Artenschutz in Schleswig-Holstein
NABU-Fragen an Schleswig-Holsteins Parteien
Fragen: Der Artenschutz hat in den letzten Jahren vor allem beim Schutz bekannter Großvogelarten wie Seeadler und Kranich beachtliche Erfolge zu verzeichnen. Verlierer sind jedoch Arten, die auf nährstoffarme Lebensräume angewiesen sind, wie viele unserer Tagfalter. Welchen Stellenwert haben solche Arten in Ihrer Naturschutzkonzeption? Mit welchen Maßnahmen gedenken Sie nährstoffarme Standorte zu erhalten, um etwa den weiteren Rückgang der Tagfalter zu stoppen?
Nur wenige Tierarten gestalten ihren Lebensraum selbst und können dabei mit menschlicher Flächennutzung in Konflikt kommen. Populäres Beispiel ist der Biber, der sich nun auch in Schleswig-Holstein anzusiedeln versucht. Würden Sie die Einwanderung des Bibers auch im Bewusstsein damit eventuell verbundener "Wasserstandsregulierungen" tolerieren?
Obwohl weder die Bestände von Rabenkrähe und Elster erheblich gewachsen sind noch andere Tierarten durch sie verdrängt wurden, beides belegt durch eine außerordentlich intensive wissenschaftliche Dokumentation, fordert der Landesjagdverband eine Jagdzeit für beide Arten. Wie ist Ihre Position?
SPD
Artenschutz
Antworten: Mit den Gebietsmeldungen Schleswig-Holsteins für NATURA-2000 haben wir für wichtige Lebensräume den Anforderungen der Europäischen Union entsprochen. Über spezielle Angebote des Vertragsnaturschutzes, wie z.B. zum Schutz des "Trockenen Magergrünlandes" werden wichtige Lebensräume auch für die Tagfalter erhalten.
Aktuelle Ergebnisse zeigen, dass der seit ca. 400 Jahren aus Schleswig-Holstein verschwundene Biber sich am Elbufer zwischen Lauenburg und Hamburg wieder ansiedelt. Bisher liegen keine Erkenntnisse vor, dass hieraus Handlungsbedarf seitens der Landespolitik abgeleitet werden kann.
Eine Bejagung der Rabenvögel wie Rabenkrähe und Elster sowie des Kormorans wird von uns abgelehnt. Diese Tiere unterliegen den Vorschriften zum Artenschutz, eine Bejagung ist daher ausgeschlossen. Ausnahmen u.a. zum Zwecke des Abschusses können die unteren Naturschutzbehörden im Einzelfall unter definierten Bedingungen zulassen.
CDU
Artenschutz
Antworten: Nährstoffarme Standorte sind nur ein Lebensraum in der Gesamtpalette der Standorte. Auch bei ihnen und ihrer Erhaltung wird dem Freiwilligkeitsprinzip und dem Vertragsnaturschutz Vorrang eingeräumt.
Biber haben besondere Ansprüche an ihre Umwelt. Selbstverständlich würde ihre Einwanderung im Rahmen des Vertragsnaturschutzes toleriert.
Eine CDU-geführte Landesregierung tritt dafür ein, für Tierarten, die gravierende Schäden verursachen, unbürokratische Bejagungskonzepte zu entwickeln, ohne deren Bestände zu gefährden. Obwohl der 1979 durch die EG geschaffene Schutz der Rabenvögel schon 1995 wieder aufgehoben wurde, blieb die rechtliche Situation in Deutschland jedoch weiterhin verworren und verfahren. Denn bis heute gibt es keine einheitliche bundesweite Regelung. Vielmehr ist es den Bundesländern überlassen, ob und in welcher Weise sie die Regulierung der Rabenvogelarten Eichelhäher, Elster und Aaskrähe ermöglichen. Das gegenwärtige Verfahren ist jedoch sehr kompliziert und mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Ganz abgesehen von den hohen Kosten, die dadurch entstehen. Am Ende führt dies alles zu einem Ergebnis: de facto wird von der Bejagung und damit von der möglichen Reduzierung überhöhter Rabenvogelbestände kaum Gebrauch gemacht. Inzwischen macht sich dies deutlich bemerkbar: in der Natur.
Seit der Einstellung der Bejagung haben sich Elster, Eichelhäher und Aaskrähe stark vermehrt, vielerorts sogar ihre Population verdoppelt, denn die Rabenvögel zeichnen Anpassungsfähigkeit und Intelligenz aus. Mit diesen Gaben ausgestattet, gehören die oben genannten Arten zu den Tieren, die sich bestens mit der Zivilisation und unserer Kulturlandschaft arrangiert haben. So haben Elstern längst die Städte erobert, findet man Eichelhäher nicht mehr nur in Wald und Flur, räumen Rabenkrähen auf Nahrungssuche selbst in Fußgängerzonen in aller Ruhe die Mülleimer aus. Als Aasfresser sind sie bei der Nahrungssuche nicht wählerisch. Sie ernähren sich quasi von allem, was sie erbeuten und verwerten können und lernen erstaunlich schnell, neue Nahrungsquellen zu nutzen. Dazu zählen Mülldeponien und Kläranlagen ebenso wie überfahrene Tiere auf den Straßen. Dieses Leben im Überfluss hat dazu geführt, dass die Rabenvogelbestände seit dem Bejagungsverbot vielerorts eine hohe Dichte erreicht haben. Und hier verursachen sie als Räuber erhebliche ökologische Probleme: Zum natürlichen Nahrungsspektrum der Rabenvögel zählen auch die Gelege und Jungtiere von Bodenbrütern, Singvögeln und Jungtiere vieler anderer Arten.
