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NABU Schleswig-Holstein legt Jahresbericht und Naturschutzbilanz 2010 vor
Der Rückblick des NABU auf das Jahr 2010 stellt wieder eine Vielzahl von Aktionen und Aktivitäten des NABU dar. Im naturschutzpolitischen Bereich zeigte die Landesregierung vor allem Lernunfähigkeit: Die Chance, wichtige positive Korrekturen etwa beim Landesnaturschutzgesetz, bei der Kormoranverordnung und im Jagdrecht vorzunehmen, wurde weitgehend vertan. Kaum verwunderlich, dass das 2010-Ziel der EU, den Rückgang der Biodiversität in diesem Jahr zu stoppen, nicht erreicht wurde.
Immer offensichtlicher wird, wie dabei gerade der Bauernverband in Schleswig-Holstein starken negativen Einfluss auf den Erhalt unseres Naturerbes nimmt. Die Interessenvertretung der industriell wirtschaftenden Landwirte erweist sich als unfähig, konstruktive Antworten auf die drastische Umweltkrise in der Landbewirtschaftung - verursacht etwa durch massiven Grünlandumbruch und die drastische Zunahme des Maisanbaus für Agrogas-Anlagen - zu finden. Umweltfreundlicher agierenden Aktiven wie der Stiftung Naturschutz, aber auch den Öko-Landbauverbänden, neidet die Interessenvertretung der industriellen Landwirtschaft die EU-Prämien.
Der Rückblick im Einzelnen:
Die regierungsamtliche Umwelt- und Naturschutzpolitik im Land zwischen den Meeren brachte auch in diesem Jahr kaum Positives zustande. So ist vor diesem Hintergrund wenig verwunderlich, dass das für 2010 formulierte Ziel, den Artenschwund zu stoppen, grandios verfehlt wurde.
Landesnaturschutzgesetz verstümmelt
Das neue Landesnaturschutzgesetz, das Anfang März mit den Stimmen der CDU- und FDP-Fraktion im Kieler Landtag verabschiedet wurde, hat die fachlich notwendigen Standards für einen effektiven Schutz unseres Naturerbes im Land zwischen den Meeren noch einmal deutlich abgesenkt. Auch der Landesnaturschutzbeauftragte Klaus Dürkop übte heftige Kritik an der Naturschutz- und Agrarpolitik der Landesregierung. Kritisiert wurden vom NABU klammheimliche Laufzeitverlängerungen von naturschädigenden Gesetzen und Verordnungen, so u.a. der Landesjagdzeitenverordnung. Zwar beklagt das Ministerium Vergiftungen von Seeadlern und andere illegale jagdliche Verfehlungen, lehnt es aber ab, von der Jägerschaft Konsequenzen einzufordern.
Partner Bauernverband?
Immer schwieriger wird die Zusammenarbeit mit dem Bauernverband Schleswig-Holstein. In der Frage der Bewertung von Agro-Gas-Anlagen, des Grünlandumbruchs und des mangelhaften Knickschutzes gibt es weiterhin keine gemeinsame Bewertungs- und Handlungsbasis. Auch hat die überwiegend die Belange der Agroindustrie vertretende Organisation die Zusammenarbeit im Feldlerchenfenster-Projekt eingestellt - ein kurzer Zeitungsartikel, der die weithin bekannte kritische Situation der Vögel in der industriellen Agrarlandschaft beleuchtet, war der formale Anlass.
Der NABU teilt wie weite Teile der Gesellschaft die Ansicht, dass Landwirte für Subventionen eine Gegenleistung auch in Form von Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen erbringen müssen. Dies wird vom Bauernverband strikt abgelehnt. Für den Bauernverband reicht es als Reaktion auf die zunehmende Kritik in der Öffentlichkeit wie auch aus den eigenen Reihen nicht mehr aus, immer nur auf historische Leistungen etwa bei der Anlage und Pflege der Knicks zu verweisen. Denn fraglich ist, ob ein derartiger Einsatz heute noch zu erwarten wäre. Er muss sich auch damit kritisch auseinandersetzen, dass sich insbesondere in Ackerbaugebieten die Knicks - das prägendste Landschaftselement unserer Kulturlandschaft - überwiegend in einem desaströsen Zustand befinden. Besonders dreist ist es, wenn die auch für Laien offensichtliche drastische Verschlechterung der Situation der Knicks immer wieder schlichtweg geleugnet wird. Dem Bauernverband kommt dabei entgegen, dass eine Evaluation der erheblichen Einschnitte in den Schutz nie stattfand. Diese Zustandserhebung wurde - obwohl ursprünglich vom Ministerium angedacht - durch massive Intervention des Bauernverbandes letztlich verhindert. Wohl aus gutem Grund: Wäre doch so der offensichtlich schlechte Zustand des landschaftsprägendsten Elements der Kulturlandschaft erstmals auch von staatlicher Seite dokumentiert worden. Auch zur Agrogas-Problematik bleibt der Verband bis heute die Aussage schuldig, wie sie effektiv angegangen werden kann - wenn er sie nicht gar leugnet.
