Küstenschutz an der Ostsee: Ohne Naturschutz geht es nicht!
Wiederaufbau nach der Ostsee-Sturmflut neu denken
Neumünster 18.12.2023 – Die großen materiellen Schäden durch die Sturmflut entlang der Ostsee im Oktober haben deutlich vor Augen geführt, welche Auswirkungen Extremwetter an der Küste bereits heute hat. Angesichts der Prognosen aus der Klimaforschung ist es leicht vorstellbar, welche Folgen zukünftige Stürme auch an der Ostsee bei weiter ansteigendem Meerespiegel haben werden.
Der Sturm hat aber nicht nur touristische Infrastruktur, Segelboote, Campingsplätze und Deiche zerstört, sondern auch Naturschutzgebiete teils regelrecht verwüstet. Dünenketten wurden abgetragen oder vollkommen von Wellen aufgerieben, Zäune und Markierungen zur Abgrenzung von Schutzgebieten sind schlicht verschwunden.
Steigt zukünftig der Meeresspiegel, wird die Fläche der Naturschutzgebiete an der Küste noch kleiner als ohnehin schon. Innerhalb derer nehmen gesperrte Strandabschnitte – wie am Krummsteert auf Fehmarn, dem Graswarder bei Heiligenhafen oder dem Bottsand bei Kiel – insgesamt weniger als 16 Kilometer der schleswig-holsteinischen Ostseeküste ein. Doch die Schutzgebiete spielen eine zentrale Rolle beim Erhalt der Artenvielfalt an der Küste: Wo, wenn nicht dort, finden die an Strand und in Dünen beheimateten, stark bedrohten Tier- und Pflanzenarten einen ungestörten Rückzugsort? Bereits jetzt kann selbst dort ihr Überleben kaum noch gewährleistet werden, die Zahl der vom Aussterben bedrohter Arten nimmt zu.
Vor diesem Hintergrund sieht es der NABU mit Sorge, dass bei der Diskussion um die Beseitigung der Sturmflut-Schäden implizit der Ansatz verfolgt wird, alles an Infrastruktur wieder so aufzubauen, wie es vorher war. Der Schutz der Natur – und auch der Zweck des Naturschutzes, nämlich die Biodiversität zu erhalten – scheint bei allen Rechenspielen um benötigte Geldsummen und Sondervermögen aus dem Fokus verschwunden zu sein.
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Das vom NABU SH betreute NSG Schwansener See nach der Sturmflut vom 21.10.2023 | Der Sand der Dünen ist fortgeschwemmt, weit in die Salzwiesen der Lagune | Foto: Thomas Behrends
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NSG Schwansener See: Aus der Ostsee ist grobes Geröll bis zu einem ¾ m hoch aufgespült, d.h. die ehemalige Düne ist nun ein Strandwall | Foto: Thomas Behrends
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Das vom NABU SH betreute NSG Bottsand nach der Sturmflut vom 21.10.2023 | Der Dünenkamm ist teilweise stark abgetragen und besteht jetzt aus einer Steilkante. Das gebiet ist vollständig vom Wasser umspült worden, d.h. auch „hintenherum“ entlang des Landesdeiches. Die Halbinsel Bottsand wurde so kurzfristig zur Insel. | Foto: Thomas Behrends
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NSG Bottsand nach der Sturmflut 2023 | Die Sturmflut hat nahezu das gesamte NSG überschwemmt. In der Langune und den Salzwiesen ist lediglich das Wasser gestiegen, ohne etwas zu verändern. | Foto: Thomas Behrends
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NSG Bottsand nach der Sturmflut 2023 | Der Strand wurde gänzlich abgeräumt, sehr viel Sand abgetragen, die Düne auf ca. 80 m Länge durchbrochen, das Hinterland, also die Dünentrockenrasen überschwemmt. | Foto: Thomas Behrends
Damit die Naturschutzgebiete an der Ostseeküste auch künftig ihre Aufgaben und Ziele im Sinne des Artenschutzes erfüllen können, stellt der NABU an den zukünftigen Umgang mit der Ostseeküste folgende Forderungen:
- Die Naturschutzgebiete an der Küste dürfen weder durch touristische Nutzung noch durch Maßnahmen zum Küstenschutz weiter eingeengt werden. Vielmehr muss mehr Raum für die natürliche Küstendynamik geschaffen und den zumeist nur noch sehr schmalen Küstenbiotopen landseitig genügend Raum zum ,Zurückweichen‘ gewährt werden. Dafür muss ggf. auch touristische Infrastruktur rückverlegt bzw. nur eingeschränkt wieder aufgebaut werden.
- Ein zukunftsfähiges, d.h. ein für vermehrt auftretendes Ostseehochwasser gerüstetes Küstenschutzkonzept darf nicht nur auf den Schutz von Siedlungen und touristischer Infrastruktur ausgerichtet sein, sondern muss auch die Belange des Naturschutzes im Fokus haben. Deshalb dürfen die wenigen verbliebenen naturnahen Dünen- und Strandwallbereiche nicht mit künstlichen Befestigungen oder Steinanschüttungen befestigt werden. Auch auf eine massive Befestigung der Steilküsten ist weiterhin zu verzichten.
- Eingriffsvorhaben, und dazu zählen auch Maßnahmen zum Küstenschutz, müssen bilanziert und genehmigt werden, wie es geltendes Naturschutzrecht verlangt. Schleswig-Holstein muss seine nationale Schutzverantwortung für die Biodiversität an der Ostseeeküste übernehmen und notwendige Kompensationsmaßnahmen auch zukünftig umsetzen.
Stand: DSt, 21.02.2024