Ansprengungen: Norweger machen es vor
NABU fordert einheitliches Vorgehen bei „ex-Karslruhe“
Neumünster, 1. Februar 2019 - Unterwasserdetonationen sind tödlich für Meerestiere. Eine Detonation von Munition kann noch in vielen Kilometern Entfernung bei Schweinswalen lebensbedrohliche Verletzungen hervorrufen. Fischarten werden ebenfalls geschädigt. Neue Entwicklungen erfordern nach Ansicht des NABU auch bei der von der Bundesmarine geplanten Ansprengung der ex-Fregatte „Karlsruhe“ den Einsatz eines Blasenschleiers zum Schutz vor gefährlichen Schockwellen.
Bislang ignoriert die Bundesmarine weiterhin den für alle planbaren Unterwasserdetonationen geforderten Einsatz von Blasenschleiern. Der NABU Bundesverband bat zudem in einem an die Verteidigungsministerin gerichteten Schreiben um einen diesbezüglichen Dialog. In seiner Antwort vom 8. März 2018 behauptete der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Gerd Hoofe, dass bei vergleichbaren Sprengungen bei Schönhagen in der Vergangenheit „keine ursächlich auf den Bundeswehrbetrieb zurückzuführenden Umweltschäden festgestellt werden konnten“. Beim NABU stoßen die Ablehnung eines Dialogs und die unzutreffende Darstellung auf Unverständnis: „Schweinswale, die durch ein Sprengtrauma taub werden, schwimmen nicht sofort kieloben, sondern verhungern elendig, da sie ihre Beute nicht mehr mit ihrem Bio-Sonar orten können,“ führt NABU-Biologe Ingo Ludwichowski aus.
Aus Sicht des NABU gibt es nun wesentliche neue Entwicklungen, die ein Überdenken der bisherigen Position des Verteidigungsministeriums erfordern:
- Am 22. November 2018 stellte die norwegische Marine auf der Tagung „Fjellsprengningsdagen“ in Oslo den erfolgreichen Einsatz eines Blasenschleiers beim Ansprengen einer 134 m langen Fregatte der Frithjof-Nansen Klasse vor. Der Blasenschleier wurde bei drei Detonationen von je 500 kg Sprengstoff zum Schutz von Lachsfarmen eingesetzt. Begleitende Schallmessungen belegten eine Reduktion der Schockwelle um 12 dB. In Versuchen der Bundeswehr konnte bei der Sprengung von Seeminen sogar Minderungen um 16 bis 19 dB erreicht werden. Dies entspricht einer Verringerung der gefährdeten Fläche um rd. 99 %.
- In der Antwort vom 23. Oktober 2018 auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Cornelia Möhring (Fraktion die LINKE) führt die Bundesregierung zum Einsatz von Blasenschleiern bei Sprengungen von Altmunition aus: „Aus Sicht der Bundesregierung handelt es sich um die beste verfügbare Technik (Best Available Technique, BAT), die beste Umweltpraxis (Best Environmental Practice, BEP) und ist als Stand der Technik anzusehen.“
Zuletzt wurde die geplante Ansprengung der 130 Meter langen ex-Fregatte „Karlsruhe“ auf unbestimmte Zeit verschoben. Der NABU befürchtet die Wiederaufnahme im späten Frühjahr noch vor der Fortpflanzungszeit der Schweinswale. Der NABU fordert die Bundeswehr auf, dem norwegischen Vorbild zu folgen und die Zeit zu nutzen, den Einsatz eines Blasenschleiers zum Schutz der Meeresumwelt vorzubereiten.
Hermann Schultz, Landesvorsitzender des NABU Schleswig-Holstein: „Die Bundeswehr muss nun die von ihr mitentwickelte Technik einsetzen. Es ist inakzeptabel, den nach Auffassung der Bundesregierung vorliegenden „Stand der Technik“ seitens der Verteidigungsministerin zu ignorieren.“
ILu, 1. Februar 2019
Fragen und Antworten zur Ansprengung, akt. 17. September 2019
I. Wozu dienen Ansprengversuche?
Ansprengversuche dienen dazu, bei einer neu in Dienst gestellten Schiffsklasse designbedingte Schwachstellen eines Schiffstyps in Bezug auf nahegelegene Unterwasserexplosionen zu ermitteln. Die Ergebnisse gelten also nur für eine Schiffsklasse. Streng genommen gelten sie sogar nur unter den Testbedingungen (bezüglich Ladungsgrößen, Entfernungen, Wassertiefe). Auf andere Bedingungen, die eher denen in einem Seegefecht ähneln, muss mithilfe von Modellen extrapoliert werden.
