Neuerlicher Antrag auf Wildmuschelfischerei versetzt in Alarmbereitschaft
Wächst mit neuer Landesregierung der Druck, die Muschelfischerei wieder zuzulassen?
Frühjahr 2022 - Kurz war die Hoffnung, dass auf deutscher Seite der Flensburger Förde keine Wildmuschelfischerei mehr stattfinden würde.
Im April 2022 erfuhr der NABU im Rahmen einer Umweltausschuss-Sitzung des Landes, dass für den Kreis Schleswig-Flensburg erneut ein Antrag gestellt wurde.
In besagter Ausschusssitzung wurde ein Fachgespräch zum desaströsen Erhaltungszustand der Flensburger Förde anberaumt. Der NABU machte gemeinsam mit weiteren Experten deutlich, dass ein Verbot der Wildmuschelfischerei elementarer Bestandteil sein muss, die Förde zu retten, die kurz vor dem Kippen steht.
Die Umweltverbände erwarten, dass es hierzu erneut ein Gespräch geben wird oder ein Aufruf zu Stellungnahmen. Bislang blieb eine Einladung des Ministeriums hierzu jedoch aus. Es ist zu hoffen, dass der Antrag nicht allein auf dem Schreibtisch des Kreises entschieden wird.
DS, 01.07.2022
Großer Erfolg! Muschelfischer zieht Antrag zurück
Erst einmal keine Wildmuschelfischerei in der Flensburger Förde
17. Januar 2019 - Auf der deutschen Seite der Flensburger Förde wird erst einmal keine Wildmuschelfischerei mehr stattfinden. Die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Flensburg schließt jetzt einen Vorgang, der die Region im vergangenen halben Jahr in Atem gehalten hatte. Nach vielen Jahren der Wildmuschelfischerei, in denen sich der ökologische Zustand der Flensburger Förde immer weiter verschlechtert hatte, war die Genehmigung erloschen.
Ein Neuantrag des Muschelfischers – auf zunächst einmal fünf Jahre – schien auf breite behördliche Unterstützung zu stoßen. In einer ausführlichen Stellungnahme beleuchtete der NABU die zahlreichen kritischen Aspekte, die mit der Zerstörung von Muschelbänken einhergehen und positionierte sich vehement gegen eine weitere Genehmigung. Die Situation der Förde stellte sich so dramatisch dar, dass ein Kippen des gesamten Ökosystems selbst im Laufe von „nur“ fünf Jahren nicht mehr ausgeschlossen war.
Der NABU war mit dieser Sorge nicht allein. Die Taucher des Unterwasser Teams Flensburg (UWT) hatten eindrücklich dokumentiert, dass die Regeneration, die nach der Zerstörung der Muschelbänke nach dem Urteil des vom Muschelfischer beauftragten Gutachtens hätte einsetzen sollen, nicht stattgefunden hatte. Zudem war festzustellen, dass die ausgewiesenen intakten Muschelbänke, die vor Jahren kartiert worden waren, nicht mehr wie auf dem Papier existierten.
Ein Absterben des Bodens der Flensburger Förde wurde auch von einem NABU-Taucher fotografisch dokumentiert. Das Ostseelabor der Uni Flensburg lieferte ebenfalls aufrüttelnde Erkenntnisse hinzu. Der Fischereischutzverband konnte berichten, dass die Anzahl der Fische in der Flensburger Förde mit den zerstörten Muschelbänken stetig zurückging. Alles Hinweise auf ein mögliches Kippen des Ökosystems Flensburger Förde.
Dem Protest schlossen sich weitere Verbände sowie Teile der Politik an. Der Flensburger Stadtrat hatte nahezu einstimmig für den Schutz der Förde plädiert. Die letzte Entscheidung lag jedoch nicht in den Händen der Politik sondern in denen der Unteren Naturschutzbehörden (UNB) der Stadt Flensburg sowie des Kreises Schleswig-Flensburg.
Während die Oberbürgermeisterin Flensburgs, Simone Lange, als UNB entschieden hatte, dem Antrag des Muschelfischers nicht stattzugeben, erteilte die Behörde des Kreises eine Genehmigung. Dieser Genehmigung war sofort von BUND und NABU förmlich widersprochen worden.
Jetzt ist öffentlich geworden, dass der Antragsteller nicht nur seinen Antrag an die Stadt Flensburg zurückgezogen und Verzicht auf Widerspruch erklärt hat. Auch beim Kreis Schleswig-Flensburg wurde der Antrag auf Wildmuschelfischerei zurückgenommen. Somit hat zumindest die deutsche Seite der Flensburger Förde nun endlich die Möglichkeit zu regenerieren!
