Naturschädigende Rechtsvorschriften anpassen!
Nationale Artenhilfsprojekte allein kein wirksamer Ausgleich für Windenergie-Verluste
Hannover, Neumünster – 18. April 2023: Die Bundesregierung bemüht sich, auch auf dem Meer mit einer Reihe von rechtlichen Regelungen wie dem Windenergie-auf See-Gesetz und der Umsetzung der EU-Notverordnung den Ausbau der Windenergienutzung zu beschleunigen. Mit der Priorisierung erneuerbarer Energien als ‚überragendes öffentliches Interesse‘ wird zudem verstärkt versucht, geltende Umweltstandards wie die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und das Artenschutzrecht einzuschränken. Die durch die Bundesregierung als Ausgleich für die naturschädigenden Eingriffe des Osterpaketes in Vorbereitung befindlichen nationalen Artenschutzprogramme sind nach Überzeugung des NABU Niedersachsen und NABU Schleswig-Holstein nicht in der Lage, die zu erwartenden Effekte auf geschützte Arten zu kompensieren. Notwendig wäre es dagegen, alle naturschädigenden Nutzungen auf dem Meer entweder anzupassen oder zumindest deutlich einzuschränken.
Den Ausgleich unvermeidbarer Umweltauswirkungen beim Ausbau der Windenergie auf dem Meer sollen aktuell ausgewählte, artenbezogene Naturschutzprojekte leisten, finanziert über Artenschutzprogramme des Bundes und dafür erhobene Ausgleichsmittel der Betreiber von Windkraftanlagen. Der NABU bewertet jedoch deren Wirksamkeit in der Praxis als zu gering: Die erheblichen Beeinträchtigungen von Nord- und Ostsee als Lebensraum für Schweinswale und Meeresvögel lassen sich so nicht kompensieren, da im Meeresbereich kaum Einzelmaßnahmen für Arten vorstellbar sind, die dies in der notwendigen Intensität leisten können: Fast alle Arten sind vielfach flächig im Meer verbreitet. Insbesondere der durch den massiven Zubau von Windenergieanlagen in Kauf genommene Verlust von Lebensräumen, Nahrungsgebieten wie auch betriebsbedingte Verluste von Tieren sind wesentliche Bedrohungsfaktoren.
Der NABU fordert, negativ auf den Schutz der Biodiversität im Meer und in den Küstengewässern wirkende, großflächige Nutzungen sehr viel stärker als bisher naturverträglich zu gestalten und kritische Aktivitäten wie die Fischerei oder den Abbau von Kies und Sand im Meer deutlich zu reduzieren. Befahrensverordnungen müssen etwa hinsichtlich Lärmauswirkungen auf Wale, Seevögel sowie Laichgebiete gefährdeter Fischarten angepasst werden. Eine verstärkte Ausweisung von nutzungsfreien Gebieten vor allem in den Meeresschutzgebieten ist unerlässlich, um dem Artensterben entgegenzuwirken.
Notwendig wären auch drastische Anpassungen der fischereilichen Nutzung. Kritische Fischfangmethoden wie die Grundschlepp- und Stellnetzfischerei sind durch naturschutzfreundlichere Methoden zu ersetzen. Nur so könnten etwa wichtige Lebensräume wie Riffe vor dem ‚Abrasieren‘ bewahrt, Nahrungsgrundlagen erhalten und Schweinswale und Meeresvögel vor dem Tod in Stellnetzen gerettet werden.
Problematisch ist ferner die zu große Nährstofffracht aus den Flüssen mit ihren Auswirkungen auf die Gewässerqualität, die nur durch eine Verschärfung der Düngeverordnungen der Bundesländer verringert werden kann.
Auch durch eine erneute Novellierung der Bundesgesetzgebung könnte Berlin dem Schutz der Biodiversität beim Ausbau der erneuerbaren Energien wieder die notwendige Stellung zurückgeben. In den für den Biodiversitätsschutz wichtigen Bereichen bringt die Ampel-Koalition in Berlin bislang jedoch keine substanziellen Verbesserungen auf den Weg. „Berlin entfernt sich mit großen Schritten immer mehr von einer naturverträglich gestalteten Energiewende - die ‚Roten Listen‘ bedrohter Arten und Lebensräume werden noch länger“, bewertet dies die stellv. NABU-Landesvorsitzende Dagmar Struß aus Schleswig-Holstein.
„Wer sich in Brüssel jedoch wie Bundeswirtschaftsminister Habeck vehement für das Schleifen von EU-Umweltstandards einsetzt, sollte dort nun mit demselben Druck auf die naturschutzkonforme Anpassung etwa der EU-Fischereipolitik drängen“, fordert der niedersächsische NABU-Landesvorsitzende Dr. Holger Buschmann, „denn nationale Artenschutzprogramme können diese Verbesserungen nicht leisten.“
Für Rückfragen
NABU Schleswig-Holstein
Dagmar Struß, NABU Landesstelle Ostseeschutz, mobil 0170-9611081, dagmar.struss@NABU-SH.de
NABU Niedersachsen
Frederik Eggers, Teamleiter Natur- und Umweltschutz, Tel.: 0511 911 05-24, frederik.eggers@NABU-niedersachsen.de