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Jetzt Mitglied werden!Meerkohl blüht wieder an der Eckernförder Bucht
NABU-Artenschutzprojekt erfolgreich
Nahezu ausgestorben
Der Gemeine Meerkohl Crambe maritima, verwandt mit dem Felsenkohl als der Stammpflanze all unserer Kohlarten, war nach dem Zweiten Weltkrieg an der inneren Eckernförder Bucht bis auf ein einziges, schwaches Altexemplar verschwunden. Diese Pflanze im Aschauer Raum blühte aber schon Mitte der 70er Jahre nicht mehr und war damit ohne Reproduktionsmöglichkeit.
Der Botaniker Klaus Jöns führte in der 1953 von der Heimatgemeinschaft Eckernförde herausgegebenen Flora des Altkreises Eckernförde das Verschwinden des Meerkohls an der inneren Eckernförder Bucht darauf zurück, dass die Bauern ihre Schweine mit ihm gefüttert hätten. Ein weiterer Grund für das Verschwinden ist aber sicherlich die früher übliche Beweidung der Strandwälle, die - unter Berufung auf altes dänisches Recht - sogar noch nach dem Zweiten Weltkrieg in Eckernförde stellenweise bis an die Wasserkante erfolgte. Hier auf den stickstoffhaltigen Spülsäumen des winterlichen Hochwassers sowie auf den Vordünen und Geröllstränden ist aber der Lebensraum des Meerkohls!
Kennzeichen des Meerkohls
- Ausdauernde 30-70 cm hohe Pflanze mit tiefer, rübenförmiger Wurzel.
- Die Blütezeit in Aschau an der Eckernförder Bucht liegt zwischen Mitte Mai und Mitte Juni. Die leuchtend weißen, bis 1,6 cm breiten Kreuzblüten sind sehr zahlreich an "Traubenrispen" angeordnet und locken viele Insekten an.
- Die gelappten, welligen Blätter sowie der stark verzweigte Stängel sind wachsüberzogen und bläulich bereift.
- Die meist runde und einsamige Frucht ist eine Schote, die auf Grund ihres lufthaltigen Gewebes wochenlang schwimmfähig bleibt. Die Verbreitung findet aber auch durch Verwehung des gesamten trockenen Samenträgers am Strand entlang statt.
Nutzung als schmackhaftes Gemüse
In England, zum Teil auch in Frankreich wird der Meerkohl auch als Gemüse angebaut: Durch Abdecken, d.h. Verdunkeln erreicht man spargelartige Triebe, die wie Blumenkohl schmecken sollen. Junge Blätter können darüber hinaus wie Spinat zubereitet werden. In Deutschland ist der Gemeine Meerkohl gesetzlich geschützt.
Die Wiedereinbürgerungsversuche des Meerkohls auf der Südseite der Eckernförder Bucht wurden 1977 im Rahmen der Arbeit des damaligen DBV-Eckernförde (Deutscher Bund für Vogelschutz: heute Naturschutzbund NABU) im Aschauer Raum begonnen - mit Samen u.a. aus dem Strandbereich des Bülker Leuchtturms, wo bis 1972 die Abwässer Kiels ungeklärt in die Ostsee liefen: Der Meerkohl liebt derartig stickstoffhaltige Standorte. Teilweise wurden auch in Blumentöpfen vorgezogene Pflanzen verwendet. Kritisch war immer die Anfangsphase am Strand, da die Jungpflanzen im heißen Strandsand empfindlich gegen Vertritt sind, auch leicht vertrocknen oder zuwehen, vor allem aber gern von den Wildkaninchen abgefressen werden. Die Jungpflanzen wurden daher in den ersten Jahren mit Kükendraht umgeben und die Strandbenutzer durch kleine Hinweisschilder aufmerksam gemacht.
