Wie der Kormoran nach der Ausrottung wieder eingewandert: Seeadler - Foto: Christoph Kasulke
Kormoran: Ein eingewandertes Monster?
Archäologische und historische Befunde zum Vorkommen des Kormorans in Schleswig-Holstein
"Fremdling" oder heimisch?
Vielfach wird in unseriöser Art offenbar auf die Vorbehalte vieler Menschen gegenüber "dem Fremden" eingegangen und man zeichnet das Negativ-Image eines Vogels, "der als Einwanderer unsere Heimat verfälscht und ausbeutet".
Wissenschaftlich belegt - Kormoran ist heimische Art
Dass der Kormoran, wissenschaftlich zweifelsfrei belegt, in Norddeutschland eine heimische Art ist, ist seit langem bekannt. Denn nicht zuletzt auf entsprechende Anfrage der Fischer wurde im Auftrag des Umweltministeriums in Kiel eine Studie "Zum vor- und frühgeschichtlichen sowie neuzeitlichen Vorkommen des Kormorans, Phalacrocorax carbo, in Schleswig-Holstein und angrenzenden Gebieten" erstellt (download siehe unten). In der Studie wurde aufgrund von Knochenfunden an alten Siedlungsplätzen sowie nach Auswertung historischer Dokumente und Quellen ein durchgehendes Vorkommen des Kormorans bis zu seiner Ausrottung Mitte des 19. Jhdt. bewiesen. Seit mindestens 7.000 Jahren ist der Kormoran eine in Europa heimische Vogelart, belegt u.a. durch Funde von Kormoranknochen aus der Beute steinzeitlicher Jäger in Dänemark.
"sinensis" = fremdländisch?
Der wissenschaftliche Name der in Mitteleuropa im Binnenland auftretenden Unterart Phalacrocorax carbo sinensis wird gelegentlich als Beleg dafür angeführt, dass diese Unterart bei uns früher nicht vorgekommen sei. Schließlich deute der Name an, dass dieser Vogel aus China komme, wo er tatsächlich auch verbreitet auftritt. Nur die Unterart Phalacrocorax carbo carbo sei bei uns heimisch. Diese brütet vor allem an den Felsküsten des Atlantik von Norwegen bis Frankreich, ist aber in manchen ökologischen Parametern deutlich unterschieden. Wie ist diese Argumentation zu deuten?
In der Ordnung der Lebewesen haben sich Systematiker Regeln gegeben, um Arten eindeutig benennen zu können. So hat keine Art oder Unterart von Pflanzen oder Tieren denselben wissenschaftlichen Namen. Wurde ein Lebewesen bereits beschrieben, fälschlicherweise dann erneut etwa auf einem anderen Kontinent unter einem anderen Namen erfasst, so hat nur der Name der Erstbeschreibung Bestand. In der Wahl des Namens ist der Wissenschaftler dabei innerhalb dieser Regeln weitgehend frei. Daher kommen manch kuriose Namen zustande. Häufig werden verdiente Wissenschaftler geehrt.
Phragmites australis würde man - der falschen Argumentation folgend - dem wissenschaftlichen Namen nach der australischen Flora zuschreiben. Ist die Art daher in Europa nur eingebürgert worden? Mitnichten: Hinter der auf eine angeblich fremde Herkunft deutenden Bezeichnung verbirgt sich das bei uns schon immer weit verbreitete - Schilf / Schilfrohr! Vom Namen auf biologische Parameter zu schließen ist daher hoch problematisch: Der Alpenstrandläufer Calidris alpina kommt gar nicht in den Alpen vor. alpina kennzeichnet jedoch zutreffend seinen alpin geprägten Lebensraum in Skandinavien. Doch brüten nicht alle Unterarten dieser Art wirklich alpin, C. a. schinzii sogar an der Nord- und Ostseeküste.
Kuriositäten zeitigt auch die Übersetzung von Artnamen. Die Silbermöwe Larus argentatus heißt in englischer Sprache "Herring gull". Im Deutschen ist die Heringsmöwe aber eine ganz andere Art Larus fuscus. Namen sind oftmals also "Schall und Rauch" und kein zuverlässiger Hinweisgeber auf biologische Zusammenhänge.
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Mitte letzten Jahrhunderts bei uns eingewandert: Die Türkentaube - Foto: Frank Derer
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Zuwanderer aus dem Osten: Karmingimpel - Foto: Lothar Sielmann
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Der Gänsegeier mag wieder wie im Mittelalter bei uns heimisch werden - Foto: Frank Derer
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Schon seit längerem 'Neubürger' in Schleswig-Holstein: Girlitz - Foto: Ingo Ludwichowski
Neu oder nach langer Zeit eingewanderte Vogelarten
Vogelfauna verändert sich
Schon lange bekannte Fakten, die aber von fischereilicher Seite aus durchsichtigen Gründen immer wieder in Frage gestellt werden. Im Zuge von Klimaveränderungen und Expansionen zuvor nicht heimischer Arten hat sich im übrigen die Vogel-Fauna Mitteleuropas immer wieder verändert. Beispiele sind etwa die Türkentaube (aus Kleinasien kommend seit etwa 1930) oder der Girlitz (Beginn des 20. Jahrhunderts aus dem Mittelmeergebiet), die ihr Areal deutlich nach Mitteleuropa ausgeweitet haben, wohl bedingt durch artliche Anpassungen, aber teils wohl auch durch Klimaänderungen. Im Zuge letzterer Faktoren wird sich das Areal vieler Arten nach Norden erweitern oder verschieben. Dies gilt aktuell etwa für den Gleitaar, ggf. (wieder) für Schlangenadler und Gänsegeier. Rechtlich sind auch diese Arten in Europa geschützt. Sie genießen wegen ihrer Zuwanderung keinen schlechteren Schutzstatus, auch wenn sie von interessierter Seite dann als "Schadvögel" eingestuft werden sollten. Auch der Seeadler war wohl kurzfristig nach starker Verfolgung in Schleswig-Holstein als Brutvogel verschwunden, hat das Gebiet wie der Kormoran dann aber wiederbesiedelt.
Auch ökologisch betrachtet ist eine Differenzierung zwischen einheimischen und zugewanderten Arten nicht sinnvoll. Tierarten passen sich veränderten klimatischen und Nahrungsbedingungen immer an und verändern dementsprechend auch ihr Verbreitungsareal. Ist eine ökologische Nische frei geworden oder neu entstanden, wird sie nun genutzt - ein in der Biologie vollkommen normaler, naturhistorisch betrachtet sogar üblicher, trivialer Vorgang.
Dem Thema "heimisch oder nicht-heimisch" wird vor diesen Hintergrund ein viel zu großer Raum in der Diskussion um den Kormoran eröffnet.
ILu akt. 13. November 2014
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