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Achtung: Wildwechsel!
Wildtiere queren Verkehrswege ohne Warnung auf der Suche nach Nahrung, Partnern oder Verstecken – zu jeder Jahres-, Tages- und Nachtzeit. Während der Erntezeit herrscht große Unruhe und Lärm in der Landschaft, vertraute Einstände für Damwild, Wildschwein, Reh oder Feldhase werden abgeerntet und neue müssen gefunden werden. Im Herbst ist Brunftzeit, im Winter herrscht Nahrungsmangel – das ganze Jahr über ist an Straßenrändern mit Wildtieren zu rechnen. Aber besonders im Frühjahr und im Herbst steigt das Unfallrisiko merklich an. In der morgendlichen und abendlichen Dämmerung sind die meisten Berufspendler unterwegs. Alle 2,5 Minuten kollidiert in Deutschland ein Reh, ein Wildschwein oder ein Hirsch mit einem Auto.
So hat sich seit 1975 die Verkehrsdichte auf Deutschlands Straßen vervierfacht, die Zahl der Wildunfälle aber verfünffacht. Allein im Jagdjahr 2017/2018 registrierte der Deutsche Jagdverband (DJV) bundesweit über 233.000 Unfälle mit Wildbeteiligung – nur mit Paarhufern. Weit vorne dabei Rehe mit fast 200.000 Tieren, gefolgt von Wildschweinen mit knapp 35.000 Tieren, Damwild rund 4000 sowie Rotwild mit knapp 3000 getöteten Tieren. Nach Angaben des Deutsch Jagdverbandes machen die Verkehrstoten an der Gesamtmortalität bei Hirschen und Rehen rund zehn Prozent aus. Im Vergleich zu seltenen Arten ist das aber noch ein geringer Wert. Bei der in Schleswig-Holstein nicht vorkommenden Wildkatze stellt Straßenverkehr mit 80 Prozent die mit Abstand häufigste Todesursache an der Gesamtmortalität. Beim sich erfreulicherweise in Schleswig-Holstein wieder ausbreitendem Fischotter ist dies mit 70 Prozent, bei Wölfen mit rund 50 Prozent der Fall.
Bedeutende Todesursache
Je nach Quelle und Zählweise gab es beispielsweise 2019 16.000 Verkehrsunfälle mit Wildbeteiligung in Schleswig-Holstein, die Landespolizei Schleswig-Holstein spricht dabei von knapp 180 verletzten Menschen durch Kollisionen mit Wildtieren. Überdurchschnittlich viele Unfälle gab es dabei im Mai, Oktober und November. Dabei dürfte die Dunkelziffer mit kleineren Wildtieren, von Feldhase bis Igel, vom Waschbär über den Dachs bis zur Feldmaus, die nicht gemeldet werden (müssen), um ein zigfaches höher liegen. Auch für Amphibien, Insekten und andere Wirbellose stellt der Autoverkehr eine große Gefahrenquelle und damit bedeutende Todesursache dar.
Tiere kennen keine Verkehrsregeln
Grundsätzlich sollten Autofahrer in waldreichen, feldgesäumten oder in Niederungen gelegenen Straßen – und erst recht überall dort, wo Wildwechselschilder aufgestellt wurden – das Tempo deutlich herabsetzen. Bereits bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h beträgt der Bremsweg 55 Meter, bei Nässe verlängert sich dieser noch. Fahrbahnränder sollten stets im Auge behalten werden, um bei plötzlich auftauchenden Tieren schnell reagieren zu können. Wird dies entdeckt, hupen und abblenden, damit das Tier einen Fluchtweg fi nden kann. Wildtiere können die Geschwindigkeit von Kraftfahrzeugen nicht einschätzen, insbesondere wenn sie von Scheinwerfern geblendet werden.
Tödliche Kettenreaktion
Wenn bereits kleinere, tote Tiere auf oder am Fahrbahnrand liegen, gilt es zusätzlich aufmerksam zu sein. Für viele Tierarten stellt Aas eine wichtige Nahrungsquelle dar. Raubsäuger wie Fuchs oder Marder sind gezielt in diesen Bereichen unterwegs, da sie hier immer Nahrung finden – und werden dann häufig selbst Opfer des Straßenverkehrs. Greifvögel wie der Mäusebussard, Turmfalken und auch Krähen kann man daher gerne an Straßenrändern auf der Nahrungssuche beobachten. Krähen setzen lokal sogar gezielt den Straßenverkehr zur Hilfe bei der Nahrungsgewinnung ein. Immer wieder kann man die Vögel auf Ampeln oder Straßenlaternen sitzen sehen, von denen sie gezielt in der „Grün-Phase“ Nüsse fallen lassen, damit diese von den anfahrenden Autos geknackt werden – um anschließend in der „Rot-Phase“ den nun offen liegenden Inhalt aufzunehmen.
