Der NABU ist aktiv, um unser Naturerbe zu erhalten. Damit Sie auch weiterhin heimische Tiere und Pflanzen erleben können, braucht der NABU Ihre Unterstützung - am Besten noch heute!
Jetzt Mitglied werden!Kormorane haben natürliche Feinde!
Natur nimmt Einfluss auf den Bestand des Fischfressers
Auch Kormorane haben natürliche Feinde! Was für Biologen längst eine Binsenweisheit ist, wird heute noch immer von manchen Fischern und Anglern vehement bestritten. Nach ihrer Vorstellung verbreiten sich Kormorane "unkontrolliert". Der Bestand steige "explosionsartig" an - obwohl im Binnenland ein drastischer Rückgang festzustellen ist. Diese unberechtigte Vorstellung dient als Begründung dafür, sich mit dem Abschuss von alten Kormoranen, aber auch der Störung der brütenden Tiere in das Fortpflanzungsgeschehen der Kormorane einzumischen, um so den Bestand vorgeblich zu 'managen', damit aber den unwillkommenen Fischfresser ganz aus Schleswig-Holstein zu vertreiben.
Beobachtungen widerlegen Vorurteile
Der NABU stellt den Behauptungen seine Beobachtungen über natürliche Feinde des Kormorans gegenüber, die anlässlich der nun im vierten Jahr laufenden Live-Überwachung der Wallnauer Kormoran-Kolonie mit Hilfe von Internet-Webcams gemacht werden konnten. Diese zeigen, dass seitens verschiedener Prädatoren auf die Kolonien ein erheblicher Druck ausgeübt wird, der den Bruterfolg des Kormorans deutlich beeinflussen kann - bis hin zum Total-Ausfall seiner Brut.
Der Seeadler
Gefahr für Eier, Alt- und Jungvögel
Seeadler wurden am 14. Juli 2011 erstmals vor der Webcam der Wallnauer Kolonie beobachtet, als ein Paar zum Ende der Brutzeit auf dem Wasser erfolgreich Jagd auf eben flügge gewordene junge Kormorane machte. Blieb dies in diesem Jahr ein Einzelfall, nahm im folgenden Jahr 2012 dann die Beobachtung von Seeadlern drastisch zu. Mitte April 2012 gelang es erstmals, Seeadler beim Fressen von Kormoran-Eiern zu beobachten. Dieses Verhalten war zwar schon in älteren Veröffentlichungen beschrieben, aber noch niemals dokumentiert worden. Insgesamt kamen 2012 wohl mindestens zehn Adler zu Beobachtung, von denen vier markiert waren.
Indirekte Auswirkungen
Neben der direkten Beseitigung von Eiern durch die Adler „halfen“ bei der massiven Störung in der Kolonie auch Silbermöwen und Rabenkrähen, die unbewachten Nester zu plündern. Spannend zu sehen war, wie die Kormorane trotz der anwesenden Adler so lange wie irgend möglich versuchten, die Nester vor dem Zugriff zu bewachen, selbst wenn ein Adler sich nur wenige Meter von der Kolonie entfernt aufhielt. Die Nordkolonie wurde aber im Jahr 2012 nach einer mutmaßlichen Adlerattacke komplett verlassen. Im Süden der Insel wurden wegen der starken Prädation nur rd. 30 junge Kormorane flügge. Kormorane können aber – wie sich zeigte - so verlorene Eier in gewissem Umfang durch Nachlegen ersetzen.
Der Einfluss von Seeadlern auf den Bruterfolg ist jahrweise groß. Dies vor allem, da ihr Erscheinen die Kormorane zur Flucht veranlassen kann und so Möwen Zugriff auf die Nester erhalten. Im Umfeld der Kolonie können Alt- wie flügge Jungvögel erbeutet werden.
Die Silbermöwe
Beständige Nadelstiche des Eierräubers
Silbermöwen spielen in den ersten Wochen der Brutzeit eine entscheidende Rolle für die Größe des Bruterfolgs der Kormorane, da sie es vor allem auf Eier und zumeist kleine Jungvögel abgesehen haben. Kaum ein Gelege im Randbereich der Kolonie entgeht im Laufe der Brutzeit ihrem geschickten Zugriff: Selbst die kurze Brutablösung zwischen Männchen und Weibchen auf dem offenen Nest wird von den im Umfeld der Kolonie lauernden Möwen genutzt, um sich geschickt eines Eis zu bemächtigen. Sofern sich irgendwo eine Gelegenheit ergibt, sind die Silbermöwen also schnell zur Stelle. Schlecht für sie: Ihre eigenen unbewachten Nester und Jungvögel fallen allerdings selbst manchen Attacken zum Opfer.
