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A20 und kein Ende
Der Weiterbau der A20 bei Bad Segeberg wurde 2013 durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig wegen gravierender Planungsmängel gestoppt. Seitdem arbeiteten zunächst der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) und zuletzt die DEGES als Planungsträger an der Weiterführung des Projekts - und haben große Probleme mit planerischen Festlegungen der Vergangenheit. Jüngstes Beispiel ist der Versatz der A20-Trasse an der zukünftigen Trave-Querung zwischen Bad Segeberg und Högersdorf, um auf Drängen der EU-Kommission ein europaweit bedeutsames Quellhang-Flusssystem nicht zu zerstören. Dadurch berührt die zukünftige Autobahntrasse jedoch das direkte Umfeld einer Schule.
Diese durch eine Rückfrage bei der EU notwendige Änderung führte in der Öffentlichkeit und in der Politik zu einem Aufschrei. Es entstand der Eindruck, der Naturschutz wiege schwerer als das Wohl der Schulkinder. Nachfolgend rückten dann in diesem Zusammenhang noch die unhaltbaren Zustände für die Schulen an der B206 in den Fokus. Es kam – wie üblich - zu schweren Vorwürfen gegenüber den klagenden Naturschutzverbänden. Zu Unrecht, wie ein NABU-Experte vor Ort im folgenden darlegt. Die Fehler, deren Konsequenzen sich jetzt zeigen, beruhen auf Versäumnissen und Fehlentscheidungen der Vergangenheit.
Stefan Lüders ist der Fledermausreferent des NABU Schleswig-Holstein und engagiert sich seit über 30 Jahren für den Schutz der Fledermauspopulation am Segeberger Kalkberg. Lüders war 2013 als Fledermaus-Gutachter im A 20-Prozeß im dritten Abschnitt bei Bad Segeberg für die klagenden Naturschutzverbände aktiv. In der Folge hat er dann auch die weiteren A20-Prozeße vor dem BVerwG in Leipzig begleitet. Lüders gibt im folgenden Antworten auf Fragen zur Historie einer komplizierten Autobahngeschichte, zum aktuellen Stand der A20-Planung bei Bad Segeberg und nimmt Stellung zu den Vorwürfen gegen NABU und BUND.
Warum klagen?
Warum haben BUND und NABU damals Klage gegen die A20 bei Bad Segeberg erhoben? Der Kalkberg mit seinem europaweit bedeutsamen Fledermausquartier liegt doch außerhalb der Planungstrasse?
Bei der Klage gegen den Segeberger A20-Abschnitt haben die Fledermäuse zwar eine entscheidende Rolle gespielt, es gab aber weitere, gewichtige Sachverhalte, die damals zur Klage führten. Dabei wurde jedoch bereits frühzeitig und im sehr frühen Planungsverfahren auf die erkennbaren Konfliktpunkte hingewiesen. Leider blieben diese schwerwiegenden Bedenken jedoch unberücksichtigt.
Die Plantrasse zerschneidet rund um Bad Segeberg zahlreiche wichtige Wandertrassen, Lebensräume und Nahrungsgebiete der dort lebenden, teils stark bedrohten Fledermausarten und droht den Segeberger Kalkberg als bedeutendes Quartier für diese Arten von Südwest bis Südost abzuriegeln. Die Situation spitzt sich gerade bei Bad Segeberg zu, weil die an- und abwandernden Fledermausarten der Segeberger Kalkberghöhlen jetzt schon auf einige wenige, noch verbliebende Hauptflugtrassen gezwungen werden und diese im Süden, im Westen und teilweise im Osten der Stadt allesamt durch den Bau der Autobahn massiv beeinträchtigt oder zerstört werden würden.
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Plantrassen für Fledermäuse
Beschreibung
Die Fledermäuse unterfliegen im Westen die Bundesstraße im Verlauf der Trave und umfliegen im Osten eng die Stadtgrenzen über die dortigen landwirtschaftlichen Flächen. Von Westen kommend pendelt das Gros der Fledermäuse über die sogenannten Lohmühlen- und die Waldwegtrasse zwischen der Trave und dem Großen Segeberger See hin und her. Im Osten nutzen die Tiere die dortigen Knick-, Gehölz- und Geländestrukturen, um hier zwischen dem Kalkberg und der Gemeinde Gladebrügge zu pendeln. Durch die Südstadt selbst gibt es nur noch sehr spärliche Flugbewegungen. Die Fledermäuse müssen am Ende in Richtung der Stadtgrenzen ausweichen. Die Flugtrassen im Stadtgebiet sind durch umfangreiche Untersuchungen belegt.
