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Jetzt Mitglied werden!Kormoranverordnung
Rechtsbeugung auf hohem Niveau
Ergebnis war eine neue, Anfang 2006 unterzeichnete Kormoranverordnung. Diese erlaubt den Abschuss von Kormoranen vom 1. August bis zum 31. März außerhalb von Naturschutzgebieten, Nationalpark und EU- Vogelschutzgebieten (wobei es für letztere allerdings mehrere Ausnahmen gibt), richtet also quasi eine Jagdzeit mit lokalen Einschränkungen ein. Weiterhin darf außerhalb von Naturschutzgebieten und Nationalpark, aber innerhalb der EU-Vogelschutzgebiete, die Wiederbesetzung oder Neugründung von Brutkolonien und Schlafplätzen durch Störungen verhindert werden.
Fachlich und rechtlich unbegründet
Fachlich wie rechtlich lassen sich derart drastische Eingriffe in den Kormoranbestand nicht begründen. So kam denn auch das Ministerium bald in erhebliche Erklärungsnöte, die es erfolglos zu überspielen versuchte. Gemäß § 42 Bundesnaturschutzgesetz, der die Vorgaben der EU- Vogelschutzrichtlinie umsetzt, ist der Kormoran als "besonders geschützte Art" grundsätzlich von Verfolgung jeglicher Art zu verschonen, Ausnahmen sind nur nach § 43 BNatSchG "zur Abwendung erheblicher ... fischereiwirtschaftlicher ... gemeinwirtschaftlicher Schäden" bzw. "zum Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt" zulässig. An den diesbezüglichen Nachweisen scheiterte das Ministerium auf ganzer Linie: In der Begründung zum Verordnungsentwurf räumte es freimütig ein, dass "fischereiliche Schäden durch Kormorane bislang nicht im Einzelnen belegt" seien. Um dennoch einen Grund für die erhebliche Dezimierung des Kormoranbestands präsentieren zu können, wurden angebliche "gemeinwirtschaftliche Schäden" schlichtweg "unterstellt", weil "Kormorane in den entsprechenden Gewässern nach Nahrung suchten". In diesem Zusammenhang verwies das MLUR auf das seit 15 Jahren durchgeführte Kormoranmonitoring, übersah dabei aber das nahrungsökologische Ergebnis dieser Untersuchungen, nämlich dass sich Kormorane an den Binnenseen zu 95 % von wirtschaftlich uninteressanten Kleinfischen, jungen Barschen und Weißfischen ernähren. Um den Verordnungsentwurf nicht vollends zum Gespött werden zu lassen, fabrizierte das Fischereireferat im Ministerium noch schnell einige Modellrechnungen, mit denen die angeblich großen finanziellen Einbußen der Fischer belegt werden sollten. Die Berechnungen wiesen jedoch eine Vielzahl gravierender Fehler auf, so zum täglichen Nahrungsbedarf des Kormorans, zum Fangausfall sowie zu den Vermarktungspreisen und damit letztlich zur monetären Bewertung der Fischverluste, dass sie selbst vom Minister bald nicht mehr hoch gehalten wurden.
... fischereiliche Schäden durch Kormorane bislang nicht im Einzelnen belegt ...
Begründung Kormoranverordnung
MLUR 2005
"Gefährdung ... theoretisch möglich ..."
Das Ministerium räumte im Begründungstext zwar ein, dass eine Gefährdung "anderer besonders geschützter heimischer Tierarten durch Kormorane bislang nicht belegt" sei. Es meinte aber, die Rechtmäßigkeit der Verordnung auf die haarspalterische und fachlich unhaltbare Behauptung stützen zu können, dass "theoretisch an einzelnen Gewässern durchaus Gefährdungen auftreten könnten". Das LANU als für derartige Fragen des Artenschutzes zuständige Fachbehörde bezeichnete denn auch diese Annahme folgerichtig als "unbegründet".
Eine von der Fraktion der Grünen initiierte Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Landtags, ein auf Anregung des NABU erstelltes Rechtsgutachten des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle sowie ein juristischer Fachbeitrag in Natur und Recht (Ausgabe 9/2006) zeigten in aller Deutlichkeit die Unvereinbarkeit des Verordnungsentwurfs mit nationalem wie auch mit europäischem Recht auf. Wohl wissend, dass sie nicht gerichtlich beklagt werden kann, setzte der Minister die Verordnung mit geringfügigen Änderungen gegenüber dem Entwurf in Kraft. Bereits 2007, als die groß angelegte Vergrämung zum ersten Mal zulässig war, zeigte sich, dass der Brutbestand vor allem der binnenländischen Kormorankolonien, von denen nur noch zwei größere existieren, deutlich zurückgegangen ist.
Kein wirtschaftlicher Erfolg
An der wirtschaftlich problematischen Situation der Binnenfischerei ändert die Kormoranverfolgung bis heute nichts. Denn die wird durch Importe und veränderte Verbraucheransprüche bestimmt, bei denen in heimischen Seen gefangene Fische einen zunehmend geringeren Stellenwert einnehmen, wie die Fischereiwirtschaft in ihren Statistiken selbst offenbart. Der Einfluss des Kormorans ist demgegenüber marginal.
22. August 2008
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