Vor dem Hintergrund von Attacken auf die Stiftung Naturschutz ist zu vermuten, dass der Bauernverband lästige finanzielle „Konkurrenten“ seiner Landwirte unter anderem um EU-Direktzahlungsmittel, Grünlandprämien und ELER-Zahlungen beseitigen will. Der Bauernverband vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass extensive landwirtschaftliche Nutzungsformen nicht unter den Begriff "Landwirtschaft" gefasst werden sollten - und damit auch nicht prämienberechtigt wären. Die extensive Pflege vieler Naturschutzflächen durch Landwirte wäre nicht mehr zuschussberechtigt. Dabei hat ein Urteil des EuGH dem bereits deutlich widersprochen.
Agro-Gas
Immer häufiger wird der NABU sowohl von interessierten Bürgern und Bürgeriniativen, wie auch von lokalen Parteivertretern aller Couleur auf dem Land um Hilfe bei Auseinandersetzungen um neu zu errichtende Agrargas-Anlagen gebeten. Der zur Energieerzeugung angebaute Mais - auf rd. 184.000 ha wurde diese Nutzpflanzenart im Jahr 2010 in Schleswig-Holstein angebaut, davon auf fast 100.000 ha Energiemais - bedroht u.a. durch Grünlandumbruch und Beeinträchtigungen der Gewässerqualität die biologische Vielfalt in der Kulturlandschaft.
Für den Gewässerschutz wirken sich Agrogasanlagen vielfach verheerend aus. Die Düngung von Energiemais führt häufig zu erheblichen Stickstoff (N) -Überschüssen. Bis zu 120 kg N/ha gelangen in Schleswig-Holstein mit dem Sickerwasser als Nitrat ins Grundwasser. Nicht zu vernachlässigen sind "Unfälle" beim Betrieb derartiger Anlagen: Durch das flächige, unsachgemäße Ausbringen von vergorener Gülle wurden Anfang März 2010 zwei Bachsysteme des Riesewohlds / Kreis Dithmarschen stark mit Abwässern belastet. Ausgebracht worden waren zehntausende Liter braunen, nährstoffbelasteten Schlamms aus einer Agrogasanlage. Die zunehmende Beeinträchtigung von Oberflächen- wie Grundwasser mit Nitraten steht im Widerspruch zu den zwingend umzusetzenden Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Entsprechend ist auf der Hälfte der Landesfläche Schleswig-Holsteins der Grundwasserkörper durch Sickerwassereinträge gefährdet.
Grund zum Klagen ...
Das Klageverfahren Beltringharder Koog konnte nun endgültig gewonnen werden, der Termin für die Gerichtsverhandlung in der Umweltschadensklage des NABU um den Wasserstand im EU-Vogelschutzgebiet Eiderstedt steht noch nicht fest. Der NABU begrüßt, dass eine feste Beltquerung als Brücke vom Tisch ist, sieht aber auch bei einem Absenktunnel massive Auswirkungen auf die Meeresumwelt. Von einer Wirtschaftlichkeit ist das Projekt weiterhin weit entfernt. Ins Verfahren der vom NABU abgelehnten Elbvertiefung hat der NABU sich fundiert eingebracht. Die erheblichen Einwändungen führten dazu, dass der Vorhabenträger inzwischen selbst zugibt, dass europäische Schutzgebiete erheblich beeinträchtigt werden.
Umweltakademie geht in 'Bildungszentrum' auf
Zusammengelegt und als „Bildungszentrum für Umwelt, Natur und ländliche Räume“ weitergeführt werden die Reste der Umweltakademie und des Vereins "Akademie für die ländlichen Räume" sowie der Förderverein der Umweltakademie. Der NABU hat diesen Prozess kritisch begleitet.
Wenn der Wolf kommt ...
Zu den wenigen positiven Ergebnissen des Jahres 2010 zählt, dass der vom NABU maßgeblich initiierte Wolfsfonds seit Anfang 2010 dafür sorgt, dass über ein bestimmtes Maß hinausgehende Schäden verursacht durch einwandernde Wölfe finanziell ausgeglichen werden können. Mittlerweile nutzt ein Wolf regelmäßig auch schleswig-holsteinisches Gebiet im Grenzbereich zu Mecklenburg-Vorpommern. Der Managementplan des Landes ist vorbildlich gelungen. Land und NABU investieren in die Ausbildung schleswig-holsteinischer Wolfsbetreuer.