Problematik aus Sicht des Fledermausschutzes
Die Erreichbarkeit des Kalkbergs und seiner Höhlen ist von Süden aus für die lichtempfindlichen Fledermausarten des FFH-Schutzgebietes praktisch nicht mehr möglich. Es gibt nur noch Fragmente alter Flugwege, die immer mehr an Bedeutung verlieren. Die Tiere müssen nach Westen und Osten ausweichen. Im Westen und Osten werden zahlreiche Flugtrassen durch die A20 und ihre Anschlussverteiler zerschnitten, es sind aber bislang nur wenige Querungshilfen vorgesehen und an denen gibt es große fachliche Probleme. Hinzu kommt der Wunsch der Stadt Bad Segeberg, sich in Richtung Osten zu erweitern. Der Fledermausschutz spielt derzeit jedoch keine Rolle, stattdessen möchte man die Tiere noch weiter Richtung Osten verdrängen. Zwischen der Trave im Westen und dem Großen Segeberger See im Osten können die Tiere nur noch auf zwei Trassen das Stadtgebiet durchfliegen. Beide Trassen sind jedoch durch Siedlungsdruck stark bedroht. Ein Teil der Waldwegtrasse liegt auf dem Gebiet der Nachbargemeinde Klein Rönnau, die sich dort ebenfalls weiterentwickeln möchte.
Obwohl die Naturschutzverbände schon beim Beteiligungsbeginn und jahrelang auch in internen Gesprächsrunden mit dem LBV, der DEGES und dem Verkehrsministerium hierzu mehrfach mündlich und schriftlich vorgetragen hatten, gab es keine fachlich tragfähigen Untersuchungen und darauf fußend keine Schutzkonzepte mit funktionierenden Querungshilfen für Fledermäuse. Gleiches galt auch für Tierarten wie der Haselmaus und den Kammmolch.
Ein weiterer gravierender Punkt in Bad Segeberg sind die geplanten Eingriffe in die Kalktuffquellhänge an der Trave sowie in das Flusssystem der Trave. Quer durch das Segeberger Travetal soll eine achtspurig aufgefächerte Autobahnbrücke über die B432 geschlagen werden und auf der anderen Seite ein großes Autobahnkleeblatt entstehen, um die A20 an die A21 zu verbinden. Dies im unmittelbarer Nähe zu den Kalktuffquellhängen der Trave und des angrenzenden Travetals. Diese einmaligen Schutzgebiete nach der Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Richtlinie der EU würden maximal belastet und einen Großteil ihrer Qualität als Lebensraum verlieren. Hinzu kommen Stickstoffeinträge und weitere Verkehrsimmissionen über den Luftweg, welche die gesetzlichen Vorgaben nicht einhalten würden. Nicht zu vergessen sind die Menschen in Klein Gladebrügge, die 2013 selbst als Kläger auftraten und Recht bekamen, sowie die Menschen in der gesamten Segeberger Südstadt, die ebenfalls unter Lärm und Emissionen zu leiden hätten und von großen Verkehrswegen eingeriegelt wären.
Nachdem jahrelang alle Einwände im Vorlauf der Planfeststellung von der damals verantwortlichen Landesregierung und deren Planungsbehörde LBV an die Seite gedrängt wurden, entschlossen sich BUND und NABU als letztes Mittel, gegen die Planfeststellung des Abschnittes 3 bei Bad Segeberg zu klagen. Der Klage wurde 2013 vom BVerwG stattgegeben und die Planfeststellung wegen gravierender Planungsmängel für ‚rechtswidrig und nicht vollziehbar‘ erklärt. Nach der Geschichte, die die Planung bislang genommen hatte, wenig überraschend.
Alternative Trassenplanung?
Diese Sachverhalte hätten bei der Planung der Trasse der A20 im Vorfeld vom Land erkannt werden können. Gab es keine alternativen Trassen?
