Silvester-Feuerwerk
Nach der Knallerei ist alles weg
Feuerwerke sind in Deutschland seit Jahrhunderten eine traditionelle und beliebte Art, herausragende Ereignisse mit etwas ganz Besonderem zu würdigen. In früheren Jahren eigentlich nur zur Jahreswende üblich, werden „farbenprächtige Feuerwerke“ in den letzten Jahren zunehmend auch im weiteren Jahresverlauf bei jedem Jubiläum, Dorf- und Stadtfesten, sportlichen Großveranstaltungen, Musikfestivals, Hochzeiten, ja selbst zum Abschluss verkaufsoffener Sonntage durchgeführt. Mit immer spektakuläreren, höheren und längeren Veranstaltungen übertrumpfen sich die Anbieter gegenseitig. Für viele Menschen stellen diese Ereignisse eine erhebliche Belastung dar. Reiseveranstalter bieten bereits verstärkt „garantiert knallfreie Jahreswechsel an romantischen Orten“ an. Die weiteren Auswirkungen des enormen Lärm- und Blitzlichtgewitters und die Folgen der anschließend vom Himmel rieselnden Schadstoffe sowie deren Anreicherung im Boden und Gewässer auf Tier und Pflanzenwelt sind bislang kaum bekannt.
Sobald das neue Jahr beginnt - meist schon ein paar Stunden vorher - sind Millionen Menschen auf der Straße und die Knallerei beginnt. Raketen, Böllerbatterien und vieles mehr werden, gefüllt mit giftigen Chemikalien, in die Luft gejagt, ohne an die Folgen für Mensch und Umwelt zu denken. In Innenstädten, Parks und Fußgängerzonen kann man die Hand vor den Augen kaum sehen, beißender Rauch zieht durch die Straßen. Das Umweltbundesamt (UBA) in Dessau hat wiederholt auf die gesundheitsschädlichen Wirkungen des Rauchs hingewiesen. In Verbindung mit dem herabrieselnden Chemiecocktail führt dieser bei Menschen zu Augenbrennen, Atemwegs- und Kreislaufbeschwerden, da vor allem die Feinstaubbelastung erschreckend hoch ist. Gerade in Großstädten werden dann die Grenzwerte dafür weit über das 100fache und selbst Tage danach noch um ein Vielfach überschritten. Da aber gerade in Orten mit großer touristischer Bedeutung die Zahl der Feuerwerke sprunghaft ansteigt, gilt dies auch entsprechend für Erholungsregionen bzw. –orte z.B. an den Küsten. Statt frischer Luft gibt es dann etwas mit der Chemiekeule auf die Schleimhäute und in die Lunge! Mittlerweile wird auch in der Öffentlichkeit das Thema kritischer wahrgenommen. Insbesondere im Zusammenhang mit der Debatte um manipulierte Diesel-Fahrzeuge und deren zu hohem Ausstoß an Stickstoffdioxid rückt die Belastung aus Feuerwerken weiter in den Mittelpunkt. Eine Mehrheit der Bevölkerung ist dabei für ein Verbot der Silvester-Knallerei zumindest in größeren Städten.
Leise rieselt der Chemiecocktail
Neben dem häufig noch verwendeten Schwarzpulver werden für Leucht-, Rauch-, Pfeif- und sowie weitere pyrotechnische Effekte eine unübersichtliche Vielzahl von Stoffen wie Nitrate, Chlorate und Perchlorate (das sind sauerstoffreiche Metallsalze) der Elemente Natrium (gelbe Flammenfärbung), Kalium (blass-violett), Strontium (rot) oder Barium (grün) verwendet. Weitere Bestandteile sind u.a. Blei, Arsen, Aluminium, PVC, Schwefel sowie in kleineren Mengen Eisen-, Kupfer-, Titan-, Antimon- und Zinkverbindungen, aber auch viele unbekannte Verbindungen, deren Verbrennungsrückstände leise vom Himmel rieseln. Eine erschreckende Emissionsbelastung! Lungenärzte weisen darauf hin, dass dieser Rauch Feinstaubpartikel mit vielen Metallverbindungen enthält, die wegen ihres geringen Durchmessers von wenigen Mikrometern tief in die Lunge vordringen und dort Entzündungsreaktionen hervorrufen können. Jedes Jahr werden allein in Deutschland rund 10.000 Tonnen Feuerwerkskörper in die Luft gejagt – Tendenz steigend! Besonders nach den alljährlichen, flächendeckenden Silvesterfeuerwerken spülen Regen oder schmelzender Schnee den ganzen Dreck über die Regenrinnen und Rinnsteine in den nächsten Vorfluter, anschließend in den nächsten See – Auswirkungen unbekannt. Nicht zu vergessen auch der erhebliche Mehraufwand für die kommunale Straßenreinigung. Hier stellt sich zudem gleich die Frage nach dem Verbleib der aufgenommenen, stark belasteten Rückstände der Feuerwerkskörper – ist das eigentlich nicht Sondermüll?
