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Windenergie in Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein ist eines der Bundesländer Deutschlands mit den höchsten Windhöffigkeiten. Damit ist das Land zwischen den Meeren ein idealer Standort zur Windenergieerzeugung. Diese hat jedoch, wenn keine angemessene Planung gelingt und ungesteuert auch an ungeeigneten Standorten Windenergie-Anlagen errichtet werden, eine Vielzahl von negativen Auswirkungen auf die Natur und Landschaft. Deshalb ist ein nachhaltig geplanter Ausbau der erneuerbaren Energien in Schleswig-Holstein - und hier ganz besonders der Windenergienutzung und die dafür vorausgehende Planung - von großer Bedeutung. Doch wie funktioniert die Windenergieplanung in Schleswig-Holstein im Moment überhaupt? Wie findet Windenergieplanung in Schleswig-Holstein statt?
Zuständigkeit: Landesplanung
Die Planung von Windenergieanlagen wird auf landesplanerischer Ebene geregelt. Derzeit findet die Neuaufstellung der Teilregionalpläne (Sachthema Wind) für die Planungsräume I – III sowie die Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplanes Schleswig-Holstein 2010 statt. In den Teilregionalplänen sollen zukünftig Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung ausgewiesen werden. Das bedeutet, dass außerhalb dieser Gebiete die Windenergienutzung ausgeschlossen ist. Dies gilt auch auch für das Repowering.
Um eine ungesteuerte Planung von WEA zu unterbinden, hat die Landesregierung am 22. Mai 2015 mit der Änderung des Landesplanungsgesetzes einen „Windenergieplanungsstopp“ für raumbedeutsame WEA beschlossen. Dieser Stopp ist auf zwei Jahre befristet, in denen die Regionalpläne neu aufgestellt werden sollen. Im Folgenden finden Sie Fragen und Antworten rund um die Planung.
MSa, ILu 24. April 2016
Fragen und Antworten zur Windeneergieplanung
Hinweis: Der NABU kann hier nur allgemeine Fragen zur Windenergieplanung beantworten. Eine Rechtsberatung zu speziellen Fragen und konkreten Vorhaben ist rechtlich ausgeschlossen. Wenden Sie sich dazu bitte an eine/ n Rechtsanwalt / Rechtsanwältin für Verwaltungsrecht
Was heißt „Windenergieplanungsstopp“? Es wird doch trotzdem geplant!
Die Landesplanungsbehörde kann Ausnahmen zulassen, wenn und soweit die geplanten raumbedeutsamen WEA nach dem aktuellen Stand der in Aufstellung befindlichen Ziele der Regionalpläne nicht befürchten lassen, dass sie die Verwirklichung der vorgesehenen Ziele der Raumordnung unmöglich machen oder wesentlich erschweren (vgl. § 18a Abs. 2 LaplaG). Das bedeutet, dass Ausnahmen einer gewissenhaften Prüfung und Abwägung der Landesplanung bedürfen, bei der u.a. auch die Belange des Naturschutzes einfließen.
Wie funktioniert das mit der Ausnahme?
Das Ausnahmeprüfverfahren ist kein eigenständiges Verfahren, es ist Bestandteil des üblichen Genehmigungsverfahrens nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Die Landesplanung erhält die Genehmigungsanträge von der Genehmigungsbehörde und beginnt mit der Prüfung (siehe Ausnahmeprüfverfahren). Gemeinden haben die Möglichkeit die Windenergienutzung im Rahmen der Bauleitplanung zu ermöglichen. Sie sind daran gehalten, ihre Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. In diesem Fall beginnt die Landesplanung im Rahmen der Planungsanzeige (§ 11 Abs. 1 LaplaG) mit der Prüfung. Die Landesplanung kann eine abschließende Entscheidung jedoch erst in einem weit fortgeschrittenen Entwurfsstadium der in Aufstellung befindlichen sachlichen Teilregionalpläne geben, da sich die festgesetzten Ziele während der Bearbeitung der Regionalpläne möglicherweise noch ändern können. Dieses bauleitplanerische Ausnahmeprüfverfahren spielt daher momentan eine untergeordnete Rolle.
Wie ist der Ablauf der Ausnahmeprüfung?
Die Ausnahmeprüfung funktioniert in drei Schritten:
- Die Landesplanung erhält einen Genehmigungsantrag von der Genehmigungsbehörde und prüft, ob der Antragsgegenstand eine raumbedeutsame WEA ist. Handelt es sich nicht um ein raumbedeutsames Vorhaben, unterliegt es nicht dem Windenergieplanungsstopp und benötigt dementsprechend auch keiner Ausnahmegenehmigung.
- Die Landesplanung prüft, ob von einem Vorhaben harte oder weiche Tabukriterien betroffen sind. Vorhaben die eindeutig innerhalb dieser Tabuzonen liegen, verstoßen gegen die in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung und sind unzulässig. Im Falle einer Ablehnung teilt die Landesplanungsbehörde der Genehmigungsbehörde das Ergebnis förmlich mit.