Es gab lange vor der Planfeststellung eine alternative Linienbestimmung. Allerdings wurden diese im Raum Segeberg nicht nach fachlichen Standards untersucht und bewertet. Die unzureichende Bewertung führte zu einer Trasse, die zwar eng um, aber nicht durch die Stadt Bad Segeberg führen sollte. Das Land scheiterte auch in diesem Punkt vor Gericht, die Variantenprüfung musste nachgeholt werden. Doch entgegen der Notwendigkeit ging und geht bis heute auch hier Schnelligkeit von Gründlichkeit, was erneute Zweifel an der Rechtssicherheit der Entscheidung aufkommen lässt.
NABU und BUND fordern die Landesregierung auf, das Urteil des BVerwG zum Neubau der A20 bei Bad Segeberg vollständig umzusetzen - mit vollumfänglichem Schutz der Fledermäuse und Alternativenprüfung. Mehr →
BUND und NABU begrüßen das Urteil des BVerwG zur A20. Der 9. Senat hat die Planung für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ erklärt. Das Land ist aufgefordert, im ergänzenden Fehlerheilungsverfahrens nachzubessern. Mehr →
Nach dem Urteil zum A20-Abschnitt 3 bei Bad Segeberg 2013 erklärte das Bundesverwaltungsgericht im November 2018 auch den Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt 4 von Wittenborn bis zur A7 für rechtswidrig und nicht vollziehbar. Versuch einer Klärung. Mehr →
Anpassung rechtswidriger Planungen
Auch in den weiteren A20-Verfahren (Elbquerung und Abschnitt 4) musste das Land Niederlagen vor Gericht einstecken. Ist es in Deutschland für Naturschutzverbände so leicht, große Infrastrukturprojekte durch Vereinsklagen zu verhindern?
Immer wenn in Deutschland ein großes Eingriffsvorhaben durch die Klage eines Naturschutzverbandes vorläufig gestoppt wird, beklagen Politiker und Regierungen angeblich zu starke Beteiligungsrechte für Umweltverbände. Dabei gerät schnell in den Hintergrund, dass Klagen nur dann erfolgreich sind, wenn Fehler vom Gericht als gravierend bewertet werden, umgekehrt also bei der Planung planungsrelevante Sachverhalte nicht berücksichtigt wurden.
In Deutschland ist zudem das Klagerecht in der gerichtlichen Praxis kein Verhinderungs- sondern ein Anpassungsrecht. Es geht also kaum darum, ein Projekt wie die A20 dauerhaft zu stoppen, sondern gravierende Fehler juristisch klären und in der Folge durch eine Planänderung beheben zu lassen. Bei erfolgreichen Klagen von Naturschutzverbänden geht es also immer - in klar abgesteckten juristischen Grenzen – um eine nachträgliche Verbesserung der vor Gericht deutlich gewordenen Planungsfehler.
Im Falle der A 20 bei Bad Segeberg hat sich allerdings auch das BVerwG späteren Verhandlungen verwundert darüber geäußert, wie langsam der Planungsträger diese Änderungen in Angriff genommen hat. Dadurch kommt ein Großteil des jetzigen Zeitverzuges zu Stande, den die Politik nun irriger Weise den Naturschutzverbänden in die Schuhe schiebt. Auch die Möglichkeit, noch im laufenden Gerichtsverfahren Änderungen anzukündigen oder durchzuführen, wurde vom Planungsträger kaum genutzt.
In Schleswig-Holstein wechselte seit 2013 dreimal die politische Verantwortung. Wahlkämpfe dieser Zeit waren vor allem geprägt von Schuldzuweisungen an die jeweilige Vorgängerregierungen - und natürlich an die Naturschutzverbände. Bis heute gelingt es – gleich welcher politischer Couleur - jedoch kaum, eine Planung vorzulegen, die den rechtlichen Vorgaben tatsächlich entspricht, und die damit den wesentlichen Belangen gerecht wird. Hier wäre besser bei der Ursachenermittlung anzusetzen. Statt für Planungen fast autokratische Legitimationen zu fordern und Mitwirkungsrechte rechtswidrig zu beschneiden, sollten diese Ursachen lieber ehrlich und offen kommuniziert werden. Der NABU hat dazu Hinweise gegeben, wie sich Planungen substantiell verbessern und damit oftmals auch beschleunigen lassen (s. links unten).