Auch die Umweltbelastung durch den verursachten Lärm wird häufig unterschätzt. Knallkörper mit Namen wie „Apokalypse“ oder „MegaBang“ können neben vielen anderen Kanonenschlägen und Premium-Böllern Gehörschäden, Kreislaufstörungen, Bluthochdruck auch Magen- und Darmprobleme auslösen. Vor allem Kleinkinder, ältere und kranke Menschen sowie Haustiere sollten während des Feuerwerkes beaufsichtigt werden, da sie besonders unter der Knallerei leiden. In einem bekannt gewordenen Fall sind durch ein privates Feuerwerk auf der benachbarten Koppel stehende teure Reitpferde in Panik versetzt worden und haben sich bei der anschließenden Flucht z.T. schwere Verletzungen zugezogen.
Panische Fluchtreaktionen
Die Auswirkungen von Feuerwerken auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt sind am besten noch hinsichtlich der Vögel bekannt. Was bei den feiernden Menschen zu „unvergleichlichen Erlebnissen“ führt und die „perfekte Partystimmung“ auslöst, bedeutet für die Vogelwelt oftmals eine enorme Störung von Rast-, Schlaf-, Brut- und Überwinterungsplätzen mit entsprechenden Panik- und Stressreaktionen. Die Auswirkungen der alljährlichen Silvesterknallerei in benachbarten Schutzgebieten konnten Ornithologen schon immer „am Tag danach“ beobachten. Fluchtartig verlassene, leergefegte Ruheplätze, die sonst immer voll mit überwinternden, rastenden Vogelscharen sind bzw. nervös flatternde, erkennbar verstörte Vogelschwärme. Und dies zu einer Jahreszeit, in der möglichst jede unnötige Beunruhigung der Tiere unterlassen werden sollte, um die notwendigen Energiereserven für den Winter zu schonen.
Gefährdung von Rast – und Ruheplätzen
In den Niederlanden konnten Wissenschaftler unter Anwendung neuer Methoden mittels Wetterradar quasi in Echtzeit beobachten, wie in den Silvesternächten (betrachtet wurden die Jahreswechsel 2007/8 bis 2009/10) nach Einsetzen des Feuerwerkes die aufgeschreckten Vögel regelrecht in Schockwellen vor der losbrechenden Knallerei flohen. Die Ergebnisse der jeweils viertägigen Untersuchungen zeigten in den Nächsten vorher und nachher nur geringe Vogelaktivitäten, die in typischer Weise in der ersten Nachthälfte abklingen und erst am Morgen wieder ansteigen. In der Silvesternacht wird die Nachtruhe jedoch um 0.00 Uhr jäh unterbrochen. Nur unterbrochen von einer kurzen „Champagnerpause“ hielt das Feuerwerk an. Innerhalb weniger Minuten explodierte die Dichte der Vögel im Luftraum. Tausende Vögel stiegen in Massen von ihren Schlaf- und Ruheplätzen oft in große Höhen auf. Zudem verlieren die Vögel dabei Zeit für Schlaf und Fressen, welche sie nun mit der Suche nach neuen Rastplätzen verbringen müssen. Vielfach verließen die Vögel gerade in dicht besiedelten Gebieten diese Region. Die stärksten Fluchtreaktionen zeigten die Vögel in den Niederlanden dabei an Gewässern und in Feuchtgebieten, wo es zahlreiche Schutzgebiete gibt. All dies verschlechtert die Kondition der Vögel. Durch die Panik, verbunden mit Lärm und möglichen Blendwirkungen können die Vögel zudem die Orientierung verlieren und auch gegen Hindernisse fliegen.