Rabenvögel suchen ganz gezielt solche Biotope nach Beute ab, wo sie schon einmal Erfolg hatten. Mit dem Ergebnis, dass häufig auch die zweite Brut nicht durchkommt. Bei einigen hier heimischen Arten können die Brutverluste bis zu 90 Prozent betragen. Dies gilt insbesondere dort, wo den potentiellen Beutetieren Hecken und Büsche als Deckung in der Landschaft nur streifenweise zur Verfügung stehen. Durch hohe Rabenvogeldichten werden selbst Schutzmaßnahmen für regional selten gewordene Arten wie Rebhuhn, Fasan, Hase oder bestimmte Singvögel zunichte ge-macht.
Im Interesse vieler bedrohter Beutetierarten wird deshalb eine schnelle Regulierung der Rabenvogelpopulationen gefordert. Aufschluss über den tatsächlichen Einfluss der Rabenvögel auf den Naturhaushalt liefern Freilandexperimente, wie sie zum Beispiel in Skandinavien seit langem durchgeführt werden. Dadurch konnten Sterblich-keitsfaktoren für gefährdete Beutetiere objektiv bewertet und die erforderlichen Konsequenzen gezogen werden. Aufgrund dessen werden in Norwegen inzwischen Prämien für geschossene Rabenvögel gezahlt, um die hohen Bestände zu reduzieren. Und dadurch den "Verlierern" wieder eine Chance zu geben.
Inzwischen haben sich bereits Tausende Natur- und Vogelfreunde gegen den falsch verstandenen Schutz der Rabenvögel ausgesprochen und sich mit Protestschreiben an die Umweltministerien und Behörden gewandt. Dennoch haben erst vier Bundesländer die gesetzlichen Möglichkeiten genutzt und unbürokratische Wege zur Bestandsregulierung der Rabenvögel geebnet. Den Jägern geht es bei ihrer Forderung keineswegs um "eine sinnlose massive Verfolgung der Rabenvögel", wie einige Vertreter des Vogelschutzes unterstellen. Es soll nur dort in nennenswertem Umfang in die Population eingegriffen werden, wo Aaskrähe, Elster und Eichelhäher in der freien Landschaft hohe Dichten erreicht haben und damit zum Problem für die übrige Fauna oder die Landwirtschaft werden
Bündnis ´90 / Die Grünen
Artenschutz
Antworten: Mit der Einführung eines neuen Biotoptyps "Halboffene Weidelandschaft" bei der Novelle des Landesnaturschutzgesetzes und den praktischen Maßnahmen insbesondere der Stiftung Naturschutz sind bedeutende Schritte gelungen. Die Eutrophierung von Landschaft und Gewässern ist allerdings auch auf erhebliche Nährstoffeinträge aus der Luft herzuführen. Als Emittenten dieser Einträge sind mit jeweils hälftigen Anteilen die Landwirtschaft (kalte Ausgasung aus dem Güllelager, Gülleausbringung bei ungünstigen Wetterlagen etc.) sowie der Verkehr zu nennen. Daher sind hierfür Maßnahmen auf den Gebieten der Landwirtschafts- und Verkehrs- und Klimaschutzpolitik erforderlich. Die Grünen sind hierbei im Parteienspektrum die treibende Kraft. Als ein positives Beispiel unserer Politik sei das Stiftungsland Schäferhaus benannt: Im Stiftungsland Schäferhaus (Kreis Schleswig-Flensburg) wurden mit dem Südteil des ehemaligen Truppenübungsplatzes weitere 100 Hektar, darin auch Flächen der Stadt Flensburg, in die Beweidung einbezogen. Die mageren Sandflächen sind ein wichtiger Standort einer einzigartigen Tagfaltervielfalt, darunter der Lilagoldfalter, Zwergbläuling oder Blutströpfchen und müssen für deren Überleben zwingend offen gehalten werden. Mit einem gemeinsamen Naherholungskonzept ermöglichen die Stiftung Naturschutz, die Gemeinden Handewitt, Harrislee und die Stadt Flensburg auf dem Nord- und Südteil des Stiftungslandes den größten Naturerlebnisraum im Land Schleswig-Holstein.
Ja. Der Biber ist ein faszinierende Art, die zu der Gestaltung von Fließgewässern ganz im Sinne der WRRL beiträgt.
