Familienidylle bei der Zwergseeschwalbe: Eine ungestörte, erfolgreiche Jungenaufzucht ist für die hochgefährdeten Strandbrüter praktisch nur noch in Naturschutzgebieten sowie mit weiteren Hilfsmaßnahmen möglich. - Foto: Rene Schaack
NSG Bottsand an der Kieler Außenförde
Bilanz nach 50 Jahren Küstenvogelschutz
Seit der NABU 1961, damals noch als Deutscher Bund für Vogelschutz (DBV), die Betreuung des an der Kieler Außenförde gelegenen Naturschutzgebietes „Bottsand“ übernommen hat, ist die Beobachtung der auf dem Nehrungshaken brütenden Strandbrütern immer eines der wichtigsten Anliegen gewesen. Damals betrug die Landfläche der Nehrung etwa die Hälfte der heutigen 35 Hektar. Seitdem sind jährlich große Sandmengen von der Strömung und Stürmen herantransportiert worden und haben breite Strände und Dünen gebildet. Diese sich immer neu bildenden Sand- und Schotterflächen wurden viele Jahre lang von Strandbrüter wie Küsten- und Zwergseeschwalben, Sandregenpfeifern, Rotschenkeln und Austernfischern als Brutbiotop aufgesucht. Hinter den breiten Strandflächen blies der Wind bis zu fünf Meter hohe Dünenketten auf und formte so das heutige Landschaftsbild. Aufgrund der fortschreitenden Sukzession finden hier gegenwärtig allerdings im Wesentlichen nur noch Feldlerchen, Wiesenpieper und Schafstelzen Nahrung und einen Brutplatz.
Für die Betreuer, ab 1965 unter Federführung von Henning Behmann, war der wichtigste Aspekt des Artenschutzes, das ganzjährige Betretungsverbot zum Schutze der Brut- und Rastvögel in dem kleinen Schutzgebiet durchzusetzen. Darüber hinaus setzte Henning Behmann seinen wissenschaftlichen Ehrgeiz in die Markierung von Vögeln. Bis 2004 beringte er allein auf dem Bottsand über 1.500 Zwergseeschwalben und 2.600 Sandregenpfeifer. Er erhielt Wiederfunde von europäischen und afrikanischen Küsten. Vor allem aber hat er – wenngleich wenig publiziert – durch die Beringung der Jungvögel sowie den Fang und Wiederfang adulter Vögel die Kenntnisse über die Populationsdynamik der Zwergsseeschwalbe an der südlichen Ostseeküste wesentlich erweitert.
Tourismus – Segen oder Fluch?
Einen herben Rückschlag für das Schutzgebiet gab es Anfang der 1970er Jahre, als in unmittelbarer Nähe der Nehrung der Bau von fünf hohen Ferienwohnungsblocks und einer vorgelagerten Marina nicht verhindert werden konnte. Die damals heftig kritisierte Hafenzufahrt stellt heute jedoch sicher, dass hinter der Nehrung kein abgeschlossener Strandsee entstehen konnte, sondern ein für Vögel nahrungsreicher Flachwasserbodden mit Ostseewassereinfluss. Dieses Flachgewässer ist besonders für durchziehende Limikolen von großer Bedeutung. Auch konnten sich Salzwiesen erhalten, die heute wichtiger Bestandteil des Schutzgebietes sind.
