Ein Zeitungsartikel und seine Folgen ...
Der Bauernverband und eine kritische Brichterstattung
Dass die industrielle Landwirtschaft einen maßgeblich negativen Einfluss auf die biologische Vielfalt ausübt, ist hinlänglich u.a. aus den "Roten Listen" der bedrohten Tier- und Pflanzenarten herauszulesen. Auch in den Medien wird zunehmend über die steigende Bedrohung der biologischen Vielfalt berichtet, so am 16. September 2010. Auf Anfrage eines Journalisten des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages SHZ hatte der Biologe Bernd Koop aus Lebrade die Ergebnisse von Untersuchungen zur Bestandsentwicklung von typischen Vögeln der Agrarlandschaft im Land zwischen den Meeren referiert und Ursachen für die negativen Trends benannt.
Bezeichnend ist, wie der Bauernverband auf die Darstellung längst bekannter und allgemein anerkannter Zusammenhänge reagiert. Der NABU dokumentiert Anlass und Reaktion.
'Lerche, Kiebitz und Goldammer sind bedroht'
Vollständiger Text des Artikels in der SHZ, 16. September 2010
"Kaum jemand macht sich Sorgen um Tiere, die es häufig in Schleswig-Holstein gibt. Ein Fehler, wenn man Bernd Koop aus Lebrade (Kreis Plön), Ornithologe beim Naturschutzbund, glaubt. Denn: „In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Bestand der Feldlerche etwa halbiert. Bei der Goldammer und dem Kiebitz gibt es Einbußen von bis zu einem Drittel." Das liege vor allem daran, dass es immer weniger naturbelassene Wiesen gebe und landwirtschaftliche Flächen intensiver bewirtschaftet würden. „Die Vögel finden durch den Einsatz von Insektiziden weniger Nahrung", so Koop. „Wenn die Zustände sich nicht ändern, kommen wir binnen fünf Jahren in eine bedrohliche Lage."
'Bedauerlich'
Leserbrief des Bauernverbandes in der SHZ, 17. September 2010
"Es ist bedauerlich, dass der Naturschutzbund (Nabu) nach wie vor meint, durch Negativmeldungen Menschen für den Naturschutz begeistern zu können. Einen Zusammenhang zwischen dem Rückgang einzelner Vogelarten und der Landwirtschaft herzustellen, ist fragwürdig: Zunächst ist der Rückgang vieler bodenbrütender Arten, zu denen auch die Feldlerche gehört, auf unterschiedlichste Faktoren zurückzuführen, unter anderem auch auf den zunehmenden Druck durch Prädatoren wie den Fuchs, so dass eine alleinige Verantwortung der Bewirtschaftung bereits an dieser Stelle zu kurz greift. Den Erklärungsversuchen steht zudem entgegen, dass sich andere Vogelarten, die in der offenen Agrarlandschaft vorkommen, ganz erheblich im Bestand vermehrt haben. Als Brutvogel ist z.B. die für Agrarlandschaften typische Wachtel, früher als stark gefährdet eingestuft, mittlerweile nicht mehr in einer Gefährdungskategorie zu finden. Viele Greifvögel, die in der offenen Landschaft jagen, haben sich in ihren Beständen z.T. deutlich erholt. Als Beispiel hierfür mag der Rotmilan gelten, der vormals als Art der Vorwarnliste galt, mittlerweile aber ebenfalls nicht mehr gefährdet ist. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erfolgt zudem immer gezielter und die eingesetzten Mengen nehmen beständig ab. Der Nabu versäumt auch, darauf hinzuweisen, dass die Landwirtschaft für viele Arten, wie insbesondere die Wiesenvögel, durch die Bewirtschaftung überhaupt erst die benötigen Lebensraumbedingungen schafft. Zudem hätte gerne erwähnt werden dürfen, dass die deutschen Landwirte freiwillig und auf ihre Kosten so genannte Feldlerchenfenster in Ackerkulturen einrichten, um die Bruterfolge zu verbessern - übrigens in Kooperation mit dem Nabu Deutschland. Auf diese Weise sind in Schleswig-Holstein 170 Feldlerchenfenster und bundesweit über 3.000 Fenster entstanden. Dies zeigt, dass Landwirte grundsätzlich bereit sind, Maßnahmen des Naturschutzes durchzuführen. Der NABU Schleswig-Holstein setzt diese Akzeptanz aufs Spiel. Die Landwirte werden zu solchen Maßnahmen nicht mehr bereit sein, wenn sie ständig zu Unrecht als Verursacher des Artenrückgangs an den Pranger gestellt werden."
Hans-Erich Mangelsen
Vorsitzender des Umweltausschusses des Bauernverbands Schleswig-Holstein e.V.
'Bauernverband bremst Schutz der Natur aus'
Reaktion des NABU Schleswig-Holstein
"Es ist erstaunlich, mit welcher Ignoranz der Bauernverband bis heute die durch wissenschaftliche Gutachten und Stellungnahmen von behördlichen wie nicht behördlichen Einrichtungen in erdrückender Dichte belegte Tatsache leugnet, dass die Landwirtschaft in ihrer heutigen intensiven Form durch ihre Bewirtschaftungsweise massiv Einfluss auf die biologische Vielfalt unserer Kulturlandschaft nimmt.
