Ostseeschutz? - Nein Danke!
CDU und Ministerpräsident stehlen sich aus der Verantwortung
Neumünster, 21. September 2023: Der angekündigte Beschluss der CDU zur Ablehnung eines Nationalparks Ostsee auf ihrem Landesparteitag löst beim NABU Schleswig-Holstein große Enttäuschung und Befremden aus: Der Antrag missachtet nicht nur die Schutzbedürfnisse eines hochgradig bedrohten Ökosystems, sondern steht auch für ein populistisches, unkluges Verhalten vor dem Hintergrund eigentlich notwendiger Veränderungen. Die CDU entzieht sich ihrer Verantwortung für Mensch und Meer. Steht Ministerpräsident Daniel Günther noch zu seinem Versprechen, für Fischerei, Wassersport und Tourismus sei ‚Nichtstun‘ keine Option? Dann ist ‚Kein Nationalpark‘ keine Option!
Eine inhaltliche Festlegung vor dem Ende eines in der Regierungskoalition gemeinsam vereinbarten Diskussionsprozesses, an dem sich der NABU engagiert beteiligt hat, lässt aus Sicht des mit rund 30.000 Mitgliedern in Schleswig-Holstein und rund 1 Mio. Förderern bundesweit bundes- und landesweit größten Naturschutzverbandes tiefe Zweifel aufkommen, ob die Partei des Ministerpräsidenten heute noch gefeit ist vor unseriöser, egoistisch motivierter Interessenwahrnehmung, wie sie sich in der Diskussion um den ‚Nationalpark Ostsee‘ gezeigt hat.
Die Frage, wie ergebnisoffene Abwägungsprozesse in einer demokratischen Gesellschaft überhaupt noch sachlich diskutiert werden können, stellt sich immer drängender. Mit Blick auf die Herausforderungen unserer Zeit ist der NABU in großer Sorge, dass politisch gestreutes Misstrauen, Desinformation, das Fehlen von Fakten und einseitige Propaganda die politische Oberhand gewinnen - und dass dies von der CDU als Regierungspartei offen unterstützt wird. Darunter leiden alle wirksamen Maßnahmen, die notwendig sind, um die marine Biodiversität zu schützen.
Der CDU-Parteitagsantrag wird den Schutz der Ostsee nicht voranbringen, denn …
- das Festhalten an der Freiwilligkeit, die weder auf Bundes- noch auf europäischer Ebene als rechtlich und faktisch tragfähiges Mittel für einen effektiven Natur- und Umweltschutz anerkannt ist, wird dem hohen Schutzbedarf der Ostsee angesichts verfehlter Umweltziele nicht gerecht und erlaubt es den Akteuren, wie bisher die Schuld jeweils auf andere zu schieben, statt sich zur eigenen Verantwortung zu bekennen. Stattdessen muss das Land in eigener Verantwortung die notwendigen Schritte zum Schutz der Ostsee auf der Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen rechtsverbindlich umsetzen.
- Symptomatisch und entlarvend ist insbesondere die Aussage zur Munitionsbergung, in der die Verantwortung allein auf den Bund abgeschoben wird, statt dass sich das Land - wie im Koalitionsvertrag vereinbart - auch selbst zu einer langfristigen Mitfinanzierung verpflichtet.
- Die im Antrag zitierten freiwilligen Vereinbarungen zum Schutz von Schweinswalen und Meeresvögeln, zum Wassersport, aber auch zum Schutz der Gewässer sind alle im Ergebnis gescheitert und haben für die Natur keine substanziellen Verbesserungen gebracht. Bundesweit findet dieses Vorgehen keine Unterstützung.
- Wenn die CDU davon spricht, Nährstoffeinträge zu verringern, sollte sie sich nun zu rechtsverbindlich festgelegten Uferrandstreifen für den Gewässerschutz bekennen und den verweigernden Forderungen des Bauernverbandes paroli bieten. Schleswig-Holstein ist hier bundesweites Schlusslicht. Folge: der Nährstoffeintrag in die Ostsee nimmt nach Daten des GEOMAR in einzelnen Küstenabschnitten erneut zu.
- Die notwendige Begleitung der Arbeit von Aktionsbündnissen wäre seitens des Landes personell viel aufwändiger, als dies für ein Kompetenzen bündelndes Nationalparkamt mit einem Nationalparkkuratorium gelten würde. Die Aussage aber, generell keine Finanzmittel in eine verstärkte personelle Ausstattung der für den Schutz der Ostsee jetzt zuständigen drei Ministerien und zahlreicher Behörden geben zu wollen, verurteilt einen effektiven Schutz der Ostsee von vornherein zum Scheitern und macht deutlich, welch geringen Stellenwert dieser Vorschlag bei der CDU tatsächlich hat. Die derzeit mangelhafte Umsetzung der rechtlichen Rahmenbedingungen beruht v.a. auf einer wohl gern gesehenen, völlig unzureichenden personellen Ausstattung der dafür zuständigen Behörden.
- Der Widerstand der NP-Gegner war und ist in den allermeisten Fällen polemisch, sachlich ungerechtfertigt und egozentrisch begründet. Dem seitens der CDU nachzugeben, zeugt von fehlender politischer Weitsicht und davon, keine zukunftsweisende Verantwortung übernehmen zu wollen. Ein Nationalpark bietet für die Ostsee Lösungen für die gravierenden Probleme u.a. in der Fischerei, der Schifffahrt und im Wassersport, die wesentlich vom Land verantwortet werden. Schutzgebietsanteile, frei von schädlichen und industriellen Nutzungen, sind ein wissenschaftlich anerkanntes, effektives Instrument, den Lebensraum Ostsee zu erhalten. Genau deshalb fordert die EU-Biodiversitätsstrategie, 10% der Nord- und Ostsee unter „strikten Schutz“ zu stellen - genau deshalb setzt der Bund dies gerade für die ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der deutschen von Nord- und Ostsee um.
- Die CDU verkennt ihre eigene Geschichte und verweigert sich zukunftsgewandten Lösungen: Die damals auch gegen heftige Widerstände erfolgte, wegweisende Gründung des Wattenmeer-Nationalparks hätte es nicht gegeben, wenn man in der CDU keine Weitsicht gezeigt hätte. Die Situation der Natur wäre heute im Wattenmeer drastisch schlechter, die unbestritten positiven Entwicklungen für die Menschen in der Region und den Tourismus hätte es nicht gegeben. Für die Ostsee droht nun eine weitere Verschlechterung ihres Zustandes – niemand aber übernimmt dafür zukünftig die politische Verantwortung, wenn erwartbar die egozentrischen Ansprüche an die Natur effektive Verbesserungen blockieren.
Der NABU fordert deshalb die Delegierten der CDU auf, sich Ihrer Verantwortung zu stellen, den Antrag abzulehnen – und dem Allgemeinwohl Vorrang einzuräumen! Ministerpräsident Daniel Günther sollte den Anfang machen.
ILu, 21. September 2023