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Wie geht es nach der "Neuordnung" weiter?
Am 20. Januar 2015 hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig die Teilfortschreibungen 2012 der Regionalpläne für die Planungsräume I und III mit den Ausführungen zur Steuerung der Windenergienutzung wegen Abwägungsfehlern für unwirksam erklärt. Dies führt zu einer Neuaufstellung der Regionalpläne. Das Gericht hat darüber hinaus im Verlauf der Prüfung der Regionalpläne die Bestimmungen des Landesentwicklungsplanes 2010 überprüft und als rechtswidrig eingestuft. Das bedeutet, dass Ziffer 3.5.2 des Landesentwicklungsplans 2010 keine Anwednung mehr findet.
Reaktion der Landesplanung
Um einem ungesteuerten Ausbau der Windenergienutzung in Schleswig-Holstein entgegenzutreten, hat die Landesplanung am 22. Mai 2015 das 'Gesetz zur Änderung des Landesplanungsgesetzes – Windenergieplanungssicherstellungsgesetz (WEPSG)' verabschiedet. Dieses Gesetz führt für die Dauer von zwei Jahren zu einem „Windenergieplanungsstopp“ raumbedeutsamer Anlagen, in dem es „[…] raumbedeutsame Planungen sowie Maßnahmen zur Windenergienutzung sowie Entscheidungen über deren Zulässigkeit in einzelnen Planungsräumen befristet allgemein untersagt“ (Art. 1 Nr. 1b WEPSG). Art. 2 WEPSG beinhaltet eine Ausnahmemöglichkeit, raumbedeutsame Planung doch zuzulassen, „wenn und soweit raumbedeutsame Windkraftanlagen nach dem jeweiligen Stand der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung nicht befürchten lassen, dass sie die Verwirklichung dieser Ziele unmöglich machen oder wesentlich erschweren.“
Die Landesplanungsbehörde hat mit dem Planungserlass vom 23. Juni 2015 die Neuaufstellung für die Regionalpläne I bis III sowie die Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplanes Schleswig-Holstein 2010 eingeleitet, zunächst nur für die Flächenausweisung zur Windenergienutzung. Die Planungsräume der Regionalplanung wurden neu zugeschnitten: statt fünf Planungsräume soll es zukünftig nur drei geben (Stand: 18. April 2016).
Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung
In den Teilfortschreibungen der Regionalpläne sollen zukünftig Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung ausgewiesen werden. Das heißt, dass außerhalb dieser Gebiete die Windenergienutzung ausgeschlossen ist – dies beinhaltet auch das Repowering! Zur Ermittlung der Vorranggebiete hat die Landesplanung Tabukriterien definiert, die eine Windkraftnutzung ausschließen. Diese Gebiete ergeben sich aus der Anwendung der harten und weichen Tabukriterien.
Harte Tabukriterien charakterisieren Flächen, in denen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die Windkraft ausgeschlossen ist. Dazu gehören Siedlungsflächen, Naturschutzgebiete (gem. § 23 Abs. 1 BNatSchG), gesetzlich geschützte Biotope (gem. § 30 Abs. 2 BNatSchG), etc.
Weiche Tabukriterien sind nach dem Gestaltungswillen des Plangebers selbst gesetzte, abstrakte, typisierte und für den gesamten Planungsraum einheitlich anzuwendende Kriterien wie Abstandspuffer 400 m zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen, 800 m zu Siedlungsbereichen mit Wohn- oder Erholungsfunktion, EU-Vogelschutzgebiete, FFH-Gebiete, etc.
