Beim Knickschutz bleibt noch viel zu tun...
Geplante Änderung der Landesverordnung und Durchführungsbestimmungen zum Knickschutz unzureichend
Für das desolate Bild, das das schleswig-holsteinische Knicknetz v.a. in ackerbaulich dominierten Regionen bietet, zeichnen nicht zuletzt die seit Jahrzehnten unzureichende Rechtslage sowie die behördlichen Vollzugsdefizite verantwortlich. Besonders verheerend auf das Erscheinungsbild der Knicklandschaft haben sich der als 'Generalausnahme' im Knickerlass von 1996 verankerte Schrägschnitt sowie die Erlasse "Vereinbarung über die Durchführung der maschinellen Knickpflege unter Berücksichtigung ökologischer Belange" (2007) und "Empfehlungen zum Ausgleich von Knicks" (2008) ausgewirkt. Kritisch ist dabei auch, dass diese Bestimmungen ungemessen auf negative Begleiterscheinungen technischer Neuerungen bei der maschinellen Knickbearbeitung reagiert haben wie z. B. das Aufplatzen der Stümpfe beim Einsatz der hydraulischen Knickschere.
Kein großer Wurf
Trotz dieser der Landesregierung und Ministerialverwaltung vorliegenden Erkenntnisse entsprechen die neuen Entwürfe zur Änderung der Knickschutzbestimmungen in weiten, essentiellen Teilen nicht den Anforderungen an einen ökologisch nachhaltigen Biotopschutz. Diese Kritik des NABU bezieht sich v.a. auf die Aussagen zu den Punkten 'seitlicher Rückschnitt', 'Auf-den-Stock-setzen', 'Schutz der Überhälter' und 'zulässige Behandlung der Wallflanken'.
Zwar zeigen die Entwurfsfassungen Verbesserungen gegenüber der in den letzten Jahren bestehenden, für die starke ökologische Entwertung der Wallhecken verantwortlichen Rechtslage. Doch wird damit keinesfalls die Ebene eines in puncto Biodiversität tatsächlich nachhaltigen Knickschutzes erreicht. Da die ökologische Funktionalität der Knicks in hohem Maß an die Lebensraumqualität für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sowie an den Biotopverbund gebunden ist, müssen sich die Maßnahmen der Knickbewirtschaftung, wie der seitliche Rückschnitt, das Auf-den-Stock-setzen oder der Umgang mit Überhältern daran strikt orientieren.
Vorrang der Agrarökonomie?
Dass seitens des Bauernverbandes geäußerte Vorstellungen zur 'Knickpflege' gegenteilig ausfallen würden, ist einer rein agrarökonomischen Sicht geschuldet. Durchaus respektable Subventionszahlungen in Form von Flächenprämien sind jedoch an die Einhaltung landschaftspflegerischer Standards, d.h. an den nachhaltigen Erhalt von Landschaftselementen, geknüpft. Landschaftselemente wie Knicks müssen nicht mehr aus der prämienberechtigten Fläche heraus gerechnet werden und die Knickpflege ist aufgrund fortgeschrittener Technik und zunehmender energetischer Bedeutung des Knickholzes sowohl einfacher als auch hinsichtlich der Kosten tragfähig geworden. Folglich ist ein deutlich erweiterter Knickschutz nicht nur aus landschaftspflegerischer Sicht unerlässlich, sondern auch gegenüber der Landwirtschaft ohne Wenn und Aber vertretbar. Die u.a. auf den vorgesehenen Saumstreifen bezogenen Klagen des Bauernverbandes bleiben denn auch im lange gewohnten rituellen Rahmen.
Insofern ist es sehr bedauerlich, dass in den Entwürfen zur Neufassung der Knickschutzbestimmungen wesentliche Problembereiche nicht mit der notwendigen Stringenz angegangen worden sind. Hier besteht noch erheblicher Nachbesserungsbedarf.
Andere Aspekte des Knickschutzes sind jedoch im Grundsatz positiv geregelt worden. Dazu gehören die verbindliche Verpflichtung zur Einhaltung eines Abstands zum Knickfuß (Saumstreifen) sowie Änderungen der Ausgleichsregelung.
Kritikpunkte des NABU
Im Folgenden ein Überblick über wesentliche Kritikpunkte, die der NABU vorbringt. Die weiteren Bedenken des NABU und eine ausführliche Bewertung der vorgesehenen Änderungen in der offiziellen Stellungnahme des NABU finden Sie im Archiv.
Seitlicher Rückschnitt
Die Forderung des NABU
Seitlicher Rückschnitt im 45°-Winkel, ansetzend bei 50 cm Abstand zum Knickfuß, oder senkrecht in einem Meter Abstand zum Knickfuß, nur alle fünf Jahre
Begründung: Das maschinelle seitliche Einkürzen der Knicks begann sich gegen Ende der 1980er Jahre zu etablieren. Bis dahin wurde ein in die Breite wachsendes Strauchwerk hingenommen, nur besonders weit überhängende Zweige wurden manuell entfernt. Ein maschineller seitlicher Rückschnitt dürfte zudem betriebsökonomisch nicht sinnvoll sein.
