Seltsame Knick-Bekenntnisse im Landtag
Offener Brief des NABU an CDU-MdL Heiner Rickers
Neumünster, 24. Juli 2013: MdL Heiner Rickers, Mitglied des Umwelt- und Agrarausschusses und Vorsitzender des CDU-Facharbeitskreises Agrar/Umwelt, hat in einer Pressemitteilung der CDU-Landtagsfraktion vom 15. Juli 2013 (pdf) die neuen Knickschutzbestimmungen des Landes angegriffen - und betreibt ein erstaunliches Maß an Desinformation.
Der stellv. NABU-Landesvorsitzende Fritz Heydemann, seit über 30 Jahren in Theorie und Praxis für den NABU als Knickschutzexperte tätig, antwortet auf die polemische Attacke gegen einen besseren Schutz unseres wichtigen Kulturerbes.
Offener Brief: Knickschutzbestimmungen
Sehr geehrter Herr Rickers,
der Sinn der meisten Pressemitteilungen aus dem parlamentarischen Raum, jedenfalls bei der Auseinandersetzung mit Umweltthemen, scheint zu sein, ohne besondere Inhaltsschwere einfach eine politische Duftmarke setzen zu wollen, wobei man als Oppositionsvertreter an Regierungsentscheidungen kein gutes Haar lassen darf. Solche Pressemitteilungen überfliegt unsereins kurz, um sie dann wegzuklicken.
Dagegen möchte ich auf Ihre unter der Überschrift "Heiner Rickers lädt Umwelt- und Landwirtschaftsminister Robert Habeck im Oktober zur Knickpflege ein" erschienenen Pressemitteilung vom 15. Juli 2013 (Nr. 399/13) sogar einmal antworten! Nicht etwa, weil sie besonders tiefschürfend wäre oder neue konstruktive Akzente in der Debatte um den Knickschutz setzen würde. Sondern weil sie, abgesehen von der enthaltenen Polemik, aus fachlicher Sicht so verwirrend wirkt, dass man kaum glauben mag, dass der Verfasser nicht nur Landtagsabgeordneter, sondern auch praktizierender Landwirt ist. So stellen sich mir, der sich seit über 30 Jahren praktisch wie theoretisch mit dem Thema Knick beschäftigt ist, zwei Fragen:
Auf welch` merkwürdige Art betreibt hier ein Landwirt Knickpflege? Und weshalb glaubt er in seiner Rolle als Volksvertreter, das Volk mit einer Mischung aus unverständlicher Information und billiger Polemik abspeisen zu können?
Sie laden Minister Habeck zum Knickputzen ein, damit er, so Ihre Intention, die Schwierigkeiten erkennen möge, "unterschiedliche Knickgehölz mit Ketten- oder Bügelsäge über hunderte von Metern sauber im 70-Grad Winkel zu schneiden". Wollen Sie uns hiermit tatsächlich weismachen, dass der seitliche Rückschnitt nicht etwa maschinell, sondern mit der Motorsäge (oder gar mit der Bügelsäge) vorgenommen wird? Einerseits freut es uns, wenn Sie den 70°-Winkel als unpraktikabel bezeichnen. Auch wir als NABU sehen den Schrägschnitt kritisch - obgleich er technisch ohne weiteres machbar ist! Doch falls Sie jedenfalls damit nicht zurecht kommen sollten, können Sie doch auf den senkrechten Schnitt (im Ein-Meter Abstand) als in den Durchführungsbestimmungen ausdrücklich genannte Alternative zurückgreifen!
Auch Ihre Terminvorstellung wirft Fragen auf. Weshalb soll Herr Habeck erst ab dem 1. Oktober bei Ihnen das Knickputzen üben? Wo doch der seitliche Rückschnitt zeitlich nicht eingeschränkt ist und üblicherweise nach der Ernte, also etwa im Spätsommer, erfolgt? Ab 1. Oktober ist jedoch das Auf-den-Stock-setzen der Knickgehölze erlaubt.
Da drängt sich einem der Gedanke auf, ob Sie nicht in der Eile, mal wieder eine Pressemitteilung fabrizieren zu müssen, den seitlichen Rückschnitt mit dem eigentlichen Knicken, d.h. dem kompletten Abnehmen des Strauchwerks verwechselt haben? Denn: Frist ab 1. Oktober und Motorsägeneinsatz, nur das passt zum Knicken. Auch fällt das Auf-den-Stock-setzen, nicht aber der seitliche Rückschnitt, unter das in der Überschrift verwendete Schlüsselwort "Knickpflege". Wie damit allerdings der 70°-Winkel zusammenhängen könnte, bleibt schleierhaft.
