Unseren Mäusebussard retten!
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Auffällig auf einem Zaunpfahl am Straßenrand sitzend oder hoch am Himmel kreisend, ist der Mäusebussard derzeit in den meisten Landesteilen noch eine relativ häufige Erscheinung. Wie viele andere weit verbreitete und häufige Arten stand er bislang kaum im Fokus des Naturschutzes. Nach der Roten Liste der Brutvögel Schleswig-Holsteins aus dem Jahr 2010 gilt die Art als „nicht gefährdet“. Doch neue wissenschaftliche Forschungen bescheinigen dem Mäusebussard, dessen Bestand in Schleswig-Holstein vor wenigen Jahren noch auf rund 5.000 Brutpaare geschätzt wurde, hierzulande leider keine besonders rosige Zukunft.
Mäusebussarde sind Bewohner reich strukturierter Landschaften mit einem Mosaik aus Wäldern, Feldgehölzen und Offenland. Ein hoher Grünlandanteil wirkt sich positiv auf Brutbestand und Siedlungsdichte aus. Anders als in Ackerlandschaften, wo die Vögel ihr bevorzugtes Beutetier, die Feldmaus, wegen des rasch aufwachsenden Getreides bereits ab Mai nicht mehr erreichen können, ist die Nahrungsverfügbarkeit im Grünland infolge der von Mahd oder Beweidung dauerhaft kurz gehaltenen Vegetation ganzjährig deutlich günstiger.
Mit dem erheblichen Rückgang des Grünlands in Schleswig-Holstein – vor allem als Folge des großflächigen Anbaus von Energiemais für Agrargasanlagen – wird dem Mäusebussard jedoch zunehmend auch hier die Nahrungsgrundlage entzogen. Kritisch kann dies vor allem während der Zeit erhöhten Nahrungsbedarfs von Mai bis Juni für die Jungenaufzucht werden. Als Folge dieser Entwicklung setzte etwa vor zehn Jahren wohl in vielen Regionen des Landes ein Rückgang der Brutbestände ein. So ist beispielsweise auf einer langjährig untersuchten Probefläche auf der schleswigschen Geest der Bestand innerhalb der letzten eineinhalb Jahrzehnte um rund 76 Prozent zusammengeschmolzen. Drei Viertel der Brutpaare sind verschwunden. Der Mäusebussard muss daher als gefährdet gelten.
Dramatische Entwicklung
Doch als sei diese Entwicklung noch nicht dramatisch genug, wirkt der rasante Ausbau der Windenergienutzung zusätzlich limitierend. So sind Mäusebussarde seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen der Schlagopfer in Deutschland mit Abstand die am häufigsten gefundenen Kollisionsopfer an Windkraftanlagen. Im Rahmen einer von der Bundesregierung geförderten, groß angelegten Forschungsarbeit („PROGRESS-Studie“) ist in mehr als dreijähriger Feldforschung in Nord- und Nordostdeutschland der Frage nachgegangen worden, wie viele Vögel tatsächlich mit Windkraftanlagen kollidieren. Sowohl diese Untersuchungen, als auch die von der Vogelschutzwarte Brandenburg für ganz Deutschland geführte Schlagopferkartei ergaben, dass der Mäusebussard in der Kollisionsopferliste weit oben steht, unter den Greifvögel sogar mit Abstand an erster Stelle.
Unter der Federführung von Prof. Oliver Krüger von der Universität Bielefeld ist dann berechnet worden, welche Auswirkungen dies für die Population des spezialisierten Mäusejägers hat. Die Prognose ist äußerst besorgniserregend. Aufgrund dieser Hochrechnung der systematisch erhobenen Opferzahlen kommen die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass schon bei dem jetzigen Ausbaustand, also bei der heutigen Anzahl von Windkraftanlagen, jedes Jahr mit 10.000 bis 12.000 kollidierten Bussarden zu rechnen ist. Dies führt zu einem jährlichen Rückgang des Bestandes um sieben Prozent pro Jahr.
Ein weitergehender Ausbau der Windenergie über das bisherige Maß hinaus – mit der damit verbundenen Erhöhung der Anlagenzahl und immer höheren Anlagen mit entsprechend größer dimensionierten Rotoren – wird die ermittelte Rückgangsquote also zweifellos weiter erhöhen und die Problematik drastisch verschärfen. Folgerichtig spricht der Autor der Studie von einer „potenziell bestandsgefährdenden Entwicklung“. Man muss kein Statistik-Experte sein, um daraus den Schluss zu ziehen, dass der schleswig-holsteinische Mäusebussard-Bestand damit schon mittelfristig drastisch reduziert sein wird und die für die schleswig-holsteinische Kulturlandlandschaft charakteristische Art gerade in den ‚windkraftgebeutelten‘ Landesteilen zu einer Seltenheit werden wird. Damit ist der Mäusebussard ein Kandidat für die Rote Liste.