Bevorteilt sind Kormoran-Gelege in zentraler Lage umgeben von anderen Nestern mitten in der Kolonie oder generell an erhöhten Standorten wie Büschen oder auf den Kamera-Stativen. Nester werden hier auch deutlich bevorzugt angelegt. An solchen Orten fällt es den Möwen wegen der offensichtlich mangelnden Erreichbarkeit schwerer, auf eine Gelegenheit zum Eierzugriff zu warten. Nur wenn es zu größeren Störungen in der Kolonie kommt, bei denen die Kormorane ihre Nester komplett verlassen, treten auch hier Totalverluste auf.
Silbermöwen vertreiben alte Kormorane nicht aktiv vom Nest oder töten sie gar. Letztere drohen sogar den Möwen, kommen diese dem Nest zu nahe. Auch die stärkere, regelmäßig mit einem Paar hier brütende Mantelmöwe - obwohl körperlich dazu wohl in der Lage - attackierte bislang brütende Vögel nicht.
Es hängt also sehr vom Geschick und der Erfahrung eines Brutpaares ab, ob es einem Brutverlust entgehen kann. Dies dürfte ein Grund dafür sein, dass jüngere Kormoran-Paare zumeist einen schlechteren Bruterfolg haben.
Auch Graugänse betroffen
Auch die ebenfalls auf der Insel brütenden Graugänse erleiden vor allem zu Beginn der Brutzeit deutliche Verluste durch Silbermöwen. Sie verlieren dabei aber nicht nur einzelne Eier, sondern im Gegensatz zu den Kormoranen oftmals ihre Gelege vollständig. Der Grundliegt darin, dass sich Graugans-Männchen entgegen denen des Kormorans nicht an der Brut beteiligen. Sie bewachen zwar das brütende Weibchen, setzen sich aber nicht auf die Eier, wenn ihre Partnerin den Nistplatz zur Nahrungssuche verlassen muss. Sie folgen stattdessen dem Weibchen zum Fraßplatz. Das Gelege ist gerade dann, wenn die Vegetation witterungsbedingt noch schütter ist, leicht zu entdecken und dann offen zugänglich. Nur wenn das große Nest im Schutz dichter werdender Pflanzenbestände angelegt und durch das Weibchen vor dem Verlassen zugedeckt worden ist, hat es eine Chance, unberührt zu bleiben.
Der Einfluss von Silbermöwen auf den Bruterfolg vor allem am Boden brütender Kormorane ist in jedem Jahr groß. Altvögel sind nicht gefährdet.
Der Fuchs
Nicht nur auf dem Boden aktiv
Der 21. Juni 2011 wird für einige späte Jungvögel in der Kormoran-Kolonie zu einem schicksalhaften Tag. Vormittags erreicht ein Fuchs die Niststätten dieser Vögel, in denen die Jungen allerdings nahezu flügge sind, sich aber noch in der Nähe ihrer Nester am Boden oder in mannshohen Sträuchern aufhalten. Innerhalb von zwanzig Minuten finden mehrere Jungvögel den Tod. Schon Mitte Juni hatte sich an wenigen Tagen ein einzelner Fuchs kurzfristig auf den Weg zur Kormoran-Insel gemacht, dabei augenscheinlich aber nur wenige Jungvögel gefangen und getötet. Viele der jungen Kormorane sind zu diesem Zeitpunkt fast flügge, nicht wenige auch schon flugfähig. Die in Bodennestern aufgewachsenen Jungvögel fliehen daher kurz entschlossen ins Wasser - wohl auch zuvor gewarnt durch die anwesenden Silbermöwen. Dort sind sie für den Fuchs unerreichbar. Die Kormorankolonie bleibt in den folgenden Stunden verwaist. Mehr als einen Jungvogel bekommt der Fuchs mit dieser Überfall-Taktik jedoch nicht zu fassen. Nach einiger Zeit rücken die Jungtiere in alter Gewohnheit wieder aus dem Wasser zurück in die Kolonie. Die nur wenige Tage dauernden Übergriffe des Fuchses auf die jungen Kormorane erscheinen dann schnell vergessen, zumal der Fuchs vermutlich nicht für längere Zeit auf der Insel bleibt, sondern sich wieder aufs Festland zurückzieht. Die in den über mannshohen, abgestorbenen Strauchruinen in bis zu drei Metern Höhe aufgewachsenen Jungvögel scheinen dagegen sicher. Sie bleiben in diesen Tagen unbehelligt.