Wer soll zudem etwas mit der Angabe von "fünfeinhalb Hektar Knick" auf Ihrem Hof anfangen können? Das mag den Leser allenfalls zur spöttischen Frage verleiten, ob auf dem 'Hof Rickers' die Knicks in `Klumpen´ wachsen würden... Wenn Sie die Öffentlichkeit - und Herrn Habeck - über das Ausmaß Ihres Knicknetzes und die damit verbundene Arbeit informieren möchten, dann sollten Sie die Länge des Knicknetzes und nicht dessen Grundfläche anführen. Letztere ist zwar für Ihren Grundantrag von Belang, aber ansonsten als Information zu einem linearen Landschaftselement wenig hilfreich. Übrigens habe ich die Knicklänge ihres Betriebes mal auf Grundlage dieser "fünfeinhalb Hektar" abzuschätzen versucht: Bei angenommener Durchschnittsbreite der Knicks von 2 Metern würde Ihr Hof (140 ha) 22.500 m Knick und damit eine Knickdichte von 160 m pro ha aufweisen, bei 3 Meter Breite immerhin noch 18.300 m und damit eine Knickdichte von 130 m pro ha! Ehrlich gesagt habe ich meine Zweifel, ob Ihr Betrieb tatsächlich solche außergewöhnlich hohe Knickdichte aufweist. Und ich bezweifle auch, dass Sie Knicks auf dieser Länge manuell mit der Motorsäge aufputzen - siehe oben!
Aus Ihrer Pressemitteilung wird schnell ersichtlich, dass Sie gar keine Sachinformationen zu etwaigen Problemen mit den neuen Knickschutzbestimmungen zu geben beabsichtigen, sondern der Öffentlichkeit demonstrieren möchten, dass der "Philosoph" (Habeck) von dem, was er beschließt, keine Ahnung hat, dass sich der selbst ernannte "Draußen-Minister" kräftig blamiert. Doch welches Bild dürfte wohl ein sachorientierter Leser von Ihnen als Verfasser der Pressemitteilung gewonnen haben?
Vielleicht sollte man annehmen, dass Sie beim Abfassen dieses Geschreibsels einfach nur einen schlechten Tag gehabt haben, Sie ansonsten reeller mit dem Thema umgehen können. Doch ein Blick zurück zeigt, dass Sie vor dem gezielten Streuen selbst gänzlich offensichtlich falscher Meldungen offenbar keine Scheu haben. So sind Sie in den Kieler Nachrichten vom 3. April 2013 zu "Habecks Knickplänen" wie folgt zitiert: "Eine Verwirklichung der Regierungspläne würde unseren Landwirten entschädigungslos 13.600 Hektar Nutzfläche rauben." Da ist erstens die Behauptung 'entschädigungslos' falsch. Denn die Landwirte erhalten auch für Knicks und Saumstreifen die Flächenprämie - und das nicht zu knapp. Überdies wird jeder ackerbaulich wirtschaftende Landwirt mit den Saumstreifen einen nicht unerheblichen Teil der Greening-Verpflichtungen ableisten können, wodurch ihm Maßnahmen andernorts 'erspart' bleiben. Zweitens haben Sie, ausgehend von angeblich 68.000 km Gesamtlänge an schleswig-holsteinischen Knicks, die Breite des kritisierten Saumstreifens schlicht auf einen Meter verdoppelt. Dies, obgleich im Entwurf der Knickschutzbestimmungen (Januar 2013) 0,5 Meter genannt worden sind und die Saumstreifenpflicht explizit nur auf Ackerflächen und nur für die klassischen Wallhecken vorgesehen worden ist - und damit selbst mit geringem mathematischen Verständnis längst nicht einmal die Hälfte der von Ihnen genannten Zahl als Ergebnis herausgekommen wäre. Dies sogar abgesehen von dem Umstand, dass die angeblichen 68.000 Knick-Kilometer neben den eigentlichen Wallhecken noch viele andere gehölzbestandene lineare Landschaftselemente beinhalten.
Der Entwurf zu den Knickschutzbestimmungen ist Ende Januar 2013 vom Ministerium in das Beteiligungsverfahren gegeben worden, vom Bauernverband (dem Sie ja angehören) und sicher auch von den für Agrar- und Umweltpolitik zuständigen Parlamentariern bis zum letzten i-Tüpfelchen auseinander gepflückt worden: Sagen Sie jetzt nicht, Sie hätten zwei Monate später den vorgesehenen Umfang der Saumstreifen nicht gekannt! Und ziehen Sie sich bitte nicht darauf zurück, die Phantasiezahl der "13.600 Hektar" sei ja zuerst vom Bauernverband ins Feld geführt worden. Von einem Parlamentarier sollte erwartet werden können, dass er Behauptungen der Lobbyisten nicht einfach nachbetet, sondern kritisch reflektiert!
Mit freundlichen Grüßen
Fritz Heydemann, NABU Schleswig-Holstein
Stellv. NABU-Landesvorsitzender
Hey 24. Juli 2013
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