Der NABU ist aktiv, um unser Naturerbe zu erhalten. Damit Sie auch weiterhin heimische Tiere und Pflanzen erleben können, braucht der NABU Ihre Unterstützung - am Besten noch heute!
Jetzt Mitglied werden!Massive Scheuchwirkung nachgewiesen
Nordsee Windpark Butendiek vertreibt Seetaucher
Der Windpark Butendiek 30 Kilometer westlich von Sylt wurde bereits im Jahr 2002 genehmigt und 2014 gebaut. Er war politisch gewollt, aber fachlich schon immer umstritten. Denn im Sylter Außenriff leben besonders im Sommer viele Schweinswale, darunter zahlreiche Mutter-Kalb-Paare. Zudem liegt vor der Küste Sylts eines der wichtigsten Überwinterungsgebiete für die streng geschützten Stern- und Prachttaucher. Der Jütlandstrom, eine nährstoffreiche Meeresströmung, sorgt in dem Gebiet für großen Fischreichtum und damit für die Nahrungsgrundlage vieler Arten. All das war der Grund, weshalb der NABU versuchte, den Bau von Butendiek gerichtlich zu verhindern. Leider ohne Erfolg. Jetzt zeigt sich, dass die Auswirkungen des Windparks auf die Stern- und Prachttaucher viel gravierender sind als noch bei der Genehmigung angenommen.
Seevogel-Monitoring von Butendiek offenbart massive Schäden
Das langjährige Hauptkonzentrationsgebiet der Seetaucher war ein wesentliches Kriterium für die Abgrenzung des Vogelschutzgebiets Östliche Deutsche Bucht. Hier versammeln sich alljährlich tausende Stern- und Prachttaucher um zu rasten und Fettreserven für den langen Zug in ihre Brutgebiete aufzubauen. Diese Funktion hat das Schutzgebiet inzwischen zu großen Teilen verloren. Das offenbaren die Daten des Seevogelmonitorings, die der Betreiberfirma wpd vor, während und nach dem Bau des Windparks erheben musste. Die Seetaucher meiden den Windpark bis in 2,5 Kilometer Abstand vollständig (Abb. 1), obwohl die Vögel hier vor dem Bau regelmäßig in hohen Dichten vorkamen. Eine sogenannte Gradientenanalyse zeigt darüber hinaus deutliche Meide-Effekte im Umkreis von zehn Kilometern. Aber auch insgesamt hat sich die Zahl der Seetaucher seit dem Bau von Butendiek deutlich reduziert. Wurden vor dem Bau von Butendiek gemittelt 0,7 Individuen je Quadratkilometer nachgewiesen, ist in der Betriebsphase diese Zahl auf nur 0,43 Tiere je Quadratkilometer zurückgegangen. Demnach haben im Schnitt zwei von fünf Vögeln das Gebiet verlassen. Das ist jedoch eine eher optimistische Einschätzung der Butendiek- Effekte. Denn durch einen Wechsel in der Erfassungsmethodik wurde die Zahl der Seetaucher vor Baubeginn vermutlich um den Faktor zwei unterschätzt.
Wir müssen davon ausgehen, dass es vor dem Bau sogar etwa 1,4 Tiere je Quadratkilometer waren. Damit läge der Rückgang bei rund 70 Prozent. Diese Zahlen zeigen, dass die Einschätzungen, die der Genehmigung von Butendiek zugrunde lagen, viel zu optimistisch waren. Hier nahm man vorsorglich eine Scheuchwirkung bis in zwei Kilometern Abstand an und ging von einem Lebensraumverlust von 101 Quadratkilometer aus. Neuere Berechnungen des NABU legen den zehn Kilometer Meideradius zugrunde. Der Flächenverlust ist demnach fast sechsmal so hoch und entspricht etwa 20 Prozent der Schutzgebietsfläche. Damit ist eindeutig ein erheblicher Lebensraumverlust für die Seetaucher eingetreten. Ein klarer Verstoß gegen EU-Umweltrecht.
Butendiek ist kein Einzelfall
Diese dramatischen Effekte um Butendiek sind kein Einzelfall. In den vergangenen Jahren gingen mehrere Windparks in Betrieb, die unmittelbar an das Schutzgebiet grenzen. Im Fall von Dan Tysk zeigt das Monitoring sogar eine Totalmeidung im Umkreis von fünf Kilometern. Obwohl dieser Windpark nicht im Schutzgebiet, sondern nur an dessen Grenze errichtet wurde, wirkt er damit weit ins Schutzgebiet hinein. Die Daten und Karten der wissenschaftlichen Seetaucherprojekte Helbird und Diver bestätigen diese Effekte auch für andere angrenzende Windparks, wo im Umkreis große Bereiche ohne Seetaucher bleiben mit der Folge, dass sich das Hauptverbreitungsgebiet der streng geschützten Seevögel nach Südwesten aus dem Schutzgebiet heraus verlagert.
Was kann getan werden?
Ziel des NABU war es, den kritischen Windpark Butendiek auf gerichtlichem Weg zu stoppen. Die beiden dazu parallel geführten Verfahren an den Verwaltungsgerichten Hamburg und Köln blieben leider erfolglos, der Windpark wurde gebaut. Derzeit befindet sich der NABU in den Berufungsverfahren an den Oberverwaltungsgerichten Münster und Hamburg. Hier soll es endlich um die Sanierung des durch Butendiek verursachten Umweltschadens gehen. Die Sicht des NABU ist klar: Der Umweltschaden, der durch Bau und Betrieb von Butendiek entstanden ist, muss umgehend behoben werden. Die zuständigen Behörden, das Bundesamt für Naturschutz und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, müssen sofort handeln.
Eine bloße Verlegung der Schutzgebietsgrenzen wird dabei vermutlich nicht ausreichen, wenn die angrenzenden Gebiete etwa zu wenig Nahrung für die Vögel bieten oder andere Nutzungen, v. a. die Seeschifffahrt, dem entgegen stehen. Alternativ könnten bestehende Aktivitäten wie die Fischerei oder der Rohstoffabbau im Vogelschutzgebiet reduziert werden, um den Vögeln bessere Lebensbedingungen zu ermöglichen. Als letzte Konsequenz muss jedoch auch über einen (Teil-)Rückbau des Windparks nachgedacht werden.
Lernen aus Butendiek
Besonders wichtig erscheint es, aus den jetzt gemachten Erfahrungen zu lernen. Die Ergebnisse des Seevogelmonitorings müssen von den Fachbehörden analysiert und die Erkenntnisse um die großräumigen Meideeffekte bei den weiteren Offshore-Planungen berücksichtigt werden. Dazu bedarf es auch mehr Transparenz beim Austausch der Daten zwischen den Windparkbetreibern und den Fachbehörden. Angesichts der dramatischen Auswirkungen, zu denen sich die wissenschaftlichen Unsicherheiten bezüglich des Kollisionsrisikos von Zugvögeln und das Problem des Unterwasserlärms beim Bau der Anlagen addieren, überraschen die Forderungen der Küstenländer, die Ausbauziele des Erneuerbare-Energien-Gesetzes massiv zu erhöhen. Deutschland droht so, die Naturverträglichkeit der Energiewende aus den Augen zu verlieren. Dagegen erlaubt es die bestehende Deckelung der Ausbauziele, die Offshore Windenergie im Rahmen eines schlüssigen Gesamtkonzepts zu entwickeln, das systematisch auf den Erfahrungen und Erkenntnissen auch über die Umweltauswirkungen aufbaut. Nur so kann es gelingen, Naturschutz und Energiewende in Einklang zu bringen.
AB, 8. Januar 2018