II. Wozu dienen die Ansprengversuche an der Karlsruhe?
Die Typklasse F212, zu der die Karlsruhe gehört, wurde bereits Anfang der 1980er Jahre in Dienst gestellt und ist mittlerweile ausgemustert. Demnach sind Ansprengversuche unter der normalen Zielsetzung überflüssig. Die Messdaten und daraus abgeleitete Modelle zum Verhalten des Schiffes lassen sich allenfalls auf dieselbe Schiffsklasse übertragen. Weitere Schiffe dieser Bauart wird es aber nicht geben.
Es geht bei der Ansprengung der Karlsruhe vor allem um die Validierung eines Modells, mit dem Auswirkungen von Sprengungen auf Kriegsschiffe generell beurteilt werden sollen. Entsprechende Modell-Simulationen können insgesamt sinnvoll und vorteilhaft für die Umwelt sein, sofern damit zukünftige Sprengungen vermieden werden können.
Es gibt jedoch mittlerweile schon mehrere numerische Modellierungs- und Simulationsverfahren, die heute schon Ansprengversuche weitgehend ersetzen können. Es ist zu hinterfragen, ob wirklich jeder NATO Partner ein eigenes Modell benötigt. Um generelle Phänomene aus dem Verhalten des Schiffskörpers für ganz andere Schiffe abzuleiten, kann auf eine große Datenmenge der Bundeswehr und von NATO-Partnern von Ansprengungen an diversen Schiffsklassen zurück gegriffen werden, da eine Vielzahl von Schiffen unterschiedlicher Bauart bereits angesprengt wurde. Auf NATO Ebene liegen mittlerweile die Daten vieler hundert Sprengungen vor, aus denen entsprechende Modelle abgeleitet werden können. Daten von jeder weiteren Sprengung haben nur noch einen geringen Zusatznutzen und dienen möglicherweise eher der Profilierung beteiligter Wissenschaftler, indem z. B. mit verfeinerten Messmethoden noch genauer gemessen wurde als bei vergangenen Ansprengversuchen.
Die Ansprengung der Karlsruhe würde zur möglichen Weiterentwicklung derartiger numerischer Modelle lediglich einen weiteren Datenpunkt liefern bzw. die vorhandenen Daten bestätigen. Es muss hinterfragt werden, ob sich damit die mit der Ansprengung verbundenen erheblichen Risiken für Meeressäugetiere, Fische und die deutschlandweit bedeutende Uferschwalbenkolonie in Schönhagen rechtfertigen lassen.
III. Wie läuft eine Explosion ab und welche Effekte wirken auf den Schiffskörper?
Durch die sehr hohe Detonationsgeschwindigkeit moderner Sprengstoffe bildet sich bei der Umsetzung des festen Sprengstoffs in gasförmige Reaktionsprodukte eine Schockwelle aus, die sich mit Überschallgeschwindigkeit ausbreitet und auf das Wasser übertragen wird. Das Wesen dieser Schockwelle ist eine unendlich kurze Signalanstiegszeit (Abbildung 1). D. h. der Druckimpuls baut sich unmittelbar zu voller Stärke auf und fällt danach exponentiell ab.
