Der NABU ist aktiv, um unser Naturerbe zu erhalten. Damit Sie auch weiterhin heimische Tiere und Pflanzen erleben können, braucht der NABU Ihre Unterstützung - am Besten noch heute!
Jetzt Mitglied werden!Vergrämung und Abschuss des Kormorans
Möglichkeiten und Bewertung von Eingriffen
Abschuss
Am stärksten wahrgenommen und in der Öffentlichkeit auch besonders umstritten ist die Bejagung des Kormorans. Ziel ist es dabei, einzelne Tiere zu vergrämen (Vergrämungsabschuss) oder spezialisierte Kormorane zu töten bzw. die Gesamtzahl der Individuen zu reduzieren (Reduktionsabschuss). Da der Kormoran nach § 42 BNatSchG besonders geschützt ist, ist die Bejagung des Kormorans rechtlich nur ausnahmsweise möglich (s. Gesetzlicher Schutz). Mit der 2006 erlassenen Kormoranverordnung des Landes wurde die Bejagung und Vergrämung in Schleswig-Holstein aber erweitert. Ausnahmegenehmigungen sind nach der geltenden Rechtsprechung an restriktive Bedingungen geknüpft (VGH Regensburg, VGH München):
Rechtliche Rahmenbedingungen für den Abschuss von Kormoranen
- Letale Maßnahmen sind nur zu genehmigen, wenn nichtletale Maßnahmen entweder nicht erfolgreich waren, nicht durchführbar sind oder keinen Erfolg versprechen.
- Bestand und Verbreitung der betreffenden Population oder Art dürfen durch den Abschuss nicht nachteilig beeinflusst werden.
- Art. 16 Abs. 1 der FFH-Richtlinie und Art. 9 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie sowie Belange des Artenschutzes oder Verpflichtungen aus internationalen Artenschutzübereinkommen dürfen dem Abschuss nicht entgegenstehen.
- Die Maßnahme muss aus Artenschutzgründen oder zur Abwendung eines gemeinwirtschaftlichen Schadens erforderlich sein; wirtschaftliche Schäden eines Einzelnen reichen nicht aus, um eine Ausnahme zu rechtfertigen. Ein fischereiwirtschaftlicher Schaden von gemeinwirtschaftlichem Ausmaß liegt erst vor, wenn er mit negativen Auswirkungen auf die Allgemeinheit verbunden ist. Der durch den Kormoran entstehende Schaden muss so groß sein, dass er entweder die Deckung eines Bedarfs der Allgemeinheit oder die Existenz des entsprechenden Wirtschaftszweiges in der Region beeinträchtigt.
- Hobbymäßige Fischerei ist keine fischereiwirtschaftliche Tätigkeit. Für von Hobbyanglern genutzte Gewässer kann keine Abschussgenehmigung erteilt werden. Unerheblich ist, ob Investitionen in den Fischbesatz erfolgten.
- Die in manchen Bundesländern erlassenen Kormoranverordnungen sind nur dann mit § 43 Abs. 8 BNatSchG vereinbar, wenn sie die Tötung von Kormoranen im Umkreis fischereiwirtschaftlich genutzter Gewässer erlauben. Sie sind nicht anwendbar bei Gewässern, die der Hobbyfischerei dienen.
Reduktionsabschuss
In manchen Bundesländern wurden Kormorane in erheblichem Umfang getötet, um den Bestand zu reduzieren. Trotz der intensiven Bejagung (in Bayern jahrweise über 6.000 Tiere!) ließ sich die Zahl der Kormorane jedoch nicht verringern, da der Bestand sehr rasch durch Zuzug aus benachbarten Gebieten wieder aufgefüllt wird. Die Bejagung veranlasste jedoch Kormorane zu vermehrten Flugbewegungen und verursachte damit einen höheren Energieverbrauch - der wiederum zu einem gesteigerten Nahrungsbedarf führt.
In Holland, Dänemark, Schweden, Polen und der DDR zeigten derartige Maßnahmen während der Phase des Anwachsens der gesamteuropäischen Kormoranpopulation keine Wirkung, obwohl auch Nester zerstört und Nistbäume abgesägt wurden. Durch Reduktionsmaßnahmen entstehende Verluste werden auf Grund der herabgesetzten innerartlichen Konkurrenz über einen verbesserten Bruterfolg innerhalb kurzer Zeit ausgeglichen. Nach Schätzungen müssten europaweit jährlich über 100.000 Tiere getötet werden, um den Brutbestand um 25 % abzusenken. Dabei werden jedoch andere geschützte Vogelarten durch den ständigen Jagdlärm vertrieben - in EU-Schutzgebieten und Naturschutzgebieten verursacht der Abschuss somit immense, nicht hinnehmbare Beeinträchtigungen. Auf dem Großen Plöner See, einem Feuchtgebiet internationaler Bedeutung, wurden die Rast- und Mauserbestände wertgebender Entenarten durch Störungen als Kollateralschaden massiv beeinträchtigt. Reduktions- wie Vergrämungsabschüsse sind daher in der Regel aus Artenschutzgründen zu versagen.