Naturschutzfachliche und naturschutzrechtliche (Tabu-)Kriterien
Harte Tabukriterien:
- Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer (§ 5 Abs. 1 Nr. 8 NPG)
- Naturschutzgebiete (§ 23 Abs. 2 BNatSchG)
- einstweilig sichergestellte Gebiete nach § 22 BNatSchG i.V.m. § 12 LNatSchG
- Gesetzlich geschützte Biotope (§ 30 Abs. 2 BNatSchG)
- Schutzstreifen an Gewässern (§ 35 LNatSchG i.V.m. § 61 BNatSchG)
Weiche Tabukriterien:
- Nordfriesische Inseln und Halligen außerhalb des Nationalparks
- Nordsee und Ostsee bis zur Hoheitsgrenze
- EU-Vogelschutzgebiete und FFH-Gebiete
- Gebiete, die die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung nach § 23 BNatSchG i.V.m. § 13 LNatSchG erfüllen
- Umgebungsbereich von 300 m bei Naturschutzgebieten und bei EU-Vogelschutzgebieten
- Wälder mit einem Schutzbereich von 30 m
- Wasserflächen
- Wintermassenquartiere für Fledermäuse (größer 1.000 Exemplare) einschließlich eines Umgebungsbereichs von 3.000 m
- Dichtezentren Seeadlervorkommen
- Wiesenvogelbrutgebiete
- Bedeutsame Nahrungsgebiete für Gänse (ohne Graugänse und Neozoen) und Schwäne (Zwerg- und Singschwäne) außerhalb von EU-Vogelschutzgebieten sowie 1.000 m Abstand zu Kolonien von Trauer- und Lachseeschwalben
- Küstenstreifen an der Nordsee und auf Fehmarn mit herausragender Bedeutung als Nahrungs- und Rastgebiet außerhalb der EU-Vogelschutzgebiete sowie Helgoland
- Bedeutende Vogelflugkorridore zwischen Schlafplätzen und Nahrungsflächen von Gänsen und Schwänen
Nach Anwendung der harten und weichen Tabukriterien werden die dann noch verbleibenden Potenzialflächen anhand der sog. Abwägungskriterien auf ihre Eignung für die Windenergienutzung überprüft. Abwägungskriterien sind z. B. Landschaftsschutzgebiete (§ 26 Abs. 1 BNatSchG), Naturparke (§ 16 LNatSchG), charakteristische Landschaftsräume, etc. (s.u.). Es gibt im Vergleich mit den harten und weichen Tabukriterien keine abschließende Auflistung der Abwägungskriterien. Die Abwägungskriterien sind im Einzelfall von der Landesplanungsbehörde zu gewichten und gegenüber anderen Belangen abzuwägen.
Abwägungskriterien:
- Landschaftsschutzgebiete (§ 26 BNatSchG)
- einstweilig sichergestellte Gebiete nach § 22 BNatSchG i.V.m. § 12 Abs. 3 LNatSchG
- Gebiete nach § 12 Abs. 2 LNatSchG
- Naturparke (§ 16 LNatSchG)
- Charakteristische Landschaftsräume
- Querungshilfen und damit verbundene Korridore
- schützenswerte Geotope (geologisch-geomorphologische Sonderformen, wie z.B. Moränenhügel, Tunneltalsysteme, Kleevkanten und Steilufer)
- Gebiete mit besonderer Bedeutung für den Großvogelschutz
- Schwerpunktbereiche und wichtige Verbundsachsen des Schutzgebiets- und Biotopverbundsystems
- räumliche Konzentration von Klein- und Kleinstbiotopen
- Umgebungsbereich von 300 – 1.200 m bei EU-Vogelschutzgebieten
- Abstandspuffer von 30 – 100 m um Wälder
- Bereiche im 3.000 m Radius um Seeadlerhorste außerhalb der Dichtezentren und Schwarzstorchhorste sowie Bereiche im 1.000 m Radius um Weißstorchhorste
- Hauptachsen des überregionalen Vogelzugs
- Gebiete mit besonderer Bedeutung für den Fledermausschutz
- weitere einzelfallbezogene Kriterien u.a. des Artenschutzes, des Landschaftsbildes, etc.
Die harten und derzeit benannten weichen Tabu- und Abwägungskriterien sind auf der Internetseite der Landesplanung Schleswig-Holstein (Stand: 18. April 2016) zu finden.
Windkarten
Am 17. März 2016 hat die Landesplanung auf ihrer Internetseite aktualisierte Karten veröffentlicht, die Abwägungsbereiche darstellen, die als Suchraum für zukünftige Vorranggebiete dienen. Die Landesplanung weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich dabei nicht um Entwurfskarten der neu aufzustellenden Regionalpläne handelt (Stand: 18. April 2016).
ILu, MSa 21. April 2016