- Wenn von ein Vorhaben keine harten oder weichen Tabukriterien betroffen sind, prüft die Landesplanung, ob bzw. welche Abwägungskriterien betroffen sind. Dabei bedient sie sich der Ergebnisse der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der anerkannten Naturschutzverbände. Sollte sie zur Beurteilung der landesplanerischen Kriterien weitere Informationen benötigen, kann sie weitere Fachbehörde beteiligen.
Was sind harte und weiche Tabukriterien? Was sind Abwägungskriterien?
Harte Tabukriterien charakterisieren Flächen in denen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die Windkraft ausgeschlossen ist, wie Siedlungsflächen, Naturschutzgebiete (gem. §23 Abs. 1 BNatSchG), gesetzlich geschützte Biotope (gem. § 30 Abs. 2 BNatSchG), etc.
Weiche Tabukriterien sind abstrakte und typisierte Kriterien wie der Abstandspuffer 400 m zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen und 800 m zu Siedlungsbereichen mit Wohn- oder Erholungsfunktion, EU-Vogelschutzgebiete, FFH-Gebiete und Landschaftsschutzgebiete (§ 26 Abs. 1 BNatSchG), sofern nicht die Errichtung von WKA Anlagen zugelassen ist.
Die nach Berücksichtigung der harten und weichen Tabukriterien verbleibenden Potenzialflächen werden daraufhin geprüft, ob auf diesen Flächen Nutzungen stattfindet, die die Windenergienutzung ausschließen, da sie nicht miteinander vereinbar sind.
Abwägungskriterien sind z.B. Naturparke (§ 16 LNatSchG), Charakteristische Landschaftsräume, Hauptachsen des Vogelzuges etc. Die Abwägungskriterien sind im Einzelfall von der Landesplanungsbehörde zu gewichten und gegenüber anderen Belangen abzuwägen.
Wie ist das weiche Tabukriterium „Dichtezentrum Seeadlervorkommen“ definiert?
Das „Dichtezentrum Seeadlervorkommen“ wird von der Landesplanung auf ihrer Internetseite folgendermaßen definiert:
„Ein Dichtezentrum setzt eine besonders hohe Dichte einer Art, eine besondere Eignung für eine Art voraus und ist gekennzeichnet durch unmittelbar aneinandergrenzende Revierplätze und zusätzlich durch Schlafplätze von immaturen Seeadlern. Aufgrund jahrelanger kontinuierlicher Beobachtungen der Fachbehörden, unterstützt durch die staatliche Vogelschutzwarte sind folgende Anhaltspunkte für die Festlegung eines Seeadler – Dichtezentrums relevant: Seeadler weisen in ihren Brutrevieren aufgrund der hohen Flugintensität (Nahrungsflüge zur Versorgung der Jungvögel, Balzflüge, Revierverteidigung etc.) ein erhöhtes Kollisionsrisiko auf.“
Derzeit werden große Teile des Kreises Plön und kleine Flächen der Kreise Segeberg und Ostholstein als Dichtezentrum angesehen. Der NABU fordert ein zweites Dichtezentrum für den östlichen Bereich des Kreises Herzogtum Launeburg
Wie ist das weiche Tabukriterium „Bedeutsame Nahrungsgebiete für Gänse“ definiert?
Das Tabukriterium „Bedeutsame Nahrungsgebiete für Gänse“ wird von der Landesplanung auf ihrer Internetseite folgendermaßen definiert:
„Die räumliche Abgrenzung der bedeutsamen Nahrungsgebiete für Gänse und Schwäne beruht u.a. auf Vorkommen mindestens landesweiter Bedeutung (also mehr als 2 Prozent des Landesbestandes).“ Als Beispiele für bedeutsame Nahrungsgebiete sind als die mit den größten Vorkommen von Gänsen sind Bereiche der Unterelbe, der Westküste (besonders Eiderstedt) und Teile von Ostholstein zu nennen.
Wie ist das weiche Tabukriterium „Wiesenvogelbrutgebiete“ definiert?
Die Kulisse der Wiesenvogelbrutgebiete entspricht der des sog. "Wiesenvogelerlasses". Eine Karte mit der Abgrenzung dieser Gebiete kann im Landwirtschafts- und Umweltatlas online eingesehen werden.
Das geplante Vorhaben hat möglicherweise negative Auswirkungen auf bestimmte Arten (Vögel, Fledermäuse) haben. Was kann ich tun? Was kann der NABU tun?
Was können Sie tun? Bei entsprechenden fachlichen Voraussetzungen können Sie eigene Beobachtungen der Arten machen und diese dokumentieren. Sie können bei privater Betroffenheit auch einen geeigneten Gutachter beauftragen.
Was kann der NABU tun? Im Zuge der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der anerkannten Naturschutzverbände kann der NABU eine Stellungnahme abgeben. In dieser Stellungnahme hat der NABU die Möglichkeit, fachliche Anregungen und Bedenken einzubringen.
Wie ist der Stand der Planung der Vorranggebiete? Gibt es schon Karten?
Die Landesplanung hat auf ihrer Internetseite am 17. März 2016 aktualisierte Karten veröffentlicht, die alle Abwägungsbereiche darstellen, die als Suchraum für zukünftige Vorranggebiete dienen. Die Landesplanung weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich dabei nicht um Entwurfskarten der neuaufzustellenden Regionalpläne handelt.