In den Städten wie z. B. der Landeshauptstadt Kiel werden zunehmend Baumhasel als Straßenbaum gepflanzt. Die im Herbst in großen Mengen anfallenden Nüsse werden von Stadttieren wie Eichhörnchen, Spechten, Krähen und Tauben als beliebte Nahrungsquelle genutzt. Vielen Tieren wird dies leider selbst in Wohngebieten bei eigentlich vorgeschriebenen geringen Fahrtgeschwindigkeiten zum Verhängnis. In Einzelfällen wurde sogar schon beobachtet, dass menschliche Verkehrsteilnehmer offenbar absichtlich 'aufs Gaspedal gedrückt' haben, um recht vertraut agierende Tauben oder Krähen zu „erwischen“ – das Auto senkt da offenbar die Hemmschwelle.
Wildscheine haben Straßenbanquetten ebenfalls als reichhaltige Nahrungsquelle entdeckt, da in den gemähten Randstreifen gut und leicht Würmer und Insekten zu finden sind. Andere Wildtiere nehmen sogar Salz von den Straßenrändern auf, das durch die Winterstreuung dorthin gelangt ist.
Ist eine Kollision nicht mehr zu vermeiden, sollten Autofahrer nur bremsen, wenn kein Auffahrunfall mit einem nachfolgenden Fahrzeug droht, das Lenkrad dabei fest in der Hand halten und die Fahrrichtung beibehalten. Unkontrollierte Ausweichlenkmanöver können weitaus schlimmere Folgen haben als ein kontrollierter Zusammenstoß.
Maßnahmen gegen Wildunfälle
Querungshilfen wie Grünbrücken oder Tunnel in Verbindung mit Wildzäunen helfen Tieren sicher über die Straßen und sind daher aus Sicht des NABU bei der Erneuerung oder beim Neubau von Straßen unumgänglich. Die Wiedervernetzung von Lebensräumen, um Tiere wieder barrierefrei wandern lassen zu können, ist der Schlüssel für weniger Wildunfälle. Neuerdings gibt es auch effektive elektronische Wildwarnanlagen, diese sind aber (sehr) teuer, vielfach auch störungsanfällig und nicht überall einsetzbar. Spezielle Nahrungsflächen in ausreichendem Abstand zur Straße, Wildwarnreflektoren oder mit Duftstoffdepots präparierte Straßenränder sollen Tiere vom Queren einer Straße abhalten. Als beste Maßnahme gegen Wildunfälle gilt aber grundsätzlich: Fuß vom Gas auf Straßen durch Wälder, in Niederungen und mit unübersichtlichen Wald- oder Feldrändern sowie reich strukturierten Gärten.
Was tun, wenn es zum Unfall gekommen ist?
Ist es zu einem Unfall mit Wildbeteiligung gekommen, muss zunächst die Unfallstelle abgesichert und anschließend die Polizei oder zuständige Jäger benachrichtigt werden. Das verletzte Tier könnte sonst unnötigen Qualen ausgesetzt sein, aber auch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Zudem sollte man sich eine sogenannte „Wildunfallbescheinigung“ vom zuständigen Jagdpächter / Förster bzw. der Polizei ausstellen lassen, um sich für einen möglichen Versicherungsfall abzusichern.
Ob die Kfz-Versicherung allerdings bei Wildunfällen zahlt oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hier sollten motorisierte Verkehrsteilnehmer sich unbedingt einmal bei ihrer Versicherung erkundigen, was durch ihren Vertrag eigentlich abgedeckt ist. Das Aneignen von überfahrenen Wildtieren ist übrigens strafbar.
Ein wiederholter Appell zum Schluss: Achtsam fahren, Augen auf und mehr Rücksichtnahme auf die Tierwelt entlang der Fahrbahnkante – wenn denn überhaupt Auto gefahren werden muss.
CP, 2. Februar 2020