Massiver Grünlandverlust
Dass der Bussardbestand durch den rapiden Verlust von Grünland schon seit geraumer Zeit latent gefährdet ist, ist schon länger bekannt. Ebenso die hohen Individuenverluste durch die Windkraft. Insofern hätte die Landesregierung bei der laufenden Fortschreibung der Regionalplanung zum Ausbau der Windkraftnutzung bereits vor dem Hintergrund des Vorsorgeprinzips Schutzinstrumentarien für den Mäusejäger entwickeln müssen, wie es etwa bei anderen Großvogelarten in Form von Mindestabständen zu Brutplätzen oder dem Freihalten großräumiger Dichtezentren versucht worden ist. Dies wurde bislang leider versäumt.
Das Land als Träger der Regionalplanung ist also angesichts der dramatischen Ergebnisse der Studie gefordert, entschlossen und vor allen Dingen rechtzeitig gegenzusteuern, um noch während der aktuellen laufenden Aufstellung der Regionalplanung Instrumente zur Schadensbegrenzung zu entwickeln und rechtlich verbindlich festzulegen.
Eine unmissverständliche und rechtlich bindende Verpflichtung hierzu lässt sich aus der Europäischen Vogelschutzrichtlinie ableiten. Hiernach müssen die Mitgliedsstaaten der EU einen guten Erhaltungszustand der europäischen Vogel-Populationen sicherstellen, erhalten oder gegebenenfalls wiederherstellen. Wird dies versäumt, kann die EU-Kommission zum Beispiel aufgrund einer Beschwere durch die Naturschutzverbände vor dem europäischen Gerichtshof auf dem Klagewege einen Mitgliedsstaat zur Umsetzung von erforderlichen Schutzmaßnahmen zwingen.
Landwirtschaftliche Intensivierung auch Beeinträchtigungsquelle
Man mag vielleicht einwenden, dass die Nahrungsverknappung durch die landwirtschaftliche Intensivierung der hauptsächliche Grund für den rapiden Bestandsrückgang sei und etwaige Restriktionen der EU zuvorderst hier ansetzen müssten. Dieser Gedanke zweifellos richtig. Doch die Agrarintensivierung ist ein schleichender Prozess. Versuche der EU, diesbezüglich auf rechtlichem Wege einzugreifen, haben den Trend bisher nur bremsen, nicht aber stoppen können. So hat das auf Druck der EU in Schleswig Holstein erlassene Grünlandbeseitigungsverbot die übrig gebliebenen Weiden und Wiesen zwar in ihrer Quantität erhalten können. Deren Qualität als Nahrungshabitat für die Tierwelt der Agrarlandschaft hat trotzdem weiter abgenommen. So finden Mäusejäger wie Schleiereule, Turmfalke und eben auch der Mäusebussard dort kaum noch Beute.
In dieser Beziehung verbleiben die Forderungen der EU im Allgemeinen und damit weitgehend wirkungslos. Ist jedoch bei konkreten Projekten, wie der gezielten Vernichtung von Feuchtgebieten, ein gravierend negativer Einfluss auf die Population einer Vogelart anzunehmen, kann die EU-Kommission eine Änderung der Planung verlangen oder sogar mit einem Verbot reagieren, wie es bereits mehrmals geschehen ist. Ein solches Projekt im Sinne der EU-Vogelschutzrichtlinie stellt auch der geplante Ausbau der Windkraft dar.
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Im Kieler Umweltministerium ist bisher jedoch nur zögerliches Handeln zu registrieren. So herrschte dort bislang die Auffassung, dass ein ausreichender Schutz des Mäusebussards bereits durch die Freihaltung von Abstandsradien zu den Brutplätzen anderer Groß- und Greifvögel zu gewährleisten sei. Da der Mäusebussard oft im selben Waldstück wie Rotmilan oder Seeadler brütet, profitiert er durchaus von den für diese Arten freigehaltenen potenziellen Beeinträchtigungsbereichen. Vergessen wird dabei allerdings, dass sich das im Rahmen von „PROGRESS“ ermittelte Szenario des Bestandsrückgangs von jährlich sieben Prozent bereits auf den heutigen Ausbaustatus bei der Windkraft bezieht. Insofern können für künftige Wind-Vorrangflächen, die ja ein Mehr an Windkraftnutzung und grundsätzlichem Kollisionsrisiko bedeuten, freizuhaltende Abstände die gegenwärtige Bestandsgefährdung nicht reduzieren. Zudem wird die Empfehlung des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, die potentiellen Beeinträchtigungsbereiche um die Brutplätze der jeweiligen Arten freizuhalten, durch investorenabhängige Gutachter nur allzu oft und unter den Augen der Landesregierung unterlaufen.