Welche Möglichkeiten gibt es für Privatpersonen, rechtlich gegen eine Genehmigung für die Errichtung von Windkraftanlagen vorzugehen?
Die Genehmigung des Bau und Betriebes von Windenergieanlagen wird im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) geregelt. Sie hat eine sog. Konzentrationswirkung und beinhaltet die Baugenehmigung und weitere benötigte behördliche Entscheidungen. In der vierten Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (BImSchV) sind die aufgrund ihrer Art und Größe der genehmigungspflichtigen Anlagen aufgelistet. Dort steht auch, ob die Anlagen in einem förmlichen Genehmigungsverfahren gem. § 10 BImSchG, d.h. mit Beteiligung der Öffentlichkeit oder in einem vereinfachten Genehmigungsverfahren gem. § 19 BImSchG, d.h. ohne Öffentlichkeitsbeteiligung, zu genehmigen sind. Das Genehmigungsverfahren wird in der neunten BImSchV beschrieben.
Bezüglich des Baus und der Errichtung von Windenergieanlagen regelt die vierte BImSchV, dass ab einer Anzahl von 20 oder mehr Windenergieanlagen ein förmliches Genehmigungsverfahren durchzuführen ist, unter 20 Anlagen ist das vereinfachte Verfahren durchzuführen.
Möglichkeiten für Private im vereinfachte Verfahren (gem. § 19 BImSchG)
Da das vereinfachte Genehmigungsverfahren keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht, besteht keine Möglichkeit für Private Einwendungen zu erheben. Sie können lediglich Akteneinsicht beantragen (auf Basis des Umweltinformationsgesetzes).
Möglichkeiten für Private im förmliche Verfahren (gem. § 10 BImSchG)
Im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung des förmlichen Verfahrens kann jedermann seine Einwendungen vorbringen. Sofern sie der Genehmigungsbehörde innerhalb der gesetzten Frist (von sechs Wochen) eingehen, müssen sie auch über den Erörterungstermin und die Abwägung von der Genehmigungsbehörde berücksichtigt werden.
Bezüglich der Möglichkeiten für Private bei einer bereits genehmigten Windenergieanlage vorzugehen ist auf der Internetseite „Windenergie Handbuch“ folgendes zu lesen:
„Anwohner können nur sog. drittschützende Aspekte als Begründung für ihre Klage vorbringen, d.h. gesetzliche Regelungen, die sich speziell auf den Schutz der einzelnen Anwohner beziehen. Derartige Regelungen sind die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen zum Schallschutz und zur Begrenzung des Schattenwurfs sowie das baurechtliche Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Landschafts- und artenschutzrechtliche sowie denkmalschützerische Aspekte liegen hingegen im allgemeinen öffentlichen Interesse, sind nicht drittschützend und können daher nicht von Anwohnern im Rahmen von gerichtlichen Klagen geltend gemacht werden. Gleiches gilt auch für eventuelle Verstöße gegen den Flächennutzungs- oder Bebauungsplan, der die Ausweisung der Konzentrationszone enthält.“ (Quelle: Windenergie-Handbuch)
Was ist das "Helgoländer Papier" und welche Bedeutung hat es?
Das sog. Helgoländer Papier (in der Aktualisierung vom 15. Mai 2015 auch: Neues Helgoländer Papier) ist eine Veröffentlichung der Länderarbeitsgemeinschaft der staatlichen Vogelschutzwarten und bietet genau das, was der offizielle Titel beschreibt: Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten. Es gibt den neusten Stand der Forschung zur Gefährdung von Vögeln durch Windkraftanlagen wieder und ist eine vor Gericht belastbare Grundlage und somit ein fachlicher Maßstab für die Genehmigungsfähigkeit von Windkraftplanungen. (NABU zu Helgoland-Papier: Klare Orientierung bei Artenschutz-Konflikten).
Die Abstandsangaben, die die verschiedenen weichen Tabukriterien und Abwägungskriterien die Vögel betreffend beschreiben, z.B. 1.000 m Abstand zu Kolonien von Trauer- und Lachseeschwalben, basieren auf den Angaben des Helgoländer Papieres.
Wie geht es weiter?
Die Landesplanungsbehörde erarbeitet bis Ende November 2016 den Entwurf für die Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplans zum Thema Windenergie und die Entwürfe für die Teilaufstellungen der Regionalpläne. Anschließend befasst sich die Landesregierung mit den Entwürfen, die aus einem Textteil und Karten mit den ausgewählten Flächen bestehen werden.
Voraussichtlich Anfang 2017 soll dann das Beteiligungsverfahren beginnen, in dem die Öffentlichkeit und die weiteren nach dem Landesplanungsgesetz zu beteiligenden Stellen, wie u.a. die kommunale Ebene, Kammern und Verbände, zu den Entwürfen Stellung nehmen können.
Die Landesplanungsbehörde wird gesondert bekanntmachen, wann das Beteiligungsverfahren beginnt.