Alter Zaun gegen Prädation auf dem Graswarder. Die im jeden Jahr notwendige neue Installation und Unterhaltung forderte den Freiwilligen viel ab. - Foto: Klaus Dürkop
Schutzmaßnahmen gegen Prädation helfen
Wieder Bruterfolg in der Sturmmöwenkolonie auf dem Graswarder
Es gibt Maßnahmen, die schädliche Auswirkungen mildern, jedoch das eigentliche Problem nicht grundsätzlich beseitigen können. Flächenoptimierungen mit Zäunen sind letztlich immer nur zweite Wahl, denn an erster Stelle steht naturgemäß die großflächige Optimierung der Landschaft an sich. Wenn das nicht kurzfristig erreichbar ist, können Maßnahmen wie der Bau von Zäunen eine berechtigte Alternative sein. Am Beispiel des NSG Graswarders lässt sich dieses Phänomen exemplarisch nachvollziehen.
Eigentlich bietet das Schutzgebiet mit seinen abgelegenen Stränden Salzwiesen und Lagunen bereits optimale Bedingungen zur Brut und Aufzucht von Küstenvögeln. Feine und grobe Sand- und Geröllflächen mit typischen Strandwallpflanzen wechseln sich ab mit arteigenen Salzwiesen und salztoleranten Pflanzen. Extensive Beweidung mit der Rasse der Schwarz-Bunten Rinder sorgt darüber hinaus für ein Mosaik an ausgewogenen Kleinstlebensräumen. Alles Voraussetzungen für eine artenreiche Ostsee Küstenlandschaft. Nach und nach verlor das Schutzgebiet aber seine Bedeutung als Brutgebiet für Küstenvögel, weil Nachwuchs bei Watvögeln wie Säbelschnäbler, Austernfischer, Mittelsäger, Möwen etc. ausblieb.
Füchse und Marder gefährden Bestand der Kolonie
Hauptgrund für diese Entwicklung waren Prädatoren - vor allem Füchse und Marder, die in der sonst weiträumig ausgeräumten Landschaft das Gebiet als „ihre“ Nahrungsplattform entdeckt hatten. Ihnen kam entgegen, dass das Schutzgebiet durch natürliche Sandwanderungen und Ablagerungen mit dem Steinwarder zusammengewachsen war. Die Jahrhunderte lang andauernde Insellage war damit aufgehoben. Prädatoren konnten ungehindert in das Naturschutzgebiet einwandern. Ab 1996 nahm der Bestand an Küstenvögel explizit ab, nachdem insbesondere Füchse den Graswarder als bevorzugte Nahrungsbasis erkannt hatten. Dem versuchte der NABU in Absprache mit der UNB des Kreises Ostholstein durch mobile E-Zäune entgegen zu wirken; anfangs mit recht gutem Erfolg. Dann aber hatten auch Marderhunde und neuerdings auch Waschbären erkannt, dass 1,10 Meter hohe E-Geflechte keinen wirklichen Schutz boten. Zusätzlich durchgeführte gelegentliche jagdliche Eingriffe verfehlten darüber hinaus ihre nachhaltige Wirkung, da sie nicht systematisch genug durchgeführt werden konnten.
Dieser Entwicklung war entgegenzutreten, nachdem Nachwuchs in den letzten Jahren nahezu vollständig bei allen Küstenvögeln ausgeblieben war. Lediglich eine Sturmmöwenkolonie überlebte und hatte 2019 noch einen Bestand von rund 260 markierten Gelegen gegenüber 650 Paaren 2009. Außer diesen zogen nur noch sechs Grauganspaare im Frühjahr 2019 ihre Gössel auf dem Graswarder auf. Alle anderen Vogelarten hatten keinen Bruterfolg.
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Neuer Zaun gegen Prädation auf dem Graswarder. Die Zaunelemente werden gegen ein Untergraben gesichert und der Zaun gegen Kleinraubsäuger zusätzlich mit Maschendraht abgesperrt. - Foto: Klaus Dürkop
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Der neue Zaun schützt nunmehr auf dem Graswarder die Brutflächen zuverlässig und dauerhaft gegen Bodenprädation. Greifvögel wie Seeadler können jedoch weiterhin die Flächen erreichen. - Foto: Klaus Dürkop
Als letztmögliche Maßnahme gegen den Zusammenbruch der übrigen Brutbestände bot sich den Verantwortlichen nur noch eine partielle Umzäunung des Naturschutzgebietes mit einem 1,60m hohen Stabgitterzaun mit Seckseckgeflecht im unteren Bereich an. Darüber hinaus wurde vereinbart, die Maßnahme von einem Jäger begleiten zu lassen, der für den notwendig gewordenen Jagdschutz vom Land Schleswig-Holstein entlohnt wird. Wie sich schon jetzt zeigt, eine wichtige und essentielle Ergänzung zu den Zäunen. Ein wesentlicher Faktor für die Installation eines stationären Zaunes war der enorme jährlich Arbeitsaufwand beim Auf- und Abbau der mobilen E-Zäune, den die Mitglieder des NABU nicht mehr in der Lage sind, langfristig zu gewährleisten.