Die bei der Umsetzung entstehende Gasblase steigt an die Wasseroberfläche auf und pulsiert dabei. Durch den Wasserdruck kollabiert die Blase aus den sich ausbreitenden Verbrennungsgasen mehrfach, wodurch weitere, in ihrem Pegel stark abnehmende Schallimpulse (sog. Bubble Pulses) entstehen (Abbildung 1). Die Druckamplitude (=Höhe) des zweiten Bubble Pulses beträgt etwa noch ein Fünftel der des ersten. Dieser ist jedoch schon so stark abgeschwächt, dass er für einen Physiker noch interessant aber für die Beurteilung der Beschädigungskraft der Explosion irrelevant ist. Gegenüber der Schockwelle ist die Signalanstiegszeit von Bubble Pulses deutlich länger. Auch ist im Flachwasser der Eckernförder Bucht (ca. 23 m an der Sprengstelle) das Frequenzspektrum der Bubble Pulses deutlich zu tiefen Frequenzen verschoben. Dadurch wirken sie völlig anders auf den Schiffskörper als die Schockwelle, die ganz überwiegend für Schäden am Schiff verantwortlich ist.
Abbildung 1: Zeitsignal einer Minendetonation (Quelle: www.dosits.org).
Durch eine in der Nähe stattfindende Detonation wirken verschiedene Effekte auf den Schiffskörper. Art und Stärke hängen vor allem von der Ladungsgröße, Entfernung und Orientierung zum Schiff (von vorne, hinten oder seitlich) ab.
Es treten folgende Effekte auf:
1. Durch die Schockwelle:
Die Ausbreitung der Schockwelle mit Überschallgeschwindigkeit führt zu starken Zug-, Druck und Scherkräften auf Schweißnähte am Schiffsrumpf. Plastische Verformungen des Rumpfes entstehen, wenn über die Rückstellbarkeit der Verformungen hinausgehende Kräfte wirken. Dies soll im zukünftigen Schiffsdesign weitgehend vermieden werden. Derartige Verformungen entstehen durch die Schockwelle, die nur von sehr kurzer Dauer ist aber unmittelbar eine enorme Kraft entfaltet. Dieser Effekt lässt sich auf die hochfrequenten Anteile im Frequenzspektrum zurückführen. Diese entstehen durch die sofortige Ausbildung des Druckmaximums bei der Explosion. Tieffrequente Anteile (bedingt durch längere Signalanstiegszeiten) dürften weitaus weniger bedeutsam sein.
Erschütterungen sind ebenfalls ein Effekt der Schockwelle. Diese wirken auf die meistens schwingend gelagerten elektronischen Komponenten an Bord. Diese Komponenten sind bezüglich ihrer Schockempfindlichkeit getestet und zertifiziert. Gleichwohl können sich je nach Anordnung im Schiffskörper unterschiedliche Auswirkungen ergeben, bis zum Totalausfall der elektronischen Systeme. Dies würde die Angriffsbereitschaft des Kriegsschiffes stark beeinträchtigen. Ein Ziel im Schiffsdesign ist es daher, dem Ausfall wichtiger Komponenten vorzubeugen. Diese Effekte sind jedoch spezifisch für jede Schiffsklasse, so dass die Ansprengversuche der Karlsruhe hier nur bedingt Erkenntnisse für zukünftig zu bauende Schiffsklassen liefern können.
2. Durch die Bubble Pulses:
Bei einer Detonation im flachen Wasser (23 m) finden sich in den Bubble Pulses keine derart hochfrequenten Anteile wie in der Schockwelle. Insofern ist die Wirkung auf das Schiff eine Andere und durch die deutlich geringere Druckamplitude ohnehin um Größenordnungen schwächer. Durch die Bubble Pulses werden Schwingungen auf den Schiffsskörper („whipping“) übertragen. Dies sind oszillierende elastische Verformungen des Schiffes. Dadurch können auch Zug-, Druck und Scherkräfte auf Schweißnähte einwirken. Jeder Schiffskörper ist auf derartige elastische Verformungen ausgelegt, die auch durch Wellen entstehen. Die Widerstandsfähigkeit des Schiffes wird durch elastische Verformungen nicht beeinträchtigt.