Die A20 wird im Bundesverkehrswegeplan der Bundesrepublik als umweltschädlichstes Verkehrsprojekt eingestuft. Nicht nur die massiven Eingriffe in Natur und Umwelt fallen hier ins Gewicht, sondern es werden auch viele Menschen durch die A20 direkt oder indirekt negativ in Mitleidenschaft gezogen. Die Naturschutzverbände haben das immer im Blick gehabt und erfahren dabei im Übrigen mehr Zustimmung als Ablehnung. Gerade in Zeiten der Auseinandersetzungen hat der NABU auch in Schleswig-Holstein einen massiven Mitgliederzulauf erfahren. Vielen Menschen ist offensichtlich sehr bewusst, dass der Schutz der Biodiversität eine starke Stimme benötigt.
Planungsbeschleunigung durch -verbesserung
Für die Mobilitätswende braucht es einen Infrastrukturumbau und bessere Verfahren für Verkehrsinfrastrukturprojekte. Mit konkreten Verbesserungsvorschlägen für Planungs- und Genehmigungsverfahren möchte der NABU den Diskurs in eine konstruktive Richtung wenden. Mehr →
Die Kanzlei Mohrpartner hat im Auftrag des NABU Vorschläge für die Vergabe von Fachgutachten in Planungsverfahren erarbeitet, um deren Objektivität zu stärken. Schon heute ist dies möglich, bedarf aber einer Reihe rechtlicher Anpassungen. Mehr →
Die Bundesregierung beabsichtigt, ein „Beschleunigungsgesetz“ auf den Weg zu bringen. Hintergrund sind Bemühungen, bei Vorhaben mit erheblichen Eingriffen in Natur und Umwelt zu schnellen, rechtlich nicht angreifbaren Genehmigungen zu kommen. Mehr →
Irrende Meinungen
Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion behauptet aber, „den Naturschutzverbände lägen Zwergschwäne und Fledermäuse mehr am Herzen als das Wohl der Menschen, und diese müssten von Anfang an konstruktiv mitarbeiten und nicht während laufender Planungen und Ausführungen klagen, für Stillstand sorgen und den Steuerzahler zusätzliche und unnötige Kosten tragen lassen.“
Die Äußerungen sind ein gutes Beispiel dafür, wie unsubstantiierte Vorwürfe immer wieder in die Öffentlichkeit gebracht werden. Lässt man selbst offensichtlichen rechtlichen Unsinn außen vor (beklagt werden können nicht laufende Planungen, sondern erst der abschließende Planfeststellungsbeschluss), so zeigt sich: Natur- und Artenschutz, also der Erhalt der Biodiversität, werden nicht als ein wichtiges und wertvolles Gut wahrgenommen, sondern banalisiert, diskreditiert sowie nur als Kostenfaktor betrachtet und nachrangig zum Schutz des Menschen und die wirtschaftliche Entwicklung einer Region gesehen, die jedoch alle gleichwertig in einer Planung zu berücksichtigen und vernünftig gegeneinander abzuwägen sind.
Die Äußerungen diskreditieren die berechtigten Anliegen der Naturschützer durch falsche Behauptungen und Polemik - kein konstruktiver Beitrag für eine Lösung. Als ehrenamtlicher NABU Mitarbeiter beschäftige ich mich mit der A20 schon seit 1995, also länger, als manch ein Funktionsträger im Landtag als verkehrspolitischer Sprecher seiner Partei aktiv ist. Seitdem habe ich unzählige Sitzungsstunden mit Behördenvertretern verbracht, seitenweise Stellungnahmen geschrieben und mich immer wieder sachlich zu Wort gemeldet. Gleiches gilt für viele meiner Kollegen*innen in den Verbänden.
Meine Motivation ist dabei leicht erklärt: Ich arbeite hauptberuflich seit über 30 Jahren in der Krankenpflege und bin noch länger für den NABU im Naturschutz aktiv. Wenn ich dabei eines gelernt habe, dann, dass jedes Leben wertvoll ist und es sich immer lohnt, mit aller Kraft dafür einzutreten und aktiv zu werden, wenn Gefahr in Verzug ist!
Leider kein Einzelfall: Unstimmige PM aus der Politik
Reaktion des NABU auf Äußerungen der verkehrspolitischen Sprecher der CDU- und FDP-Landtagfraktionen, Hans-Jörn Arp, sowie Christopher Vogt zum Verbandsklagerecht (2016)
Keine Rücksicht auf Bürger*innen?