Auch für die Arbeit des NABU in Schleswig-Holstein lieferte das vergangene Jahr 2010 einiges Berichtenswertes:
Stunde der Gartenvögel
Erfolgreich verlief wieder im Mai die NABU-Aktion "Stunde der Gartenvögel". In rd. 2.500 Gärten zählten mehr als 3.000 Beobachter fast 80.000 Vögel. Der harte Winter 2010 machte sich bei einigen Vogelarten deutlich bemerkbar, die Bestände von Haussperling, Star, Elster und Zaunkönig gingen gegenüber dem Vorjahr teils deutlich zurück.
Erfolgreiches Libellenprojekt
Auch das von der BINGO!-Umweltlotterie gefördete Libellen-Projekt des NABU Schleswig-Holstein war ein großer Erfolg. Neben einer Vielzahl von Vorträgen und Exkursionen vor Ort meldeten viele NABU-Aktive ihre Libellen Beobachtungen der NABU Landesstelle Wasser, lieferten so einen Erkenntnisbeitrag zur Verbreitung und Vorkommen dieser interessantenen Insektengruppe. Weiterhin konnte dabei gleichzeitig die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie EG-WRRL in Schleswig-Holstein konstruktiv und kritisch begleitet werden.
Kormoran: Vogel des Jahres 2010
Im NABU-Wasservogelreservat Wallnau liefert eine Webcam seit dem Juni Daten aus der dortigen Kormoran-Kolonie und erlaubt auch außerhalb der Brutzeit - sofern die Sonne genügend Energie zur Verfügung stellt - interessante Einblicke in die dortige Wasservogelwelt. Die unsinnige Kormoran-Verordnung des Landes, die den Abschuss des Vogels des Jahres 2010 im Binnenland erlaubt, besteht trotz mangelnder fachlicher Begründung weiter.
Der NABU überträgt seit Ende 2010 erstmals tagesaktuelle Fledermaus-Einflugdaten vom Segeberger Kalkberg ins Internet. Die Organisatoren der 14. Europäischen Nacht der Fledermäuse in Bad Segeberg brachten wieder für die Fans der Kobolde der Nacht ein spannendes Programm auf die Beine.
Das Brutjahr verlief für den Weißstorch nach langer Zeit wieder positiv. Es wurden erstmals mehr als zwei Junge pro Paar flügge. Die erfolgreiche Arbeit in den Naturschutzgebieten des NABU lief Dank der unermüdlichen Tätigkeiten der Schutzgebietsreferenten in den bekannt ruhigen Bahnen.
Meeresschutz
Auf großes Interesse stieß die Studie von NABU, GSM und GRD zum Beifang von Schweinswalen und Seevögeln in Stellnetzen der Fischerei. Ein Pinger-Projekt zur Verscheuchung von Schweinswalen aus den Netzen, beantragt beim MLUR, wurde vom NABU zurückgezogen, weil das Ministerium über eineinhalb Jahre benötigte, sich selbst zu positionieren und die Bewilligung zu erteilen. Im November 2010 war die Welt zu Gast beim MIREMAR-Kongress von NABU, GSM und GRD in Neumünster, der den internationalen Erfahrungsaustausch beim Umgang mit Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee vorangebracht hat.
Stiftung gegründet
Die NABU-eigene Stiftung „Naturerbe Schleswig-Holstein“ ist zum Ende des Jahres mit dem Segen des Kieler Innenministeriums gegründet worden und wird ihre Arbeit nun Anfang 2011 aufnehmen können. Sie soll die unabhängige Arbeit des NABU im Land zwischen den Meeren finanziell stärker absichern helfen. Hart treffen den NABU aber die Kürzungen der Landesregierung bei der institutionellen Förderung, die den Landesverband weiterhin zu Sparmaßnahmen zwingen.
Wechsel in der Geschäftsstelle
Das Jahr 2010 begann mit den Vorbereitungen für die Verabschiedung von Telse Wartenberg in ihren wohlverdienten Ruhestand. Mit Nikola Vagt wurde in der Geschäftsstelle ein kompetenter Neuanfang begonnen. Auf nunmehr fast 17.000 Mitglieder ist der größte Naturschutzverband Schleswig-Holsteins angewachsen, die dem Verband immer mehr Gewicht geben.
Naturschutzjugend auf Erfolgskurs
Die NAJU hat auch dieses Jahr mit zwei erfolgreichen Kinder- und Jugendcamps und rd. 50 Naturgeburtstagen erfolgreich abgeschlossen. Gesucht werden junge Aktive, die sich mit Gleichaltrigen engagieren möchten.
NABU-Vertreter in Lübeck
Erstmals seit vielen Jahren tagten wieder die Bundesvertreter ders NABU in Schleswig-Holstein. Im Beisein der Umweltministerin Dr. Juliane Rumpf wurden wichtige naturschutzpolitische Beschlüsse gefasst.
ILu 03. Februar 2011