IV. Inwieweit schützt ein Blasenschleier die Meeresumwelt?
Ein Blasenschleier wird erzeugt, indem man mit Kompressoren Druckluft in ein am Meeresboden verlegtes Düsenrohr presst. Die aufsteigenden Blasen umschließen eine Lärmquelle und schirmen sie zur Umgebung hin akustisch ab. Bei Experimenten der Bundeswehr sind bei Unterwasserdetonationen deutliche Reduktionen der Druckamplitude der entstehenden Schockwelle gemessen worden. Bei Sprengladungen von 300 kg und einem Blasenschleier mit einem Radius von 70 m wurde eine Reduktion der Druckspitze um 16 bzw. 19 dB gemessen (Schmidtke 2010). Das entspricht einer Reduktion der Fläche, in der negative Auswirkungen z. B. auf Schweinswale, Fische oder Vögel zu erwarten sind, um über 99 %. Der positive Effekt des Blasenschleiers ist darauf zurückzuführen, dass die Blasen durch die Schockwelle komprimiert und wieder entspannt werden. Die Blase nimmt dabei Schallenergie auf, erwärmt sich dabei und gibt die Energie verzögert wieder ab. Dadurch wird die Druckspitze gemindert und die Energie über eine längere Dauer verteilt. Weiterhin wird ein Teil der Schallenergie nach innen reflektiert.
Daher fordert der NABU bei den Ansprengversuchen die Verwendung eines Blasenschleiers mit einem hinreichend großen Mindestabstand zur Detonationsstelle. Weil Detonationseffekte auf das Schiff erwünscht sind, muss jedoch bei Ansprengversuchen der Blasenschleier immer um Detonationsstelle und das komplette Schiff gelegt werden, wozu ein entsprechender Aufwand nötig ist. Blasenschleier mit einer Länge von 1.600 m (entsprechend einem Durchmesser von >500m) entsprechen derzeit dem Stand der Technik und werden standardmäßig beim Rammen von Windenergieanlagenfundamenten eingesetzt.
V. Gibt es unerwünschte Effekte eines Blasenschleiers bezüglich der Wirkung auf den Schiffskörper?
Bei einer Explosion wirkt der gewünschte Effekt direkt auf das Schiff, sofern Schiff und Sprengladung vom Blasenschleier umschlossen werden. Zeitversetzt können am Blasenschleier reflektierte tieffrequente Anteile des Detonationsschalls auf das Schiff wirken, hochfrequente Anteile werden absorbiert und nicht reflektiert. Die Stärke des reflektierten Schallanteils ist somit vernachlässigbar, dieser kann aber unter Umständen die Ergebnisse der Schallmessungen geringfügig erhöhen (s. folgende Frage VI).
VI. Gibt es unerwünschte Effekte eines Blasenschleiers bezüglich der Wirkung auf die beabsichtigte Messung?
Die Wirkungsweise eines Blasenschleiers ist im Wesentlichen auf zwei Effekte, Reflexion und Absorption, zurückzuführen. Die Reflexion von Schall kann sich auf Druckmessungen innerhalb des Blasenschleiers auswirken, die Kombination beider Effekte auf Messungen außerhalb des Blasenschleiers, da die Reduktion der Druckspitzen jenseits des Blasenschleiers zum Schutz der Umwelt ja ein beabsichtigter Effekt ist.
Von der Bundeswehr wird argumentiert, dass man ein mehrere Sekunden langes Zeitfenster für die Messungen benötigt, das von Reflexionen unbeeinträchtigt ist. Dies würde aufgrund der Schallaufzeit erhebliche Abstände eines Blasenschleiers erfordern und sei daher nicht praktikabel.
- Die Dauer der Schockwelle, die für Schäden am Schiff verantwortlich ist beträgt nur wenige Millisekunden. Der erste Bubble Pulse folgt in Abhängigkeit von Ladungsgewicht und Wassertiefe maximal wenige hundert Millisekunden später. Der zweite Bubble Pulse geht im Rauschen unter und ist ohnehin nicht mehr mit hinreichender Genauigkeit messbar. Die vielfachen Reflexionen an Wasseroberfläche und Meeresboden führen im Flachwasser ohnehin zu schwer interpretierbaren Interferenzen.
- Das Zeitfenster für die Messung muss daher nicht länger als eine Viertelsekunde sein, um innerhalb eines Blasenschleiers von 250 m Radius die Schockwelle und den ersten Bubble Pulse frei von etwaigen Reflexionen zu messen, sofern dies nötig sein sollte.