Studie nicht ausreichend
Im Rahmen eines im Frühjahr einberufenen Fachgesprächs, zu dem auch Vertreter der Naturschutzinstitutionen eingeladen waren, wurde seitens des Ministeriums bekannt gegeben, dass das Land beabsichtigt, eine Studie zur Bestands- und Lebensraumsituation des Mäusebussards in Auftrag zu geben. Ein zweifellos positiver Ansatz. Doch angesichts der auf Landesebene rasch fortschreitenden Windkraftplanung drängt die Zeit. Denn die Landesregierung beabsichtigt, die Regionalpläne im Jahr 2018 zu verabschieden. Damit wären dann die Weichen für viele Jahre gestellt, ohne dass im Nachhinein irgendeine wirksame Form der Schadensbegrenzung erreicht werden könnte.
Dabei könnte alles so einfach sein. Denn viele Möglichkeiten für Maßnahmen, dem durch die PROGRESS-Studie prognostizierten Bestandseinbruch wirksam entgegenzutreten, gibt es ohnehin nicht. So ist nicht davon auszugehen, dass etwaige Agrarumweltmaßnahmen – hierzu zählen Extensivierungsmaßnahmen wie die Umwandlung von Äckern in Grünland zur Verbesserung der Nahrungsgrundlage – überhaupt in nennenswertem Umfang positive Effekte oder gar einen Ausgleich für die windkraftbedingte Mortalität erwarten lassen. Die hierfür notwendige Flächenkulisse wäre angesichts des anhaltenden Intensivierungsdrucks in der konventionellen Landwirtschaft realistisch überhaupt nicht zu erreichen.
Vor diesem Hintergrund gibt es aus Sicht des NABU nur eine Möglichkeit, dem Bussard wirkungsvoll unter die Schwingen zu greifen: Den Verzicht auf den Windkraftausbau in Regionen, wo er heute aufgrund hoher Lebensraumqualität noch in vergleichsweise hoher Dichte siedelt und anthropogene Mortalitätsfaktoren bislang kaum eine Rolle spielen. Diesen Weg ist die Landesregierung bereits beim Seeadler gegangen, dessen landesweiter Verbreitungsschwerpunkt vor allem den Kreis Plön sowie Randbereiche der Kreise Ostholstein und Segeberg umfasst und vom Windkraftausbau weitestgehend freigehalten werden soll. So ein Ansatz ist zu begrüßen, denn hierdurch wird das windkraftbedingte Tötungsrisiko bei einem bedeutenden Anteil des Landesbestands von vornherein minimiert.
Freihaltung von Dichtezentren
Der NABU fordert nun auch für den Mäusebussard die Freihaltung von Dichtezentren, die aufgrund günstiger Lebensbedingungen und hohen Reproduktionsraten als Quellpopulationen für andere Regionen dienen können. Hierdurch könnten die in hoher Zahl durch die Windkraft zu erwartenden Bestandsrückgänge – bezogen auf den Landesbestand – eventuell tatsächlich ausgeglichen werden. Der vielfache Tod der Einzelindividuen und drastische Bestandseinbußen in den Regionen mit einer besonders intensiven Windkraftnutzung lassen sich dadurch allerdings nicht verhindern. Für die Defnition derartiger Dichtezentren bieten sich damit Bereiche an, in denen gegenwärtig keine oder kaum eine Windkraftnutzung stattfindet und die Lebensraumsituation bezüglich Nahrungserwerb (hoher Grünlandanteil) und Brutmöglichkeiten noch günstig sind.
Solche Regionen finden sich zum Beispiel in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg sowie auf der Barmstedter Geest. Auch eine südliche Ausweitung des vorwiegend für den Kreis Plön vorgesehenen Seeadler-Dichtezentrums in den Bereich Ahrensbök / Pronstorf / Warder See wäre hierfür geeignet. Weitere geeignete Gebiete dürften in den meisten Landesteilen vorhanden und durch die Naturschutzverwaltung leicht zu identifizieren sein.
Forderung
Der NABU Schleswig-Holstein fordert die Landesregierung, vor allem die Landesplanung auf, die Liste ihrer Versäumnisse im Konliktfeld Windkraft und Artenschutz nicht noch länger werden zu lassen, und endlich die Maßnahmen zu ergreifen, die für einen Fortbestand der kollisionsgefährdeten Arten erforderlich sind. Bezogen auf den Mäusebussard gibt es zu dem Freihalten vom Dichtezentren keine ernstzunehmenden Alternativen. Folgerichtig hat auch der NABU-Bundesverband ein Moratorium für den Ausbau der Windenergie in vom Mäusebussard relativ dicht besiedelten Region gefordert.
OKlo, FHey 28. Juni 2017
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