Der Harkebach ist Lebensraum zahlreicher seltener und gefährdeter Tierarten. Der naturnahe und mit bester Wasserqualität ausgestattete Bach bietet von der Quelle bis zum Unterlauf zahlreichen Eintags-, Köcher- und Steinfliegen einen zusagenden Lebensraum. Sieben Steinfliegenarten - sonst kaum in anderen Gewässern in Schleswig-Holstein nachweisbar - leben hier.
Die Steinfliege Capnia bifrons zählt landesweit zu den seltenen und stark gefährdeten Arten. Im Riesewohld hat sie ein westliches, isoliertes Vorkommen. Die Larven leben ein Jahr in beschatteten, steinig-kiesigen Waldbächen und ernähren sich als Zerkleinerer von pflanzlicher Nahrung. Diese Insektenart legt kaum jemals größere Distanzen außerhalb des Waldes zurück. Eine Neubesiedlung des belasteten Gewässerabschnitts erscheint gegenwärtig unwahrscheinlich.
Umweltkatastrophe im Riesewohld
Große Mengen Gülle aus Agrogasanlage gelangen in Fließgewässer
15. März 2010: Durch das flächige, unsachgemäße Ausbringen von vergorener Gülle sind am 9. März zwei Bachsysteme des Riesewohlds, der Steinfliegen- und der Harkebach, auf etlichen Kilometern Länge stark mit Abwässern belastet worden. Eigentlich dem Uhu auf der Spur, fand der Ornithologe Dr. Volker Arnold bei einem Beobachtungsgang im Wald im Bett des "Steinfliegenbaches" nicht das sonst übliche klare, trinkbare Wasser, sondern eine dunkelbraune, schäumende Brühe vor.
Auch am folgenden Tag flossen noch größere Mengen Reststoffe in das nahe gelegene Gewässersystem des Harkebachs: Bei einer weiteren Suche stellte sich heraus, dass auch auf einer nördlich anschließenden Fläche Gülle aufgebracht worden war, die ebenfalls als braune Brühe in großer Menge in das Bachsystem lief, das den nahe gelegenen Wald durchquert.
Aufgebracht worden waren zehntausende Liter braunen, vergorenen, nährstoffbelasteten Schlamms aus einer Agrogasanlage bei Hollenborn. Auf gefrorenem und bis zu 30 cm hoch mit Schnee bedecktem Boden lief ein großer Teil des für Gewässerorganismen schädlichen Abfalls auf dem hart gefrorenen Boden offenbar direkt den Hang hinunter bis in einen benachbarten Wald. Hier befinden sich ausgedehnte Quellfluren, die zwei der wertvollsten Quellbäche des Riesewohldes speisen.
Der betroffene Abschnitt ist wegen seiner großen Bedeutung für Flora und Fauna als Natura-2000-Fläche EU-rechtlich geschützt. Den besonderen Wert der Bäche für den Naturschutz untermauern wissenschaftliche Untersuchungsberichte des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) aus den Jahren 1998, 2007 und 2009. Die Flächen stehen im Eigentum der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein und sind auch Teil eines Trinkwasserschutzgebietes.
Quellen speisen üble Brühe ins Gewässer
Auf der begüllten Fläche ziehen sich Schlammbänder durch den Schnee, auch unter der Schneedecke tritt braun gefärbtes Wasser hervor. Die ursprünglich Trinkwasserqualität aufweisenden Quellen im Einzugsbereich der Bäche geben jetzt eine üble braune Brühe in das Gewässer ab. Der eilig herbeigerufene Kreisnaturschutzbeauftragte Walter Denker war ebenso wie zahlreiche andere Beobachter entsetzt über den aktuellen Zustand der Flächen und bezeichnete den Vorfall als "mittlere Katastrophe" für den wertvollen Lebensraum.
Mindestens einen Tag lang floss die Brühe ungehindert in die zwei Quellsysteme, durchquerte dabei den gesamten Riesewohld und floss auf der anderen Seite braun schäumend in die Niederung - extensiv genutzte Galloway-Weiden der Stiftung Naturschutz - ein. Die Gewässer gehören zum Einzugsgebiet der Meldorfer Bucht, in die die Nährstofffracht vordringen wird.
Am 10. März 2010 wurden von der alarmierten Umweltpolizei und Vertretern der unteren Wasserbehörde UWB des Kreises Dithmarschen vor Ort Wasserproben entnommen. Die UWB hat die sofortige Abdämmung des Hangs veranlasst, damit der belastete, schmelzende Schnee nicht als Schlammlawine weiter in die Quellbäche eindringt.
Immenser ökologischer Schaden
Nach Einschätzung des NABU ist ein immenser ökologischer Schaden im Bachsystem entstanden. Den Hauptbach und vier seiner Quellbäche bedeckt auf weiter Strecke eine braun-graue Brühe, das Wasser ist schlammig-trüb gefärbt. Alle Steine und Moose, aber auch Sand und Kies sind im Bach und am Ufer mit Schlamm bedeckt. Nur zwei Nebenbäche blieben wegen ihrer abseitigen Lage unbeeinflusst. Der Schaden für die Organismen ist absehbar: Die nährstoffreiche Fracht entzieht dem Bach den notwendigen Sauerstoff. Damit sterben zahlreiche der für das Gewässer typischen Organismen ab.
Erhaltungszustand drastisch verschlechtert
Der NABU geht von einer erheblichen Verschlechterung des Erhaltungszustandes des FFH-Gebietes aus und wertet den Vorfall als grob fahrlässige Gewässerverunreinigung. Der NABU fordert, den Vorfall intensiv zu untersuchen und daraus die dringend notwendigen Konsequenzen zu ziehen: Sollte der Tatbestand der Gewässerverunreinigung mindestens billigend in Kauf genommen worden ein, sollte dem Betreiber - falls er für das Ausbringen der Gülle verantwortlich zeichnet - auch die Betriebserlaubnis für die Agrargas-Anlage entzogen werden. Äußerungen deuten darauf hin, dass sich dieser über die hohe Schutzbedürftigkeit des Gebietes, die Gesetzeslage und die rechtlichen Konsequenzen seines Handelns nicht im Klaren war. Möglicherweise reichten wegen der lang anhaltenden Schnee- und Frostlage auch die Kapazitäten der Anlage zum Rückhalt der Jauche nicht aus.
Es zeigt sich, dass durch massiven Maisanbau für Agrogasanlagen nicht nur in erheblichem Maße wertvolles Grünland umgebrochen wird und als Lebensraum für Kiebitz und Sumpfdotterblume verloren geht, sondern auch Abfallprodukte der Anlagen eine ständige Bedrohung für benachbarte Ökosysteme darstellen können.
TB, ILu akt. 19. März 2010
Pressemitteilungen des NABU zum Thema 'Gülle'
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