- Die hochfrequenten Anteile, die für die plastische Verformung des Schiffs verantwortlich sind, werden nicht reflektiert sondern von den Blasen absorbiert. In einer frequenzaufgelösten Darstellung können daher die für das Schiff schädlichen Bestandteile ohnehin separat analysiert werden.
- Selbst wenn Reflexionen durch den Blasenschleier mit gemessen werden, lässt sich der durch den Blasenschleier erzeugte Effekt vom Effekt der Schockwelle in einer zeitaufgelösten Darstellung durch den geringen Zeitversatz des reflektierten Signals leicht vom relevanten Anteil, der Schockwelle, trennen.
- Durch die Reflexion tieffrequenter Anteile innerhalb des Blasenschleiers kann sich eine geringfügige Erhöhung der gemessenen Schallenergie ergeben. Dadurch würden Effekte der Detonation auf das Schiff möglicherweise leicht überschätzt. Im Sinne einer konservativen Herangehensweise und im Sinne der Sicherheit von Marinesoldaten auf zukünftigen Kriegsschiffen ist eine konservative Herangehensweise sogar geboten.
- Eine 100 % exakte Messung ist aufgrund von Reflexionen, Messungenauigkeiten usw. ohnehin nicht möglich. Dem Wunsch der Physiker nach weitgehend ungestörten Messwerten kann, wie oben erläutert wurde, auch mit einem Blasenschleier Rechnung getragen werden. Der NABU bezweifelt, dass eine zusätzliche vermeintliche Genauigkeit der Messwerte das damit verbundene Risiko für die Meeresumwelt bei Verzicht auf den Blasenschleier rechtfertigt.
VII. Würde nicht ein halbringförmiger oder linearer Blasenschleier ausreichen?
Durch einen nur seeseitig ausgebrachten, halbringförmiger Blasenschleier (bei einer Maximallänge des Düsenrohres von 1.600 m) könnte der Blasenschleier sogar in einer Entfernung von 500 m ausgebracht werden, was das Zeitfenster für die Messung verdoppeln würde. Die Reduktion der Gefährdungsfläche für Meerestiere betrüge dann zwar nur ca. 50 %, sie wäre aber ebenfalls noch substanziell. Der ungeschützte Bereich zum Land hin könnte durch verstärkte zusätzliche Minderungsmaßnahmen (Observation von mehreren Schiffen, Vergrämung) verstärkt abgedeckt werden, weil Beobachter sich auf einen kleineren Bereich konzentrieren könnten. Dieses wäre aus naturschutzfachlicher Sicht aber nur die zweitbeste Minderungsoption.
VIII. Woher kommen Vorbehalte der Bundeswehr bezüglich der positiven Wirkung eines Blasenschleiers für die Meeresumwelt?
Es ist zu vermuten, dass die hohen Kosten eines Blasenschleiers (im Vergleich zu seinem Verzicht) ein Argument sind, das die Entscheidung für diese effektive Minderungsmaßnahme erschwert. Angesichts der für die Reparatur der Gorch Fock aufgewendeten 120 Millionen Euro fallen die Kosten eines Blasenschleiers im Verteidigungshaushalt nicht weiter ins Gewicht.
Die Bundeswehr führte im Gespräch mit dem NABU eine kanadische Untersuchung (Rude & Lee 2007) ins Feld, in der keine signifikante Verringerung des Druckimpulses einer Schockwelle durch einen Blasenschleier erzielt wurde. Dies steht aus unserer Sicht jedoch nicht im Widerspruch zu den durchweg positiven Ergebnissen ihrer eigenen Untersuchung im Sperrgebiet von Heidkate im Jahr 2011, die für einen Blasenschleier sprechen. Im kanadischen Versuch wurde die Sprengung in einem direkt um die Ladung herum erzeugten Wasser-Blasen-Gemisch durchgeführt, während bei den Untersuchungen der Bundeswehr 2011 der Blasenschleier in einer Entfernung von 70 m von der Detonation errichtet wurde. Der Blasenschleier verhindert nicht die Bildung der Schockwelle, sondern die sich ausbreitende Schockwelle wird effektiv durch einen ringförmigen Blasenschleier in hinreichend großem Abstand gedämpft. Auch in der kanadischen Studie ergab sich eine Reduktion der Druckspitze und daraus resultierend eine Verteilung der Gesamtenergie der Schockwelle über eine längere Zeit. Für die Verletzung von Schweinswalen oder Fischen ist das Druckmaximum verantwortlich und nicht die Energie. Insofern ist es unproblematisch, wenn der Druckimpuls (also die Energie) nicht gemindert wird.