Finanziert mit EU-Mitteln
Der Bau des geplanten Zaunes wurde 2016 beim Umweltministerium vom NABU beantragt und 2019 im Rahmen der ersten Phase mit der Einzäunung des Areals der sogenannten Sturmmöwenkolonie abgeschlossen. Beide Maßnahmen werden mit EU-Mitteln finanziert und im Auftrag des Kreises Ostholstein durchgeführt. Vorausgegangen waren intensive Gespräche zwischen dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume LLUR und dem NABU, die hier am Beispiel der schmalen Nehrungsküste und auf Grund der speziellen Lage beide eine gute Möglichkeit sahen, Prädatoren den Zugang zu erschweren, wenn möglich gar auszuschließen.
Die Umsetzung des Projektes scheiterte zunächst jedoch am Veto der Stadt Heiligenhafen, ihr Einvernehmen zur Baugenehmigung zu erteilen. Im November 2017 erging dann doch erfreulicherweise nach einer öffentlichen Sitzung der Stadtverordneten der Beschluss, den Zaun in geänderter Linienführung zu genehmigen. So wird immerhin die Hälfte des Graswarders und die Sturmmöwenkolonie geschützt und hoffentlich auf lange Sicht eine positive Entwicklung der Küstenvögel damit eingeleitet. Der Baubeginn erfolgte nach einer Ausschreibung im Februar 2018. Durch hohe Wasserstände wurden die Arbeiten zwar bis zum Herbst immer wieder unterbrochen und auch die Frostphase verhinderte den zügigen Weiterbau, so dass die Gefahr bestand, auch 2019 die Bauphase vor der eigentlichen Brutzeit nicht rechtzeitig abschließen zu können.
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Sturmmöwen bei der Paarung. Der Bestand erscheint durch die Schutzmaßnahmen nunmehr gesichert. - Foto: Klaus Dürkop
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Sturmmöwe mit Jungvogel, ein Bild, das nun hoffentlich wieder häufiger zu sehen sein wird. - Foto: Klaus Dürkop
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Junge, bereits flugfähige Sturmmöwen aus der Kolonie Graswarder kehren abends mit den Eltern noch in den abgezäunten, sicheren Bereich zurück. - Foto: Klaus Dürkop
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Alte Sturmmöwe bei der Fütterung der Jungen. Wenn genügend Nahrung vorhanden ist, ist auch der Bruterfolg hoch. - Foto: Klaus Dürkop
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Alte Sturmmöwe im Flug. Ihnen fehlt der für Lachmöwen typische braune Kopf und der für Silbermöwen charakteristische rote Fleck am Schnabel. - Foto: NABU / Klemens Karkow
Im April 2019 war die rund einen Hektar große Fläche für die Sturmmöwenkolonie dann mit einem 1,25 Meter hohen Stabgitterzaun umgeben und verhinderte zumindest schon das Eindringen von Füchsen. Eine Gelegezählung am 10. und 11. Juni 2019 ergab die Anzahl von 243 Sturmmöwengelegen, ein Paar Schnatterenten und ein Paar des Austernfischers. 15 spätere Gelege kamen bis Anfang Juli dann noch hinzu. Auf Grund der zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültigen Zaunhöhe wurde zusätzlich ein E-Zaun angebracht. Zwei Gründe führten dazu, dass noch Gelege bzw. Küken von Sturmmöwen, Enten und auch ein Paar der Austernfischer verloren gingen:
- Auf Grund der starken Trockenheit in den Monaten März und April sowie Anfang Mai machte sich Nahrungsmangel bemerkbar. Bei den Sturmmöwen kam es deshalb zum Kannibalismus von Eiern aus benachbarten Nesten, seltener auch durch Fraß von Jungvögeln.
- Verluste durch Steinmarder, für die der Zaun ohne Abweisergitter noch kein echtes Hindernis war.
Erst Ende Juni 2019 konnte der Stabgitterzaun schließlich mit schräg nach außen abgewinkelten Abweisergittern versehen und damit eine Gesamthöhe von 1,60 Metern erzielt werden. Der Stabgitterzaun hielt jetzt den Angriffen der Prädatoren stand. Lediglich der Seeadler konnte einige Jungvögel wegholen. Mit rund 265 flüggen Sturmmöwen kam es zu einem beachtlichen Bruterfolg. Die Sturmmöwenpaare verließen nach dem Flügge-werden mit ihren Jungen am Tag bereits ihr eigentliches Brutareal zur Nahrungsaufnahme, ehe sie abends noch in den „sicheren Hafen“ ihrer eigentlichen Brut- und Aufzuchtfläche zurückkehrten.
Schauspiel der besonderen Art!
Rund um das Naturzentrum bieten die Sturmmöwen in der Brutzeit atemberaubende Flugshows an. Für die Besucher am Naturzentrum und auf dem Graswarderweg ist es ein besonderes Schauspiel und wer noch ein bisschen Zeit mitbringt, kann abends gegen 18 Uhr sogar den Seeadler bei der Jagd nach flüggen Sturmmöwen zuschauen. Ein Schauspiel der besonderen Art! Es bleibt die Hoffnung, dass sich nach Vollendung der zweiten Bauphase mit dem nächsten Zaunabschnitt östlich des Beobachtungsturmes ähnlich positive Ergebnisse für die gesamte Küstenvogelwelt des Graswarders einstellen. Ziel ist es, dass das „Vogelparadies Graswarder“ nun dauerhaft erhalten bleibt.
KD, 29. September 2019