Fast jede Rote Liste bedrohter Arten führt die Intensivierung der Flächennutzung direkt oder indirekt als entscheidend für den schlechten Erhaltungszustand unseres Naturerbes an. Selbst für Laien genügt ein Blick auf weitgehend degradierte Knicks, auf für den Maisanbau umgebrochenes Grünland, auf entwässerte, nun artenarme Niedermoorstandorte und auf durch Nährstoffeintrag von Nutzflächen ‚veralgte‘ Gewässer, um den sich weiter verschlechternden Zustand unserer Kulturlandschaft deutlich wahrzunehmen. Diese Art der Bewirtschaftung befördert den Artenrückgang. Fuchs und Rabenvögel sind nur die Vollstrecker dadurch ausgelöster negativer Entwicklungen.
Keine ernsthafte Unterstützung
Wie ernst aber ist die behauptete Unterstützung des Bauernverbandes für Elemente einer naturverträglicheren Landwirtschaft zu nehmen und wie weit ist sie verinnerlicht, wenn es auch nur leiser Kritik (wie der von Herrn Koop formulierten) bedarf, um sich institutionell etwa beim Feldlerchenprojekt des NABU ‚vom Acker‘ zu machen? Und wie passt es zur propagierten Unterstützung von Naturschutzmaßnahmen, wenn der Bauernverband vehement Vorstöße auch des Kieler Landwirtschaftsministeriums bekämpft, Umwelt bezogene Auflagen für die rd. 340 Mio. € Direktzahlungen an die Landwirte in Schleswig-Holstein zu knüpfen? Damit würde die Unterstützung für Goldammer und Co. auch finanziell belohnt, und so Feldlerche und Kiebitz noch eine letzte Chance gegeben.
Dabei kritisiert der NABU nicht die Landwirte, die sich vielfach an gegebenen ökonomischen Vorgaben orientieren müssen. Mit diesen arbeitet der NABU auch nach der Kündigung des Projektes durch den Bauernverband nicht nur im Feldlerchenprojekt weiter gut zusammen. Der Bauernverband aber zeichnet politisch mit verantwortlich als maßgeblich treibende Kraft einer Entwicklung in Richtung Abbau von Umwelt- und Naturschutzstandards und zunehmender industrieller Landnutzung.
„Landwirtschaft ist Deine Umwelt“ – der alte zur Imagewerbung vorgesehene Slogan des Bauernverbandes wird von zunehmend mehr Menschen im Land als Bedrohung unseres Naturerbes, aber insgesamt auch unserer Lebensqualität, wahrgenommen."
ILu, 25. September 2010
Weitere Fakten zu den Thesen des Bauernverbandes:
- These: "Als Brutvogel ist die Wachtel, früher als stark gefährdet eingestuft, mittlerweile nicht mehr in einer Gefährdungskategorie zu finden. Der Rotmilan, der vormals als Art der Vorwarnliste galt, ist mittlerweile aber ebenfalls nicht mehr gefährdet."
Fakten: Die Darstellung ist eine klassische Fehlinterpretation der neuen Roten Liste, denn die Einstufungskriterien haben sich geändert und täuschen so eine Verbesserung der Situation vor, wo sie tatsächlich nicht existiert. Eine seltene Art mit stabilem Bestand taucht heute nicht mehr automatisch in einer Gefährdungskategorie auf. Entscheidender für die Beurteilung ist die kurz-/mittelfristige und langfristige Bestandsentwicklung. Da der Rotmilan mehr als 100 Paare in Schleswig-Holstein aufweist und längerfristig (seit etwa 1980) tatsächlich stabil zu sein scheint, ist er nach den neuen Einstufungskriterien ebenso wenig gefährdet wie die Wachtel mit stark fluktuierenden, aber gemittelt eher zunehmenden Beständen von 100 Paaren. Erst wenn Arten langfristig und/oder kurzfristig deutlich zurückgehen, erscheinen sie in einer Gefährdungskategorie. Derr Bauernverband betreibt zudem "Rosinenpickerei", wenn er sich nur die wenigen Arten heraussucht, die noch einen weitgehend stabilen (aber nicht: verbesserten) Erhaltungszustand aufweisen. - These: „Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erfolgt immer gezielter und die eingesetzten Mengen nehmen beständig ab.“
Fakten: Die abgesetzten Mengen pendeln seit Jahren bundesweit in der Größenordnung von 35.000 t, in starker Abhängigkeit von den Agrarpreisen. Im Jahr 2008 wurde etwa deutlich mehr verbraucht, da der Weizenpreis historisch hoch war und die Flächenstilllegung abgeschafft wurde. Die Mittel sind zwar in der Tat zum Teil effizienter geworden (deshalb ist eine reine Mengenorientierung nicht immer hinreichend aussagekräftig), allerdings werden auch vermehrt etwa Totalherbizide (Roundup) oder andere problematische Stoffe wie Neonikotinoide (Imidacloprid oder Thiacloprid - die "Bienenkiller") eingesetzt. Angesichts der Tatsache, dass die Fruchtfolgen immer enger werden und anhaltend Grünland in Ackerland umgewandelt wird, ist nicht davon auszugehen, dass die Aufwandmengen zurückgehen.
Aus diesem Grund initiierte das Bundeslandwirtschaftsminiterium BMELV den Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Den Einfluss von Pflanzenschutzmitteln auf die Biodiversität thematisiert zudem die PAN-Studie "Für die Berücksichtigung von Biodiversität im Pflanzenschutzrecht"
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