Der seitliche Rückschnitt ist mit erheblichen Einschnitten in die Funktionen als Brut- und Lebensstätte verbunden: Die äußeren Zweige tragen die meisten Blüten und somit die größte Menge an Samen (Beeren, Nüsse und sonstige Früchte). Sie sind wichtige Nahrungsgrundlage für Blüten besuchende Insekten und Beeren fressende Vögel. Die jungen Triebe werden von den Larven etlicher Insektenarten bevorzugt befressen. Beim Rückschnitt geht fast der gesamte Fruchtansatz verloren. Das entwertet den Knick als Nahrungsquelle für Vögel, aber auch Haselmäuse.
Deren Nester werden vernichtet, die sich im äußeren Rand des Gebüschs befinden. Da sich nachtaktive Haselmäuse tagsüber hier aufhalten und die Tiere vor den schnellen Maschinen nicht mehr flüchten können, ist von hohen Verlusten auszugehen. Im Hinblick auf den strengen Schutzstatus der Art darf maschinelles Aufputzen erst ab Mitte November zulässig sein, wenn die Bilche ihre bodennahen Winternester bezogen haben.
Strukturreiche Außenränder stellen zudem ein deutlich höheres Angebot an Nistgelegenheiten für in Gebüschen brütende Vogelarten als seitlich `geschorene´ Hecken. Die nun als zulässig vorgesehene Schrägschnittregelung mit einem Neigungswinkel von 70°, beginnend an der Außenseite des Knicksaumes (d.h. im Abstand von 50 cm zum Wallfuß), wird zu erheblichen Eingriffen in die ökologischen Funktionen der Knicks führen. Der aus Naturschutzsicht nicht vertretbare 'Schnittheckenhabitus' wird beibehalten. Die Regelung konterkariert einen auf angemessenen Biodiversitätserhalt ausgerichteten Knickschutz. Dies gilt trotz der Maßgabe, den Knick nur alle drei Jahre zurückzustutzen.
In der landwirtschaftlichen Praxis wird zudem vom 70°-Winkel abgewichen werden, wobei diese eher in Richtung > 80° als gen 60° gehen. Auch wird der 50 cm-Abstand als Ausgangspunkt des Schrägschnitts wohl häufiger unterschritten. Folglich wird wieder ein dicht am Wallfuß ansetzender, fast senkrechter Schnitt zur Regel werden, womit das Bild der Knicksträucher dem jetzigen, deformierten Zustand entspricht. Wie sich solche Verstöße zum Regelzustand entwickeln, hat sich anhand des Knickerlasses von 1996 gezeigt, der ebenfalls einen 70°-Winkel als grundsätzliche Ausnahme vom damals gesetzlich vorgeschriebenen 1 m-Abstand zuließ. Geahndet wurden derartige Verstöße aber fast nie.
NABU-Vorschlag
Der NABU schlägt anstelle des 70°- einen 45°-Winkel vor, gleichfalls ansetzend am äußeren Rand des Saumes, d.h. 50 cm vor dem Knickfuß. Dabei wird nur wenig Knickholz entfernt werden; geringfügige Abweichungen wären weniger problematisch. Außerdem ist eine solche Winkelgröße leicht zu erkennen. In der Praxis sowohl technisch leichter umzusetzen als auch noch einfacher zu kontrollieren wäre dagegen ein senkrechter seitlicher Rückschnitt in einem Mindestabstand von 1 m zum Knickfuß. Diese Regelung war Bestandteil des `Knickschutzparagraphen´ (§ 15 b) des Landesnaturschutzgesetzes von 1993.
Überhälter
Die Forderung des NABU:
Grundsätzlicher Schutz aller Überhälter ab 65 cm Stammdurchmesser
Begründung: Der Schutz der Überhälter ist in der Vergangenheit stark vernachlässigt worden, was zu erheblichen Eingriffen in den Baumbestand und damit in die ökologischen und landschaftsästhetischen Funktionen der Knicks geführt hat. Verluste an Alteichen sind beim Nachziehen junger Bäume allenfalls nach sehr langen Zeiträumen (mehr als 100 Jahre) als ausgeglichen zu bewerten. Die meisten der als `Nachfolge-Überhälter´ beim Knicken stehen gelassenen jungen Bäume sind ungeeignet. Besonders im Umfeld größerer Städte sind viele alte Knickeichen zu Brennholz verarbeitet worden, als Ausgleichsalibi blieben nur dünne "Strempel" stehen.