Wir setzen uns für eine Reform der aktuellen Jagdgesetze ein: zukünftig sollen nur noch Tierarten bejagt werden, die in ihrem Bestand gesichert und sinnvoll zu verwerten sind. Eine Bejagung u.a. von Beutegreifern und Zugvögeln ohne naturschutzfachliche Notwendigkeit lehnen wir grundsätzlich ab. Eine Jagdzeit für Rabenkrähe und Elster ist nicht notwendig und wäre in keiner Weise zielführend - wir lehnen sie ab.
F.D.P.
Artenschutz
Antworten: a ) Es ist Wesen eines veränderten Lebensraumes, dass sich die Vielfalt und die Anzahl bestimmter Arten verändert. Erfolgen stehen immer auch Verluste gegenüber. Wie richtig herausgestellt wird, wurden bei den Großvogelarten gute Erfolge erzielt. Zu den von Ihnen genannten "Verlierern" ist folgendes zu sagen.
Voraussetzung für eine wirkliche Bestandsaufnahme gefährdeter Arten sind die roten Listen, die aber vielfach auf unzureichendem Datenmaterial basieren. So wurde bei der Herausgabe der roten Liste für die Amphibien und Reptilien in Schleswig-Holstein folgendes festgestellt: "Leider ist in Schleswig-Holstein aktuell keine systematische, landesweite Erfassung der Herpetofauna mit einheitlicher Methodik durchgeführt worden, wie dies in anderen Bundesländern der Fall ist."
Wir halten eine solche wissenschaftliche Grundlage für die Benennung einer gefährdeten Art für nicht ausreichend.
Bevor wir uns also eine bestimmte Art heraussuchen, deren Lebensraum in der Vergangenheit eingeschränkt wurde, müssen wir untersuchen, ob hierdurch überhaupt eine Gefährdung der Art eingetreten ist. Dafür benötigen wir eine wissenschaftliche Erfassung mit einheitlicher Methodik. Erst, wenn dann die Gefährdung einer Art angenommen werden kann, stellt sich die Frage, wie man dieser Gefährdung entgegnen kann.
b) Durch die Einwanderung des Bibers können auch private Grundstückseigentümer betroffen sein. Es muss selbstverständlich mit diesen geklärt werden, welche Ausgleichsaufwendungen dafür zu leisten sind, dass die durch den Biber entstehenden Beeinträchtigungen hingenommen werden. Vielerorts ist der Biber aber auch sehr beliebt, so dass damit zu rechnen ist, dass etwaige Wasserstandsregulierungen auch von den Betroffenen freiwillig und gerne hingenommen werden. Sollten die Betroffenen die Beeinträchtigungen nicht hinnehmen wollen, muss über Umsiedlungsmaßnahmen für einzelne Exemplare nachgedacht werden.
c) Unserer Auffassung nach haben auch die Jäger ein Interesse an einer funktionierenden Natur. So halten wir eine Bestandsregulierung (die auch ohne Jagd erreicht werden kann) im Bereich der Kormorane für notwendig. Ob dies auch für die Rabenkrähe und Elster gelten soll, ist noch nicht weitergehend beraten worden. Wir werden entsprechende Gespräche mit Landesjagdverband und Naturschutzverbänden führen, um eine vernünftige Lösung zu erzielen.
SSW
Artenschutz
Antworten: Artenschutz lässt sich am besten mit "spektakulären" Arten, wie von Ihnen genannt, durchführen. Dies ist durchaus legitim, um insbesondere in der Bevölkerung die notwendige Akzeptanz für Artenschutz und auch Naturschutz zu erzielen. Ein moderner Artenschutz darf sich aber nicht nur an bestimmten Tierarten orientieren, sondern muss auch die weniger "spektakulären" Arten berücksichtigen.
Gleiches gilt für einen modernen Naturschutz, denn für die unterschiedlichen Biotope und die dazu gehörigen Bioindikatoren gibt es keine Wertigkeitsrangliste.
Die zaghafte Rückkehr des Bibers ist durchaus ein Erfolg für den Natur- und Artenschutz in Schleswig-Holstein. Dass es hierbei zu Konflikten mit betroffenen Flächenbesitzern geben kann, aufgrund der "Wasserstandsregulierungen" durch den Biber ist durchaus vorstellbar. Daher muss es rechtzeitig von Seiten der Naturschutzverwaltung entsprechende Projekte und Konzepte geben - Erarbeitet mit den Bürgern vor Ort -, die es ermöglichen, dass der Biber sich in Schleswig-Holstein wieder angesiedelt werden kann.
Die heftige Diskussion um Populationsgrößen von Rabenvögeln und Elstern in Teilen Schleswig-Holsteins ist hinlänglich bekannt. Hier muss aber erkannt werden, dass es in Teilen des Landes durchaus Probleme mit sehr großen Populationen gibt. Hier benötigen wir Regelungen, die insbesondere diese Fälle berücksichtigen. Dies gilt im übrigen auch für die Bisam-Problematik an der Westküste.