Die Vergrämung von Kormoranen ist nur in Ausnahmesituationen gerechtfertigt. Das Töten der Tiere ist weder zur Vergrämung notwendig, noch als Maßnahme zur Bestandsreduktion Erfolg versprechend. Der NABU lehnt daher eine Verfolgung des Kormorans ab.
Position zur Bestandsreduktion
NABU Schleswig-Holstein 2006
Natürliche Regulation
Der Kormoranbestand reguliert sich demgegenüber derzeit auch in Schleswig-Holstein selbst auf ein der Lebensraumkapazität angepasstes Niveau. Störungen bewirken, dass das Binnenland verlassen, aber die Küstengewässer bevorzugt werden. Nach einer Phase des raschen Bestandanstiegs gibt es in Schleswig-Holstein stabile bis wieder leicht sinkende Brutbestände. Ursache ist zudem auch eine verstärkte Prädation durch in Schleswig-Holstein häufig auftretende Seeadler.
Vergrämung und Tötung spezialisierter Kormorane
Der Abschuss einzelner Tiere aus größeren Trupps soll die übrigen dauerhaft von dem aufgesuchten Gewässer vertreiben. Zumeist gibt es jedoch nur einen kurzfristigen Scheucheffekt. Es wird kein nachhaltiger Vertreibungseffekt erreicht. Zudem müssen ausreichend andere Gewässer als Ausweichquartiere für die Kormorane zur Verfügung stehen, an denen sie in Ruhe gelassen werden.
Kein Effekt
In einer britischen Studie aus dem Jahr 2013 wurde die Effektivität seit 1996 durchgeführter Kormoran-Abschüsse untersucht. Die Fragestellung lautete, ob auf nationaler Ebene Bestandsveränderungen der auf Binnengewässern überwinternden Kormorane mit der Intensität der Regulierungsmaßnahmen im Zusammenhang stehen. Die Auswertung erbrachte dafür keine Hinweise. Die Bestandsentwicklung in Gebieten mit und ohne Regulierungsmaßnahmen zeigte ebenfalls keinen statistisch gesicherten Zusammenhang. Das Töten von Kormoranen in einem Winter hatte auch keinen Einfluss auf die Zahl der Tiere im folgenden Jahr (Chamberlain et all. 2013).
In einer weiteren Studie zeigte sich, dass Schreckschüsse eine beträchtliche Störung darstellen und zumindest kurzfristig ähnliche Effekte wie Abschüsse hatten (Parrott et all. 2003). Das Töten der Tiere erscheint somit für eine kurzfristige Vergrämung nicht notwendig zu sein.
Nicht-letale Vergrämungsmaßnahmen
Hierunter können optische (häufige menschliche Präsenz, Lasergewehre), akustische (automatische Schießanlagen) und präventive Maßnahmen (Überspannung von Teichen) zusammengefasst werden. Vergrämungen mit "Lasergewehren" sind jedoch wegen der Risiken auch für Menschen mittlerweile fast überall nicht zugelassen. Andere Maßnahmen sind sehr zeitaufwändig oder die Vögel gewöhnen sich an die Störungen.
Für Fischteiche bis ca. 5 ha Größe eignen sich Überspannungen als präventiv wirkende Dauerlösungen. Zu beachten ist, dass sich andere Arten beim Anflug in den Schnüren verfangen können. Wurde demgegenüber ein Teich mit künstlichen Refugien für Fische ausgestattet, führte dies zu einer deutlichen Abnahme der Kormoran-Prädation (Russell et all. 2008).
ILu akt 13. November 2014
Literatur
Chamberlain DE, Austin GE, Newson SE, Johnston A & Burton NHK 2013: Licensed control does not reduce local Cormorant Phalacrocorax carbo population size in winter. J. Ornithol. DOI 10.1007/s10336-013-0938-3.
Parrott D, McKay HV, Watola GV, Bishop JD & Langton S 2003: Effects of a short-term shooting program on non-breeding Cormorants at inland fisheries. Wildl. Soc. Bull. 31: 1092-1098.
Russell I, Parrott D, Ives M, Goldsmith D, Fox S, Clifton-Dey D, Prickett A & Drew T 2008: Reducing fish losses to Cormorants using artificial fish refuges. An experimental study. Fish Manag. Ecol. 15: 189-198.
Zusammengestellt von Verena Dietrich-Bischoff. Aus: Vogelwarte 51 (2013)