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Im Jahr 2011 wurde die Vegetation zur Erstellung des Brutfeldes maschinell entfernt. - Foto: Carsten Harrje
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Jährlich müssen die Pfähle für den Brutzaun neu gesetzt werden. - Foto: Thomas Christiansen
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Brutfeldaufbau im NSG Bottsand - Foto: Carsten Harrje
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Brutfeld im NSG Bottsand - Foto: Carsten Harrje
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Nachdem der Zaun mehrfach von einem Fuchs übersprungen wurde, musste er mit Geflügeldrahtgeflecht erhöht werden. - Foto: Carsten Harrje
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Auch der Sandregenpfeifer ist mittlerweile hochgradig bedroht und auf geschützte Brutflächen angewiesen - Foto: Rene Schaack
NABU vor Ort
Ab den 1980er Jahren gewann die Öffentlichkeitsarbeit immer mehr an Bedeutung, als die Gemeinde Wendtorf ein auf dem Deich stehendes Gebäude dem DBV als Informationszentrum zur Verfügung stellte. Neben der Information über die Besonderheiten des Schutzgebietes trug die Ausstellung erheblich zur Akzeptanz des Betretungsverbotes und zu einem Nebeneinander der Interessen von Strandbesuchern und Naturschutz bei. Bis heute haben über 67.000 Besucher die Ausstellungen besucht.
Strandbrüter – ein schwieriges Leben
Bereits ab den 1970er Jahren nahm die Anzahl einiger Strandbrüter ab, was hauptsächlich auf die Prädatoren Fuchs und Marder sowie auf Möwen und Krähen zurückzuführen war. Neben der Intensivierung der Fallen- und Ansitzjagd wurde daher ab 1980 von dem langjährigen Vogelwart Peter Ohlsen ein Elektrozaun um die weitläufigen Bereiche mit attraktiven Brutplätzen gezogen. Dieser alljährlich aufgebaute Zaun bestand in späteren Jahren aus bis zu zehn übereinander gespannten Elektrolitzen. Daraufhin stabilisierte sich die Anzahl der Brutpaare, bis die Wirkung des Zaunes 1995 schlagartig abnahm, als Prädatoren gelernt hatten, ihn zu überwinden. Als Reaktion auf den ausbleibenden Bruterfolg ging der Brutbestand der Zwergseeschwalbe ab 1995 immer weiter zurück und erreichte 2007 mit nur noch vier Paaren ein Minimum. Anhand der Beringung konnte nachgewiesen werden, dass die Zwergseeschwalben zu den jeweils attraktivsten Nistplätzen an der Ostseeküste abwanderten.
Flügge Jungtiere der Zwergseeschwalbe konnten in den darauf folgenden Jahren fast gar nicht mehr beobachtet werden. Das war einerseits darauf zurückzuführen, dass die stürmische Landschaftsentwicklung mit jährlich großen Anlandungsflächen deutlich zurückging und die ehemals großen Strand- und Dünenflächen zuwuchsen. Andererseits entging Prädatoren, die nachts auf den Bottsand einwanderten, oder sich tagsüber in der deckungsreichen Vegetation aufhielten, kein Gelege auf den immer kleiner werdenden Flächen, die noch zur Brut geeignet waren.
Vorbild Lenster Strand
Um die Bruttradition trotz dieser widrigen Bedingungen nicht vollständig abreißen zu lassen, wurde 2010 auf einer zugewachsenen Fläche die Vegetation von 700 Quadratmetern maschinell entfernt. Dann wurde diese Fläche zusammen mit einer angrenzenden Strandfläche als rund 4.500 Quadratmeter große Brutfläche prädatorensicher eingezäunt. Als Vorbild diente ein vergleichbares Projekt am Lenster Strand, wo es der NABU seit Mitte der 90er Jahre Zwergseeschwalben ermöglicht, ihre Jungen sicher aufzuziehen.