Ende Juni 2011 aber erreicht der Fuchs erneut die Insel und beginnt sich auch für die "Strauch-Kormorane" zu interessieren. Zunächst umstreift er den Busch, dann springt er auf die unteren Nester. In Panik fliehen die ersten Kormorane direkt in die Pfoten des Fuchses, der sie sofort tötet. Die übrigen Jungvögel klettern immer höher hinauf. Doch auch dort sind sie nicht sicher - denn 'Fuchs' kann ebenfalls klettern! Etappenweise geht es immer weiter von Nest zu Nest den Baum hinauf - sein Treiben wird ängstlich verfolgt von den Jungtieren, die, wenn sich der Fuchs nähert, ebenfalls in Panik abspringen. Der flatternde Sturz nutzt jedoch wenig - der Fuchs springt hinterher und ist in aller Regel der Schnellere. Entgegen der vielfach verbreiteten Ansicht, dass ein Fuchs in 'Mordlust und Blutrausch' verfällt, geht er überraschend ruhig und überlegt vor. Einzeln pflückt er sich die jungen Kormorane wie reifes Obst vom Baum - nur wenige entkommen, wenn mehrere Jungvögel zugleich springen, der Fuchs sich aber nur einem der Flüchtigen widmen kann. Getötete Tiere werden zunächst an einer Stelle unter dem Baum deponiert, dann aber in der nächsten Zeit von der Insel weggeschleppt. Auch im Winter 2012 / 2013 verbringt ein Fuchs – über das Eis das Gebiet erreichend - mehrfach seine Zeit auf der Insel und ruht sich sogar offen im Schnee aus. Vermutlich ist er auf der Suche nach Wühlmäusen, die gehäuft auf der Insel vorkommen.
Fuchs 2013
Auch am 7. Juni 2013 konnte mit der Webcam das Verhalten des Räubers online auch auf der Internetseite live verfolgt werden, da sein Eindringen vom Kamera-Team rechtzeitig bemerkt wurde. Erstaunlich war, wie der Fuchs anfangs vor allem seine Vorliebe für Kormoran-Eier zeigte. Die noch in den Nestern anwesenden Jungvögel wurden weitgehend ignoriert. Ei für Ei holte sich Reineke Fuchs aus den wenigen Bodennestern, in denen noch keine Jungvögel geschlüpft waren. Vorsichtig, ohne die Eier zu öffnen, griff er dabei mit seinem Maul zu, lief langsam weg und verscharrte seine Beute anschließend in nahegelegenen Verstecken. Erst zum Schluss spürte er am Rande der Kolonie junge Kormorane auf und tötete diese. Ein großer Teil der Jungvögel blieb jedoch zunächst unbehelligt. Sie tötete er erst bei Besuchen in den kommenden Tagen, so dass schließlich – fast – kein Jungvogel im Norden und Süden der Insel überlebte. Aus anderen Untersuchungen ist die hier beobachtete starke Vorliebe des Fuchses für Eier allerdings bereits bekannt.
Stöbern nach jungen Möwen und Enten
Nach dem „Diebstahl“ der Eier stand vor allem das Stöbern in der dichten Vegetation auf seinem Programm. Ausgiebig durchsuchte er die Dickungen, offensichtlich auf der Suche nach gegenüber Kormoranen wohl schmackhafterer (?) Beute. Dabei tötete er mehrere der anwesenden jungen Möwen. Vor den Augen der Kamera fing der Fuchs auch eine brütende Stockente vom Gelege und begann kurze Zeit später, sie zu verspeisen. Weitere Opfer stehen zu vermuten, blieben aber von den Kameras unentdeckt, die die Insel und ihren dichten Bewuchs nicht komplett überwachen können.
Mehrere Tage zu Besuch
Spannend blieb es für die Beobachter, ob der Fuchs wie vor zwei Jahren in der Folge auch die Sträucher der Insel besteigen würde. Doch die erhöhten Standorte blieben unangetastet, genauso wie die Nester auf dem südlichen Kamerastativ.
Möglicherweise sind dem Fuchs künstliche Bauwerke fremd und unheimlich. Sie mögen ihn an "gefährliche" menschliche Einrichtungen wie Fallen erinnern, mit denen er zuvor bereits unangenehme Erfahrungen gemacht haben könnte. Bei Kormoranen sind diese Standorte aber umgekehrt zur Rast und Brut besonders beliebt.
Tagaktiv
Auffallend ist, dass dieser Fuchs wie schon 2011 offensichtlich das Tageslicht nicht scheut. Im ebenfalls vom NABU betreuten NSG Graswarder bei Heiligenhafen/Ostsee versuchen Füchse nach Ergebnissen der dortigen Infrarot-Beobachtung nur in der absoluten Dunkelheit der Nacht, die dort eingesetzten Schutzzäune für die Brutkolonien zu überwinden. Die Wallnauer Brutinsel am Informationszentrum wurde dagegen in diesem Jahr ebenfalls tagsüber geplündert. Offensichtlich passt sich der Fuchs mit seinem verhalten an den herrschenden Jagddruck an: Am Rande des Graswarders werden Füchse mit dem Gewehr bejagt und sind daher nur nachts aktiv, in Wallnau können sie sich auch tagsüber ins Freie begeben, da sie dort nicht bejagt werden!
Der Einfluss des Fuchses auf den Bruterfolg bodenbrütender Kormorane ist jahrweise und zeitenabhängig groß. In der Brutzeit kann er vermutlich die Ansiedlung von Kormoranen allein durch seine Anwesenheit verhindern. Altvögeln dürfte er nur nachts gefährlich werden können.
ILu akt. 2. August 2013