Wiedereinbürgerung
Diese Wiedereinbürgerungsversuche waren von Anfang an umstritten, selbst bei den Naturschutzbehörden, wo man offenbar am Erfolg zweifelte. Der heutige Erfolg spricht aber für sich: Von Aschau aus sind treibende Samen schon bis zum Eckernförder Badestrand gelangt, wo seit einigen Jahren ein Altexemplar des Meerkohls immer wieder in einer Ritze der Uferbefestigung beim dortigen Ruderclub blüht. Ein weiteres, sehr starkes Exemplar blüht jedes Jahr am viel begangenen Südstrand vor dem ehemaligen Bahnhof Altenhof, hier allerdings bedrängt von der Kartoffelrose.
Vom Artenschutzgebiet Aschau aus hat sich der Meerkohl auch nach Nordosten ausgedehnt: Viele Jungpflanzen fanden sich 2004 bis vor das inaktive Kliff vor dem Versuchsgut Lindhof, einzelne sogar bis zum Campingplatz Noer. Möglicherweise stammen auch die wenigen Jungpflanzen vor dem Naturschutzgebiet "Bewaldete Düne Noer" von Aschauer Exemplaren ab. Diese Jungpflanzen befanden sich 2004 zwar alle im nordöstlichen Geröllabschnitt vor dem Naturschutzgebiet in Richtung Kieler Förde. Auffällig ist jedoch der große Abstand von zehn Kilometern zum nächsten blühenden Vorkommen bei Alt-Bülk. Darüber hinaus war eine Ansiedlung des Meerkohls vor dem südlichen Abschnitt des NSG bisher nicht möglich, da sich die Küstenlinie in den letzten Jahren hier stets stark verändert hat. Jungpflanzen wären versandet oder abgedriftet.
Im Jahre 2004 waren auf der Südseite der Eckernförder Bucht nur noch die Bereiche vor den aktiven Kliffs vom Meerkohl unbesiedelt, nämlich die Strände vor dem Schnellmarker Kliff, vor dem Kliff von Jellenbek sowie vor Teilen der Kliffs von Noer und Dänisch-Nienhof. Hier ist häufig der Abstand vom Kliff bis zur Wasserlinie so gering, dass das Strandmaterial in den Winterstürmen zu stark umgeschichtet wird. Außerdem ist der Standort durch Erdrutsche gefährdet.
Der größte Bestand des Meerkohls befand sich 2004 aber auf der Nordseite der Eckernförder Bucht vor dem inaktiven Kliff von Waabshof an der Außenförde kurz vor Booknis-Eck mit über 100 blühenden Exemplaren! Die ersten dieser Pflanzen sollen ebenfalls von Unbekannten wieder angesiedelt worden sein. Vom Strandareal bei Waabshof aus hat sich der Meerkohl auf der Nordseite inzwischen bis zum Siel am Hohensteiner Strand ausgebreitet. Die Besiedlung des Strandes am Ausfluss des Hemmelmarker Sees dürfte in den nächsten Jahren erfolgen.
Bedroht durch touristische Nutzung
Auf der Nordseite der Bucht hat es der Meerkohl stellenweise schwer durch die besonders starke touristische Nutzung der Strände, teilweise auch durch Aufschüttungen und Verbau mit Findlingen im Strandbereich (letzteres z. B. bei den Campingplätzen Lehmberg-Strand, Karlsminde und Hemmelmark), ebenso durch massive Anpflanzungen der Kartoffelrose im Dünenbereich (z. B. am Strand von Langholz ). Diese aus Südostasien eingeführte Rosenart erstickt alle niedrigeren Gewächse unter sich. Insgesamt gesehen ist aber die Wiederansiedlung des Meerkohls an den Stränden eine Erfolgsgeschichte. Wahrscheinlich wird diese Strandpflanze mit ihren herrlich leuchtenden weißen Blüten in wenigen Jahren wieder ein dominanter Blickfang an der ganzen Eckernförder Bucht sein: Die derzeitig starke Ausdehnung der Seegraswiesen in den Flachwasserzonen unserer Bucht und die dadurch vermehrte Menge verwesenden Pflanzenmaterials im Spülsaum des winterlichen Hochwassers schaffen für den Meerkohl in Zukunft ideale Wachstumsbedingungen.
Autor
Wolf-Rüdiger Stephan
NABU Beauftragter für Aschau
Wilhelm-Lehmann-Str. 41
24340 Eckernförde
Tel. 04155-2388