormoran vor allem als Nahrung interessant sind, da sie die von ihm bevorzugte Größe haben.
Teichwirtschaft - alles "Öko"?
Die Teichwirtschaft stellt zumeist eine intensive Form der Fischerei dar. In einem künstlich entstandenen Gewässer wird durch Besatz mit natürlicherweise dort nicht vorkommenden Fischarten wie dem Karpfen mit Hilfe häufig massiver Futtergaben ein hoher Fischbestand erzeugt, der sich in einem derartigen Gewässer natürlicherweise nicht einstellen würde.
Einfluss auf Flora und Fauna
Der hohe Fischbesatz beeinflusst dabei Fauna und Flora des Gewässers: In intensiven Fischzuchtanlagen ist gegenüber natürlichen Gewässern der Bestand an Amphibien, aber auch Libellen deutlich vermindert, da diese zur Beute der Nutzfische werden können. In der Folge ist auch der Bruterfolg von Vogelarten wie Schwarz- und Rothalstauchern wegen der geringeren Nahrungsmenge deutlich reduziert gegenüber nicht oder nicht intensiv bewirtschafteten Fischteichen: Belegt ist, dass Cypriniden Nahrungskonkurrenten des Rothalstauchers sind und durch ihre Wühltätigkeit am Teichboden das Wachstum der untergetauchten (submersen) Vegetation und damit auch die Entwicklung der daran lebenden Nahrung der Rothalstaucher hemmen (Koop 1999).
An verschiedenen Teichen, etwa dem Lebrader Teich im Kreis Plön, zeigte sich umgekehrt ein positiver Effekt, als in Folge der Nutzungsaufgabe der Besatz mit Karpfen eingestellt wurde: Der Bruterfolg und die Familiengröße stiegen bei Rothalstauchern, die sich von einwandernden Zwergstichlingen sowie zahlreichen Libellen ernähren, deutlich an (Publikationen zum Thema u.a. J. J. Vlug 1999, J. J. Vlug 2005). Den Vögeln stand vermutlich zusätzliche Nahrung zur Verfügung, die zuvor von den Karpfen genutzt worden war.
Das alljährliche Ablassen der Teiche über den "Mönch" wirkt sich dabei generell positiv auf das Gewässer aus, da der Boden unter Sauerstoffeinfluss stark mineralisiert und es nicht zur Bildung einer dicken Faulschlammschicht kommt. Zudem wird die Ansiedlung langlebiger Fischarten verhindert. Unter den Fischarten profitieren ohne Besatz lediglich Zwergstichlinge von diesen Bedingungen (Koop 1999). Negativ zu sehen ist, dass beim Ablassen bewirtschafteter Teiche über das abfließende Wasser große Mengen an "Fischjauche" in die im Ablauf liegenden Gewässer gelangen und dort zur Eutrophierung beitragen, also deren Qualität negativ beeinflussen. Auch aus diesem Grunde wird am Kührener Teich / Kr. Plön dessen nährstoffreiches Abwasser zuvor in einer überschwemmten Niederung "geklärt", bevor es den Lanker See erreicht.
Besondere Maßnahmen zum Schutz der Rotbauchunke vor Karpfen
Dem negativen Effekt von Karpfen auf Laich und Kaulquappen wird in bestimmten Projekten Rechnung getragen. Im Naturschutzgebiet NSG Kührener Teich / Kreis Plön wurden im Zuge eines EU-Projektes von der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein Netze im Gewässer eingebracht, um vor dem Schilf Laich und Kaulquappen der gefährdeten Rotbauchunke vor eingesetzten Karpfen der extensiv betriebenen Teichwirtschaft zu schützen (Stiftungsland aktuell; pdf-Dokument).
Trotz einer Fütterung mit "Ökofutter" sind Betriebe, die etwa von Bioland zertifizierte Karpfen vermarkten, im strengen Sinne sicher nicht "ökologisch": Ein hoher Ertrag wird durch unnatürlich hohe Besatzdichten im Gewässer und ständige hohe Futtergaben erreicht. Insbesondere die gelegentlich auch hier vorgebrachte Forderung nach einer flächigen Reduzierung des Kormorans steht dabei im Widerspruch zum Öko-Anspruch der "Naturverträglichkeit".
Punktueller Schaden - punktuelle Lösung
In derartigen Teichwirtschaften kann unter den dortigen Bedingungen - künstlich erhöhter Fischbestand, hohe Futtergaben, mangelnde Fluchtmöglichkeiten der Fische, Angebot besonders vom Kormoran bevorzugter Größenklassen - punktuell ein größerer Schaden für die Teichwirtschaft und in der Fischzucht eintreten. Doch tritt dieser nicht notwendigerweise ein: "Bemerkenswert ist jedoch, dass Sachsen auch ohne Kormoranverordnung der größte Satzfischproduzent in Deutschland ist. Offensichtlich kann sich auch, in Abhängigkeit der lokalen Begebenheiten, stärkeres Engagement in der eigenen Satzfischpoduktion lohnen." (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung BLE: Karpfenbericht 2006).
Ein punktueller Schaden muss jedoch punktuell durch geeignete Maßnahmen wie einer Netzabsperrung und ggf. geeignete nicht letale Vergrämungsmaßnahmen angegangen werden. Er rechtfertigt es jedenfalls nicht, wie von brandenburgischen Fischzuchtbetrieben gefordert, flächig den Brutbestand des Kormorans im gesamten Land zu reduzieren, werden so doch vor allem auch Kormorane und ihre Kolonien getroffen, die nie in Reichweite der betroffenen Fischzuchtanlagen kommen.
Hey, ILu, akt. 13. November 2014