Die Absicht des MELUR, hier einen besseren Schutz installieren zu wollen, ist sehr zu begrüßen. Die Vorschläge sind jedoch in grundlegenden Teilen schwer verständlich und nicht in jedem Punkt effizient. Das Schutzerfordernis für alte, noch aus der Zeit der Verkoppelung und Fluraufteilung Ende des 18. / Anfang des 19. Jahrhunderts stammende Bäume kommt nicht zum Tragen.
Forderung des NABU
Vor dem Hintergrund starker Verluste an alten Überhälter(-Eichen) in den letzten Jahren sollten nach Auffassung des NABU sämtliche starken Überhälter (ab 65 cm Durchmesser in ein Meter Höhe) grundsätzlich geschützt werden. Im Hinblick auf die außerordentliche ökologische Bedeutung alter Eichen und ihre landschaftsästhetische Wirkung sollten sie diesen Grundschutz in jedem Fall erhalten.
Auf-den-Stock-setzen der Knicks - Schonung der Stubben
Die Forderung des NABU:
Hinterlassen glatter Schnittflächen bei allen Stümpfen ab acht Zentimeter Durchmesser
Begründung: Die beim Knicken verwendete Knickschere kneift die Gehölze ab. Bei dieser sehr rationell einsetzbaren Technik werden die Stümpfe im Bereich der Schnittstelle häufig stark geschädigt. Sie zeigen tiefe Risse und brechen aus. Über die Wunden dringen Feuchtigkeit und Pilzsporen tief in die Stümpfe ein - ideale Voraussetzungen für die Holzzersetzung. Es gehört demgegenüber zu den Grundregeln der Baumpflege, Schnittflächen mit glatter, geschlossener Oberfläche zu hinterlassen. Diesem für die Vitalität der Knickgehölze ungemein wichtigen Aspekt widmen sich die vorliegenden Entwürfe nur ungenügend. Obgleich in der Vergangenheit auch von Lohnunternehmern auf die kritische Situation hingewiesen wurde, bleibt sie im Ministerium unberücksichtigt. Stattdessen wird in den Durchführungsbestimmungen wortgleich nur die ungenügende Formulierung aus dem Knickpflegeerlass von 2007 übernommen.
Forderung des NABU
Beim Auf-den-Stock-setzen der Gehölze sind Stümpfe über acht cm Durchmesser mit glatten Schnittflächen, d.h. ohne Risse und aufgeplatztes Holzgewebe, zu hinterlassen. Beim Einsatz maschineller Großgeräte wird diesbezüglich empfohlen, die Gehölze etwa 0,5 - 1m oberhalb des Stockausschlags abzunehmen und die Stümpfe bis etwa eine Hand breit über dem Stockausschlagsansatz mit der Motorsäge nachzusägen.
Mähen und Mulchen der Wallflanken
Die Forderung des NABU:
Kein Mähen / Mulchen der Wallflanken
In den Durchführungsbestimmungen werden "die Mahd bzw. das Mulchen der Knickwallflanken" ohne Einschränkung als "zulässige Maßnahmen" angeführt. Dieses widerspricht dem Schutzbedürfnis der Knickflora und -fauna: Mähen und Mulchen während der Vegetationszeit beseitigt die oberirdischen Pflanzenteile der Böschungsvegetation auf ganzer Länge, verhindert deren Blüte bzw. Samenreife und entzieht den in der Vegetation lebenden Tieren die Lebensgrundlage. Durch Mahd bzw. Mulchen von an den Knickböschungen wachsenden Brombeergebüschen werden darin befindliche Nester von Haselmaus, Zwergmaus und bodennah brütenden Vogelarten vernichtet. Laubfrösche, die sich sehr gerne in Brombeerbeständen aufhalten, werden getötet. Bereits allein aus artenschutzrechtlichen Gründen ist das Mulchen und Mähen im Sommerhalbjahr, bezogen auf die Situation der Haselmaus bis Mitte November (s.o.), nicht zulässig. Da das Schnittgut auf den Böschungen verbleibt, deckt es die verbliebene Vegetation ab. Dadurch werden robuste, wüchsige Pflanzenarten gegenüber empfindlichen, lichtbedürftigen bevorzugt. Das Belassen des Mähguts beschleunigt den Nährstoffkreislauf und damit die Eutrophierung des betroffenen Standorts.
NABU-Forderung
Nach Ansicht des NABU sollte die Mahd bzw. das Mulchen der Wallflanken möglichst vollständig unterbleiben, weil abgestorbene Pflanzenteile Überwinterungsquartiere für Insekten und Spinnen bieten und sich von den Samen Vögel ernähren. Der mit 50 cm Mindestbreite geplante Knicksaum ist in seinem eigenen Habitatwert im Vergleich zu den Knickböschungen als geringer einzustufen. Deshalb könnten hier Mahd / Mulchen und Bodenbearbeitung ab 15. Juli zugelassen werden.
Hey, ILu 9. März 2013
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