Auf dem Bottsand lernten die Seeschwalben bereits im zweiten Jahr alle ihre Gelege in dem geschützten Bereich hinter dem Elektrozaun abzulegen, der zusätzlich mit Maschendraht gesichert ist. In den Folgejahren nahm die Zahl der Brutpaare rasch auf 45 Paare im Jahr 2017 zu. Wie ungestört die Brutzeit seitdem verläuft, wird auch dadurch deutlich, dass im Gegensatz zu früheren Jahren Brutabbrüche und Nachgelege die Ausnahme sind. Trotzdem gab es aber auch in diesen Jahren mit hohem Schlupferfolg leider auch mehrere Jahre ohne oder mit nur sehr geringem Bruterfolg: Als ein Großteil der Küken bereits geschlüpft war, gelang es 2014 einem Fuchs, den einen Meter hohen Maschendraht zu überspringen. Im Folgejahr ließ er sich auch nicht von darüber gespannten Breitbandlitzen abschrecken. Erst 2016 gelang es, die Füchse durch intensive Baujagd und durch ein bis in 1,8 Meter Höhe zusätzlich gespanntes Elektro-Geflügeldrahtgeflecht außen vor zu halten. Leider griff sich dann aber ein Turmfalkenpaar mehrmals täglich frisch geschlüpfte Seeschwalbenküken aus der Kolonie und fütterte damit den eigenen Nachwuchs. Die Falken erbeuteten sogar noch bereits flügge Jungvögel, die sich nahe des Brutfeldes am Spülsaum aufhielten.
Außergewöhnliches Brutjahr 2017
Erstmals 2017 wurden von knapp über 100 geschlüpften Zwergseeschwalbenküken auch bis zu dreißig flügge. Da im Juli und August 2017 an der Schlei auffällig viele Jungvögel gesichtet wurden, gehen die Betreuer des NSG davon aus, dass sie in den dortigen Flachgewässern ihre „Grundausbildung im Stoßtauchen“ erhalten haben. Obwohl auch 2017 zwei Drittel der Küken ein zweitägiges Regentief nicht überlebten oder von Möwen erbeutet wurden, war es doch ein außergewöhnlich gutes Brutjahr und ein wichtiger Beitrag des Bottsandes zur Erhaltung der Zwergseeschwalbe an der Ostseeküste.
Obwohl zunehmend auch andere Bodenbrüter gezielt das geschützte Brutfeld zur Brut aufsuchen – 2017 brüteten hier erfolgreich sechs Paare Rotschenkel, vier Paare Sandregenpfeifer, ein Grauganspaar und fünf Schnatterenten – scheinen nur die Seeschwalben davon nachhaltig profitieren zu können. Regenpfeiferküken verlassen das Brutfeld oftmals unmittelbar nach dem Schlupf und fallen dann aber wahrscheinlich oft den Silbermöwen zum Opfer. Trotz aller Bemühungen weist diese früher auf dem Bottsand häufige Brutvogelart im Gegensatz zu den Seeschwalben weiterhin eine negative Bestandsbilanz auf.
Problem Eutrophierung
Ein weiteres Problem für den Artenschutz auf dem Bottsand stellt die zunehmende Eutrophierung der Dünen durch Immissionen dar. Das Schmalblättrige Weidenröschen, eine hellrot blühende Stickstoff-Zeigerpflanze, bildet im Sommer in den Dünen einen flächenhaften Aspekt. Die verfilzte Vegetation lässt nur noch wenig Sonnenlicht bis auf den Boden kommen, so dass diese Flächen für Insekten und damit auch für Jungvögel entwertet werden. Die an die eigentlich nährstoffarmen Dünen angepassten, hoch spezialisierten Pflanzenarten werden überwachsen, zurückgedr.ngt und existieren oft nur noch in Saumbereichen.
Rinder als Landschaftsgestalter
Um hier gegenzusteuern wurde Anfang 2017 erstmals mit einer Beweidung durch Rinder deren Einfluss auf die Vegetation getestet. Davon erhoffen wir uns, zumindest die strukturellen Nachteile der .berdüngung zu minimieren, auch wenn ein echter Nährstoffaustrag eher von untergeordneter Bedeutung sein wird. Als sehr hilfreich hat sich dabei die Erarbeitung eines Managementplans für den Bottsand im Auftrag des Landes herausgestellt. Durch intensive Mitarbeit des NABU konnten verbindliche Entwicklungsziele erarbeitet werden. Nicht nur bei der in den nächsten Jahren geplanten Winterbeweidung hat sich die Diskussion als sehr fruchtbar erwiesen.
CHa, akt. 10. Oktober 2023