Toni Köppen, Bürgermeister von Bad Segeberg sieht die Stadt durch die lange A20-Planung extrem belastet, weil über die B206 auch der gesamte Fernverkehr mangels der südlichen Autobahnumgehung läuft. Es sei sich sicher, dass die Bürger eine Umgehung haben möchten, um die Stadt endlich zu entlasten.
Es ist unbestritten, dass die Stadt mit den Verkehrsproblemen große Schwierigkeiten hat und die Situation für die Schulen an der B206 genauso unerträglich ist, wie sie für die Traveschule werden könnte. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass auch nach dem Bau einer südlichen A20-Trasse ein sehr großer Anteil des Verkehrs weiterhin auf der B206 unterwegs sein wird. Egal, ob Menschen zu den Verwaltungen der Stadt und des Kreises, den Kliniken und Arztpraxen, den Schulen, den Einkaufszentren oder zu den Karl-May-Spielen möchten – der Weg führt innerhalb der Segeberger Stadtgrenzen praktisch immer über die B206, weil es durch den Bau der Fußgängerzone keinen anderen Weg mehr von West nach Ost gibt und hierüber alle anderen wichtigen Straßen der Stadt angebunden sind. Die Stadt selbst hat sich hier lange Zeit nicht gerührt, sondern nur auf die südliche Autobahntrasse gewartet. Der innerörtliche Verkehr wird also immer ein großes Thema bleiben.
Für den Weiterbau der A20 muss die Stadt Bad Segeberg auch innerörtlich im Naturschutz aktiver werden, um gemeinsam mit anderen Akteuren eine konstruktive Lösung zu finden. Denn leider ist es für den A20-Abschnitt bei Bad Segeberg nicht allein mit Aktivitäten der DEGES getan: Hält man an der bisherigen Trassenplanung fest, müssen etwa die Querungshilfen für die Fledermäuse an der A20, die von der DEGES geplant sind, auch einen Anschluss im Stadtgebiet von Bad Segeberg finden. Diese Flugverbindungen gehen durch das planungshoheitliche Gebiet der Stadt. Sie führen im Westen über die Knickstrukturen im Bereich Schackendorfs auf Bad Segeberg zu, laufen über die Trave und von dort über einige wenige verbliebene Strukturen zum Großen Segeberger See. Hier sind die Ihlsee-Waldweg-Trasse und die Lohmühlentrasse bedeutend. Richtung Norden geht es durch die Altstadt und die Havwiesen entlang des südlichen Seeufers und im Osten eng um die jetzige Stadtgrenze herum. Die Lohmühlentrasse wird jedoch immer weiter eingeengt, etwa durch Baumfällungen und Lichtzunahme im Kurpark, oder Bauwünsche auf dem Lohmühlengrundstück selbst. Wegen der Waldweg-Trasse müsste man dringend gemeinsam mit der Gemeinde Klein Rönnau aktiv werden, denn auch hier soll gebaut werden.
Diesen Trassen droht ihr Ende als Fledermausroute, wenn die Stadt nicht gegensteuert. Und im Osten ist genau auf den dortigen Flugwegen die Erweiterung der Stadt durch Neubaugebiete geplant. Auch hier müssen Flugtrassen vor einer baulichen Nutzung dauerhaft gesichert werden. Wir brauchen einen grünen Ring rings um das Stadtgebiet herum und grüne, dunkle Strukturen, die von dort aus zum Kalkberg führen.
