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Jetzt Mitglied werden!Sukzession - Neue Wildnis
Die Veränderung der Struktur- und Artenvielfalt
Die Kulturlandschaft war früher mit Gärten, Feldern, Wiesen und Wäldern zu einem strukturreichen Lebensraum geworden, in dem viele Tiere und Pflanzen lebten. Einen grossen Teil davon hatte es auch schon in der ursprünglichen Wildnis gegeben. Andere Arten waren in die vom Wald befreite offene Kulturlandschaft, z.B. aus Steppengebieten, eingewandert. Insgesamt gab es eine große Struktur- und Artenvielfalt. Das änderte sich im vergangenen Jahrhundert, als besonders auf den landwirtschaftlichen Flächen mit der Intensivierung der Nutzung die Landschaft monotoner wurde.
Der Verlust von Arten konnte auch durch verschiedene Naturschutzmaßnahmen nicht gestoppt werden. Wir wissen inzwischen, dass nicht nur die Artenvielfalt verloren gegangen ist, sondern dass auch die Natur bei der Bereitstellung von sauberer Luft und sauberem Wasser die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit erreicht hat. Die für unser Leben notwendigen natürlichen und kostenlosen Recyclingverfahren sind gefährdet. Auch die natürliche Regenrückhaltung in der Landschaft, durch die übermäßige Hochwasser verhindert werden, funktioniert nicht mehr richtig. Der Naturschutz ist deshalb bestrebt, die für uns so wichtige volle Funktionsfähigkeit der Natur zu erhalten oder wieder herzustellen.
Natur frei entwickeln lassen
Es gibt mehrere Wege zu diesem Ziel, und einer ist es, die Natur sich völlig frei entwickeln zu lassen. Das geschieht auf wenigen Flächen, auf denen jede Nutzung eingestellt wurde. Wenn alle direkten Eingriffe und jede Nutzung unterbleiben, beginnt eine "Sukzession", d.h. es entsteht eine Folge von Pflanzengesellschaften.
Es ist nur ungefähr vorhersagbar, wie so eine Sukzession ablaufen wird, aber am Ende wird in Mitteleuropa auf den meisten Flächen ein Laubwald entstanden sein. Was sich auf einer Sukzessionsfläche entwickelt, wird auch "Neue Wildnis" genannt.
Wichtig ist, dass die Natur hier auf Dauer ohne jeden direkten Einfluss durch den Menschen bleibt. Das gilt auch dann, wenn am Anfang Pflanzengesellschaften entstehen sollten, die in dieser Form in unserer weitgehend ausgeräumten Kulturlandschaft ungewohnt sind. Wenn z.B. ein Feld mit Brennnesseln oder Disteln entsteht, so ist das selbstverständlich kein Naturschutzziel, sondern nur ein vorübergehendes Stadium und ein Zeichen dafür, dass die Fläche vorher sehr weit von einem natürlichen Zustand entfernt war. Mit etwas Geduld lässt sich hier beobachten, wie immer wieder neue Pflanzen und Tiere in diese Fläche einwandern und die Artenvielfalt vergrößern. Die Zahl der Blütenpflanzen wird größer. Viele Insekten und andere kleinen Tiere leben von diesen Pflanzen oder besuchen ihre Blüten. Spinnen wiederum leben von den vielen Insekten. Sie können allerdings nur Beute fangen, wenn ausreichend hohe Pflanzen gewachsen sind, an denen sie ihre Netze aufhängen können. Kleine Tiere wie Insekten werden wegen ihrer geringen Größe oft übersehen. Besser kann man Vögel erfassen, die diese Fläche besiedeln oder dort Nahrung suchen, weil sie mit ihren Rufen und ihrem Gesang auf sich aufmerksam machen.
Kreis Pinneberg
Im Kreis Pinneberg sind seit einigen Jahren Sukzessionsflächen vorhanden. In den landeseigenen Wäldern z. B. wird ein kleiner Teil aus der Nutzung genommen, so dass "Naturwälder" entstehen können. Hier fällt die "Sukzession" noch nicht besonders auf, denn es wird sehr lange dauern, bis sich durch eine natürliche Dynamik das Waldbild geändert hat. Der Anteil an Totholz wird z.B. zunehmen und damit die Tiere, die in totem und vermoderdem Holz leben.
Krautige Blütenpflanzen - der Beginn einer Sukzession auf einer ehemaligen Wiese
Viel deutlicher wird der Anfang von "Neuer Wildnis" auf Flächen zu sehen sein, auf denen die Sukzession von baumfreien Flächen ausgeht, z.B. auf ehemaligen Wiesen oder Äckern. Wenn hier eine Sukzession beginnt, werden sehr schnell krautige Blütenpflanzen wachsen, Büsche und erste Bäume kommen später und fallen in dem hohen Kraut zunächst nicht sehr auf. Ihre Samen werden vom Wind oder von den Vögeln gebracht. Diese Wildnis darf nicht durch Pflege in einem bestimmten Zustand gehalten werden, denn die durch eine natürliche Dynamik immer wieder vorkommenden Veränderungen sind gewollt.
Im Naturschutzgebiet "Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland" gibt es Flächen, auf denen die Anfänge der "Neuen Wildnis" schon zu beobachten sind. Es hat sich gezeigt, dass dorthin tatsächlich immer wieder Arten zurückkehren, die in der genutzten Landschaft verloren gegangen waren. Mehrere Vogelarten aus Röhricht und Weidengebüschen sind hier zu sehen oder zu hören wie z.B. Rohrdommel, Rohrsänger, Blaukehlchen oder Beutel- und Bartmeisen. Der höhere Artenreichtum ist ein Zeichen dafür, dass hier die Funktionsfähigkeit der Natur in Ordnung ist.