IX. Reicht es nicht aus, Schweinswale und andere Meerestiere vor der Sprengung zu verscheuchen?
Nein. Die Wirksamkeit akustischer Vergrämung auf Schweinswale ist bei bestimmten Geräten nachgewiesen, jedoch bietet aufgrund individueller Unterschiede im Meideverhalten und Motivation (Vorhandensein von Beute!) keine einzige akustische Vergrämungsmaßnahme eine vollständige Sicherheit für die Tiere. Die Angaben zu maximalen Vergrämungsradien sind in verschiedenen Studien widersprüchlich. Eine vollständige Vergrämung über die Entfernung prognostizierter Gefährdungsradien von mehreren 100 kg TNT-Equivalent bei einer Detonation ohne Blasenschleier ist nicht möglich! Diese ließe sich nur bei einer gleichzeitigen Verwendung eines Blasenschleiers erzielen, da durch den Blasenschleier die Gefährdungsradien deutlich verringert sind.
Stellnetzpinger haben einen maximalen Vergrämungsradius von wenigen hundert Metern und sind allenfalls dazu geeignet, Schweinswale aus einem Blasenschleier herauszuhalten, damit sie nicht der ungeminderten Schockwelle im Nahbereich ausgesetzt werden, was für die Tiere unmittelbar tödlich wäre. Sogenannte PALs haben dem Sinn ihrer Entwicklung nach keine Vergrämungswirkung, könnten aber zu Pingern mit Scheuchwirkung umprogrammiert werden. Auch sie sind nicht wesentlich lauter. Sogenannte Sealscarer vertreiben Schweinswale in einem größeren Umkreis als Pinger (bis zu mehreren Kilometern, aber nicht alle Tiere).
Eine akustische Vergrämung von Schwimm- und Tauchvögeln ist nicht möglich. Auch für Fische gibt es keine etablierte Vergrämungsmethode.
X. Wie lassen sich Auswirkungen auf die bedeutende Uferschwalbenkolonie mindern?
Messungen der Seismik von Explosionen wurden von der Bundeswehr schon mehrfach durchgeführt. Ziel der Untersuchungen war es, festzustellen, ob in der Umgebung Gebäudeschäden auftreten können. Die Stabilität einer Uferschwalben-Wohnröhre ist jedoch deutlich geringer als die von Wohngebäuden. Insofern lässt sich das Ergebnis der Untersuchungen nicht auf die Behausungen der Schwalben übertragen. Allein ein Verzicht auf Sprengungen zur Brutzeit wäre eine wirkungsvolle Minderungsmaßnahme zum Schutz der Schwalben vor der Verschüttung von Eiern oder Jungvögeln.
Die Wahl der Detonationsstelle hat einen erheblichen Einfluss auf die durch den Meeresboden verlaufende, sich ringförmig um die Detonationsstelle ausbreitende seismische Welle, die zu Erschütterungen an Land führen wird. Als Detonationsort wäre sandiger Boden gegenüber schlickigem Boden zu bevorzugen, um die Erschütterungen gering zu halten, da durch die Verschiebung der Körner gegeneinander die Ausbreitung der seismischen Welle (gegenüber plastisch verformbarem Schlick) verringert wird. Die seismische Bodenwelle lässt sich auch durch einen großen Blasenschleier nicht eindämmen. Es würde jedoch das sekundäre Ankoppeln von Unterwasserschall an den Boden mit einem großen Blasenschleier verringert. Die Auswirkungen dieser Vorkehrungen auf Uferschwalben-Brutröhren lassen sich jedoch nicht hinreichend prognostizieren, um den Schutz der Schwalben vor einer in der Brutzeit durchgeführten Sprengung zu gewährleisten.