Chronik der A20 in Segeberg
Zeit | Sachverhalt | Ergebnis |
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Dezember 1995 | Gutachten A. Ortmann, S. Lüders (NABU) für Planungsbüro Mierwald: 'Untersuchung zur Bedeutung der an den geplanten Alternativtrassen zur A20 im Bereich Bad Segebergs angrenzenden Landschaft für Fledermäuse' | "Zusammenfassend kann man sagen, dass alle Alternativtrassen zur geplanten A20 hinsichtlich des Fledermausschutzes abzulehnen sind. Dies gilt im besonderen Maße für die Trassen einer Südumgehung der Stadt Bad Segeberg." | 10. Januar 2007 | Stellungnahme von NABU und BUND im Planfeststellungsverfahren A20 (Abschnitt 3) | Formulierung von Anregungen und Bedenken | 16. Dezember 2009 | Stellungnahme von NABU und BUND im Planfeststellungsverfahren A20 (Abschnitt 3), 1. Planänderung | Formulierung von Anregungen und Bedenken | 16. November 2011 | Stellungnahme von NABU und BUND im Planfeststellungsverfahren A20 (Abschnitt 3), 2. Planänderung | Formulierung von Anregungen und Bedenken | 30. April 2012 | Planfeststellungsbeschluss A20 Abs.3 durch das Verkehrsministerium Kiel | Einen Monat später: Einreichung der Klage | September 2013 | Sondierungsgespräche von NABU und BUND mit dem Kieler Verkehrsministerium | Die Erörterung der Möglichkeiten einer außergerichtlichen Einigung bleibt ergebnislos | 6. November 2013 | Urteil BVerwG zur A20 (Abschnitt 3) | Die Richter des 9. Senats geben der Klage von BUND und NABU statt ("rechtswidrig und nicht vollziehbar") | 3. Mai 2017 | Vorzeitiger Planfeststellungsbeschluss zur A20 (Abschnitt 4) durch das Kieler Verkehrsministerium | Dies bedingt massive Probleme im vorgelagerten, naturschutzfachlich kritischen Abschnitt 3. NABU und BUND fordern umfassende Schutzmaßnahmen für Fledermäuse auf der vom Land bevorzugten Trasse im Abschnitt 3. | 27. November 2018 | Urteil BVerwG zur A20 (Abschnitt 4) | Die Richter des 9. Senats geben der Klage von BUND und NABU statt ("rechtswidrig und nicht vollziehbar"). In der Verhandlung äußern die Richter "Verwunderung" über den mangelnden Planungsfortschritt im Abschnitt 3 | Seit 2013 | Gespräche und Verhandlungen mit Verkehrsministerium, LBV und DEGES in unterschiedlicher Konstellation auf zunächst politischer, und dann fachlicher Ebene mit Informationsaustausch | Über den Inhalt der Gespräche wurde Stillschweigen vereinbart. Gesprächsbeendigungen durch Ministerium und DEGES. Keine Einigung in Sachfragen. | 19. Januar 2022 | DEGES-Information zur Notwendigkeit der Trassenänderung | Die DEGES informiert, dass offensichtlich auf Anfrage die EU-Kommission Bedenken gegen die Beeinträchtigung des Travetals äußert. Hierdurch wird eine Neutrassierung auf 1,7 km notwendig. Die geplante Trasse verschiebt sich gen Norden, so dass die Trave ebenfalls weiter nördlich gequert wird und sich das Brückenbauwerk um ca. 35 m auf 285 m Länge erweitert. Das Planänderungsverfahren dient gleichzeitig der Fehlerheilung und eröffnet neue Beteiligungsnotwendigkeiten. |
Neuplanung notwendig
Ist denn für Bad Segeberg eine Lösung für das A20-Dilemma in Sicht?
In Segeberg kollidieren aufgrund einer von Anfang an unzulänglichen Trassenplanung mit falschen Festlegungen seit Jahren die Schutzgüter „Mensch“, „Natur, Umwelt“, „Verkehr“ und „Wirtschaft“. Seit fast zehn Jahren wird versucht, diese schlechte Trassenführung, die bei einer korrekten Planung im Vorfelde mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gewählt worden wäre, irgendwie planerisch zu retten. Dadurch leiden Mensch und Natur vor Ort, die Situation wird immer schlechter und komplizierter.
Die jetzige Plantrasse würde die Menschen im Süden Bad Segebergs einkesseln und noch mehr verkehrsbedingte Immissionen ins Stadtgebiet tragen, sie würde die Schulen an der B206 im Stadtgebiet nicht entlasten, sie würde die Menschen in der Gemeinde Klein Gladebrügge stark beeinträchtigen, sie würde viele wertvolle Naturräume zerstören, zerschneiden oder dauerhaft schädigen, sie würde mehrere bedrohte Arten in ihrem Fortbestand gefährden oder verdrängen und dabei durch große Brückenbauwerke und Straßenkilometer viel wertvolles Land verbrauchen.
Notwendig wäre, wie von den Naturschutzverbänden anlässlich der Missstände schon seit Jahren gefordert, ein planerischer Neuanfang. Wäre man dem frühzeitig gefolgt, könnte man heute planerisch weiter sein und Rechtssicherheit haben. Ob für einen Neustart Behörden und Politik allerdings den notwendigen Mut und die Kraft aufbringen, ist zweifelhaft.
SLü, ILu, akt. 25. Februar 2022