Alter Kormoran schaut in die Kamera - Foto: Ingo Ludwichowski / NABU Wallnau-Webcam
Brutbestand des Kormorans: Stagnation
Verlagerung von Binnenland und Ostsee an die Westküste
Starke Verfolgung
Der Kormoran gehört zu den Vogelarten, die als vermeintliche Nahrungskonkurrenten bis heute vom Menschen stark verfolgt werden. Die bestehende Kormoran-Verordung aus dem Jahr 2006 erlaubt weiterhin massive Eingriffe in die Kolonien. Um die Jahrhundertwende war die Festlandunterart des Kormorans, Phalacrocorax carbo sinensis, aus weiten Teilen Europas als Brutvogel verschwunden.
Erste Brutversuche am Großen Plöner See
Von den Niederlanden und Polen aus, wo sich kleine Brutkolonien halten konnten, siedelten sich in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wieder Kormorane in Dänemark, Schweden, Ostdeutschland und Niedersachsen an. In Schleswig-Holstein war der Kormoran Ende des vorletzten Jahrhunderts als Brutvogel ausgestorben. 1890 wurde die letzte Ansiedlung am Flemhuder See beim Bau des Nord-Ostsee-Kanals vernichtet. Erst 1982 kam es, als Folge verbesserter Schutzbestimmungen und günstiger Nahrungsbedingungen, zum ersten Brutversuch am Großen Plöner See und 1983 zur ersten Koloniebildung im Naturschutzgebiet Selenter See (PLÖ).
Aus dem Brutleben der Kormorane
Im Binnenland scheint die Erschließung neuer Nahrungsressourcen durch eine veränderte Jagdstrategie, der Schwarmjagd, den Populationsanstieg des Kormorans erst ermöglicht zu haben, während die Kormorane an der Küste auch weiterhin ganz überwiegend einzeln jagen.
Zunahme nur an der Nordseeküste - Abwärtstrend im Binnenland und an der Ostsee
Vielfach wird behauptet, der Bestand des Kormorans zeige in Schleswig-Holstein ein unbegrenztes Wachstum. Das Gegenteil ist der Fall: Seit 1995 ist der Gesamtbestand in etwa gleichgeblieben, nach In-Kraft-Treten der Kormoranverordnung 2006 im Binnenland und an der Ostseeküste u.a. durch Vergrämungsmaßnahmen sogar deutlich gesunken. Der Brutbestand verlagerte sich dabei vom Binnenland und der Ostseeküste in den Nordseebereich. Im Jahr 2012 nisteten in Schleswig-Holstein 2.474 Kormoranpaare an 14 Brutplätzen. Über 50 % (1.249 Paare) leben heute an der Nordseeküste / Unterelbe. Weniger als 20 % (463 Paare) leben im Binnenland, davon allein 392 Paare am im Privatbesitz einer Naturschutzstiftung befindlichen Güsdorfer Teich (PLÖ). Dies ist neben einem Brutplatz in Wyk auf Föhr (Wattenmeer-Bestand) eine der größten Kolonien im Land.
Binnenland
Der Bestand im Binnenland, dem immer wieder zu Unrecht eine Schadwirkung auf die Erwerbsfischerei nachgesagt wird, liegt heute mit 463 Paaren deutlich unter dem für das Jahr 1995 festgestellten Maximum von 1.250 Brutpaaren.
Ostseeküste
Seit 2004 brüten Kormorane im NABU Wasservogelreservat Wallnau. Der bodenbrütende Bestand hat dort unter dem Einfluss von Seeadlern und Füchsen in den letzten Jahren drastisch abgenommen. Die größte Kolonie an der Ostseeküste befindet sich am Hemmelmarker See (RD) mit 355 Paaren. Der Gesamtbestand nimmt fast kontinuierlich ab.
Westküste
Die Zunahme des Brutbestandes an der Unterelbe und im Wattenmeer ist deutlich erkennbar. Die Kolonie in der Haseldorfer Marsch (PI) beherbergte im Jahr 2012 nun 431 Paare. An den Klärteichen bei Wyk auf Föhr (NF) lag der Bestand im Jahr 2012 bei 380 Paaren, auf der Insel Trischen (HEI) brüteten im selben Zeitraum 431 Paare.
Bestandsbeeinflussung durch Seeadler
In Schleswig-Holstein haben Seeadler einen entscheidenden Einfluss auf die Verteilung der Paare und deren Bruterfolg. Heute nehmen Kormorane vor allem durch die massive Vergrämung in den Kolonien im Binnenland drastisch im Bestand ab. Viele Brutplätze sind mittlerweile unter dem Einfluss der großen Greife verwaist, so die alte Kolonie am Selenter See. Auch die Kolonie am Heidensee (PLÖ) ist seit dem Jahr 2008 störungsbedingt verlassen. Nur das Naturschutzgebiet Stoffsee (RD) und der Kuhlsee (OH) beherbergen im Binnenland noch einige wenige Brutpaare. Umsiedlungen und Bestandsrückgänge sind offensichtlich auf Vergrämungsmaßnahmen zurückzuführen. Erwerbsfischer stören zu Beginn der Brutzeit seit langem massiv die Wiederbesetzung und Neugründung von Kolonien.
Natürliche Bestandsregulation
Seeadler sind Teil der natürlichen Regulation des Bestandes, die manche Kolonien im Binnenland zum Erlöschen bringen und Kormorane periodisch zum Umsiedeln zwingen. Sie erbeuten die Eier und Jungvögel von Kormoranen, können aber auch Alttiere schlagen.
Beobachtungen auf der Plöner Seenplatte zeigen, dass als Folge von Vergrämungsmaßnahmen zu Beginn der Brutzeit Kormorane umsiedeln oder - zumeist vergeblich - neue Kolonien zu gründen versuchen. Es steht auf Grund des starken Verfolgungsdruckes zu erwarten, dass die Art langfristig - von wenigen geschützten Kolonien in Naturschutzgebieten abgesehen - als Brutvogel aus dem Binnenland als ihrem ursprünglichen und charakteristischen Lebensraum verschwinden wird.
ILu akt. 13. November 2014
Quellen
- Div. Jagd- und Artenschutzberichte des Umweltministeriums Schleswig-Holstein