Feuerwerke während der Brutzeit vermeiden
Von Feuerwerken können aber nicht nicht nur zum Jahreswechsel erhebliche Störungen ausgehen. Das Abbrennen von Feuerwerken im Jahresverlauf bei Dorffesten, Jubiläen oder Familienfeiern in unmittelbarer Umgebung von z.B. Storchenhorsten kann dazu führen, dass Altvögel panikartig das Gelege oder ihre Jungvögel verlassen. Die Gelege kühlen aus, die Eier sterben ab, Jungvögel verhungern oder werden von Greifvögeln geschlagen. Einer der wenigen dokumentierten Fälle spielte sich im Landkreis Leipzig ab, wo im Jahr 2009 ein Horst mit drei Jungstörchen von den Alttieren verlassen wurde, weil in unmittelbarer Nähe ein Feuerwerk stattfand. Es kehrte nur ein Altvogel zurück, die Jungen fielen Greifvögeln zum Opfer.
Ein weiteres Beispiel: Im Oktober 2005 sorgte ein in der Stadt Barth (Mecklenburg-Vorpommern) durchgeführtes Großfeuerwerk für panikartige Reaktionen bei den dort zu zig-tausenden auf dem Herbstzug rastenden Kranichen, die auf der 7 km entfernten Insel Kirr nächtigten. An anderen Orten am Darß wurden bei kleineren Feuerwerken Reaktionen der Kraniche bis in 4 km Entfernung beobachtet. Wenn die Vögel durch die Wirkungen gestresst werden und den Schlafplatz verlassen, bedeutet dies einen erheblichen Energieverlust, der ihre Leistungsfähigkeit für den Weiterflug in die Brut- bzw. Überwinterungsgebiet mindert.
Aber auch aus schleswig-holsteinischen Naturschutzgebieten berichten Schutzgebietsreferenten über leergefegte Schutzgebiete oder hektisch umherfliegende Vogelschwärme im Anschluss an „farbenprächtige Feuerwerke“. Über genaue Auswirkungen auf das Brutgeschäft oder die Fitness der rastenden, mausernden oder überwinternden Tiere kann man häufig nur spekulieren. Hier wären weitere Untersuchungen dringend notwendig! Neben Vögeln und dürften auch wildlebende Säugetiere, so beispielsweise Fledermäuse mit ihrer empfindlichen Sensorik, von den Auswirkungen der immer zahlreicher gewordenen Feuerwerks betroffen sein.
Störungsverbot gilt flächendeckend
Die Knallerei kann also für Tierarten wie Vögel, aber auch für Fledermäuse eine nachweislich erhebliche, mitunter sogar lebensbedrohliche Störung darstellen. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz BNatSchG §44 Abs.1 ist es unzulässig: „…wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzung-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderzeiten erheblich zu stören.“ Dieses Störungsverbot gilt unabhängig von Schutzgebieten flächendeckend, nicht nur in der freien Landschaft, sondern auch im Siedlungsbereich.
Aus Sicht des NABU ist daher grundsätzlich die Unterlassung von Feuerwerken in der Nähe von Brutstätten von Vögeln und Wochenstuben von Fledermäusen zu fordern. Auch das Vorhandensein von Rast- und Mauser – und Schlafplätzen in unmittelbarer Nähe der geplanten Feuerwerksveranstaltung muss zum Versagen der Genehmigung führen, um erhebliche Störungen dieser Arten zu verhindern. Im Umfeld von Gewässern, Feuchtgebieten und Schutzgebieten, wo es häufig winterliche Ansammlungen von Vögeln gibt oder z.B. in der Nähe von winterlichen Schlafplätzen von z.B. Saatkrähen dürfen Feuerwerke ebenfalls nicht gestattet werden.
In Naturschutzgebieten als strengster Schutzkategorie des flächenhaften Naturschutzes sind Feuerwerke nicht erlaubt. In Landschaftsschutzgebieten sind diese nur zulässig, wenn den Belangen des Schutzgutes (Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft) Rechnung getragen wird, d.h. es nicht zur Schädigung des Naturhaushaltes, Störung der Ruhe in der Natur oder zur Beeinträchtigung des Naturgenusses führt. Eine Ausnahmegenehmigung bei der UNB muss hier in jedem Fall beantragt werden. In Europäischen Vogelschutzgebieten, besonders in der Nähe bzw. mit Gewässern, fordert der NABU Schleswig-Holstein geplante Feuerwerke einer genaue Prüfung hinsichtlich ihrer Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des Schutzgebiets zu unterziehen, bei einer erheblichen Beeinträchtigung muss auch hier die Genehmigung versagt werden.
Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen fordern
Ein naturschutzrechtlicher Genehmigungstatbestand ist ein Feuerwerk i.d.R. nicht. Ein formelles behördliches Beteiligungsverfahren ist bei der Genehmigung von Feuerwerken bislang nicht vorgesehen. Die Genehmigung obliegt den örtlichen Ordnungsämtern, die sich nach vorliegenden Informationen nur in Einzelfällen an die übergeordnete Untere Naturschutzbehörde wenden. Gelegentlich wenden sich Veranstalter selbst oder die Feuerwerksfirmen, meist allerdings sehr kurzfristig, an die UNB. Diese informieren dann über naturschutzrechtliche Rechtsgrundlagen (Artenschutz, Gebietsschutz), Verbotstatbestände und versuchen meist auf Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen wie z.B. Feuerwerkskörper ohne Knalleffekte und geringerer Steighöhe zu drängen.
Aufgrund der geltenden Rechtslage ist das Thema Feuerwerk bezüglich des Vollzugs schwierig. Für ein ordnungsrechtliches Handeln wären die konkreten artenschutzrechtlichen Störungen sowie der unmittelbare Zusammenhang mit dem Feuerwerk nachzuweisen – dies dürfte wohl nur in Ausnahmefällen gelingen. Das gleiche gilt für die Erheblichkeitsschwelle im Gebietsschutz. Und schließlich verweisen die Antragssteller gerne im Antrag bei größeren, regelmäßig sich wiederholenden Feuerwerken gerne auf bestehende, politisch gewollte und naturschutzrechtlich vermeintlich legale „Feuerwerkstraditionen“ (Kieler Woche, Silvester) gegen das sich häufig schwer argumentieren lässt.
Reaktionen einer Kohlmeise auf Silvester-Feuerwerk
Das Video zeigt die Reaktionen einer Kohlmeise (Parus major, Männchen), die in einem kamera-überwachten Nistkasten übernachtet, auf die Silvesterknallerei während der ersten 4 Minuten des Jahres 2008. Erst um 0:45 Uhr hat sie wieder ihren Schlafhabitus wie zu Beginn der Aufzeichnung eingenommen. (Quelle: Youtube)
Aufklärung und Information dringend notwendig
In einem Internet-Forum zum Thema Feuerwerke findet sich die Frage: „Wer hat denn Erfahrung mit der (…) Durchführung eines Feuerwerkes im Naturschutzgebiet (…)?“ die Antwort „Das Problem ist in der Regel auch, dass die zuständigen Unteren Naturschutzbehörden die Naturschutzverbände beteiligen, sobald ein Antrag vorliegt, und die sind meist nicht sehr feuerwerksfreundlich eingestellt“. Na, welch eine Überraschung!
Nach einer kurzen, nicht repräsentativen Abfrage im Land sind die zuständigen Behörden fachlich in der Lage, sich bei vorliegenden Anträgen zu positionieren. Einige Kreise haben bereits Merkblätter zum Thema „Feuerwerk und Naturschutz“ ausgearbeitet bzw. stehen kurz vor der Fertigstellung. Auch in den benachbarten Bundesländern liegen diesbezüglich bereits gute Papiere vor, so z.B. in Mecklenburg-Vorpommern. Entscheidend ist aber wie immer, die entsprechende Anwendung der vorliegenden Rechtsvorschriften und die konsequente Versagung von Genehmigungen bei anzunehmenden und nachzuweisenden Störungen. Zudem ist die Information der Öffentlichkeit zum Thema Feuerwerk bislang unzureichend. Wurden früher private Feuerwerke noch strikt auf Silvester beschränkt durchgeführt, wird jetzt selbst zu Geburtstagen und sonstigen Anlässen kräftig geballert. Längst nicht alle halten sich dabei an die Genehmigungspflicht bzw. einige Kommunen gehen damit offenbar recht freizügig um.
Die erhebliche Zunahme entsprechender Veranstaltungen, leider auch in der Nähe sensibler Gebiete, macht hier zukünftig eine abgestimmte und konsequente Vorgehensweise zwingend erforderlich. Der NABU hält weitere Untersuchungen hinsichtlich der Auswirkungen von Feuerwerken auf den Naturhaushalt für dringend erforderlich.
CPu akt. 29. Dezember 2018