Unser herzlicher Dank gilt der Stadt Flensburg sowie allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern!
DS
Teilerfolg für die Flensburger Förde
Stadt Flensburg und untere Naturschutzbehörde verweigern Muschel-Genehmigung
5. Dezember 2018 Mit großer Erleichterung nimmt der NABU Schleswig-Holstein die Entscheidung der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) Flensburg zur Kenntnis, die vor wenigen Wochen den Antrag auf Genehmigung der Muschelfischereiaktivitäten für ihren Teil der Flensburger Förde abgelehnt hat. Im Vorfeld hatten sich alle beteiligten Verbände vehement gegen die den Lebensraum Förde bedrohende Muschelfischerei ausgesprochen - neben dem NABU auch der Naturschutzbeirat der Stadt Flensburg und der Fischereischutzverband. Der Flensburger Stadtrat gab in einer Resolution seiner Besorgnis Ausdruck und positionierte sich gegen die Eingriffe in die Natur der Förde.
In seiner ausführlichen Stellungnahme hat der NABU die zahlreichen kritischen Aspekte, die mit der Zerstörung von Muschelbänken einhergehen, thematisiert, und forderte eine Genehmigung zu verweigern (s.u.). Taucher des Unterwasser Teams Flensburg (UWT) hatten nämlich beeindruckend dokumentiert, dass die Regeneration der Muschelbänke, die nach Ansicht des Gutachters nach der Abernte der Muschelbänke in kurzer Zeit hätte einsetzen sollen, nicht stattfand. Zudem stellten sie fest, dass die ausgewiesenen, intakten Muschelbänke, die vor einigen Jahren noch kartiert worden waren, mittlerweile nicht mehr existieren. Das Absterben des Meeresbodens in der Flensburger Förde dokumentierte auch ein NABU-Taucher fotografisch. Das Ostseelabor der Uni Flensburg lieferte ebenfalls aufrüttelnde Erkenntnisse.
Im Erörterungstermin wurden die Nachweise jedoch als "nicht wissenschaftlich" abgetan, ohne einen eigenen Gegenbeweis gegen die Dokumentation der Situation unter Wasser zu liefern. Hochgehalten wurde das "öffentliche Interesse", das an der Muschelfischerei angeblich bestehe, sowie die wirtschaftlichen Belange des Vorhabenträgers, einschließlich der Sicherung von Arbeitsplätzen. Die Stadt Flensburg hat nun in ihrem mehrere Seiten umfassenden, ablehnenden Bescheid beeindruckend herausgearbeitet, dass ein öffentliches Interesse vor allem an einer ökologisch intakten Förde besteht. „Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Muschelfischerei für die Flensburger Förde schadenlos geblieben wäre“, erklärte die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange. Das Wirtschaftsargument konnte ebenfalls nicht überzeugen: Das Unternehmen bezieht lediglich rd. 10 % des Gesamtfangs aus der Förde, die ursprüngliche Genehmigung war bereits 2016 ausgelaufen.
Nun richten sich alle Augen auf den Kreis Schleswig-Flensburg, der dem Vorgelegten widersprechend eine Genehmigung erteilt hat, gegen die BUND und NABU aber Widerspruch einlegten. Die kritisierte Genehmigung des Kreises stellt eine naturschutzrechtliche Befreiung nach §67 des Bundesnaturschutzgesetzes dar, denn Muschelbänke sind gesetzlich geschützt. Für die Befreiung bedarf es auch hier eines überwiegenden öffentlichen Interesses und einer Alternativenprüfung. Beide Belange hätten im Befreiungsbescheid dargestellt und abgewogen werden müssen. Der vorliegende Bescheid der UNB Schleswig-Flensburg enthält jedoch keine Begründung, womit die Entscheidung allein bereits rechtswidrig ist. Der NABU fordert die UNB nun auf, dem positiven Beispiel Flensburgs zu folgen und dem Widerspruch stattzugeben.
Spannend bleibt, wie sich Fischereibehörde und Meeresschutzabteilung im Ministerium (MELUND) als Fachaufsicht zum aktuellen Stand verhalten werden. Es ist sehr zu hoffen, dass auch die anderen Verantwortungsträger dem Richtung weisenden Beispiel Flensburgs folgen - zugunsten der Flensburger Förde und ihrer Meeresumwelt!
DS, ILu
Gefahr für die Flensburger Förde
NABU lehnt Wildmuschelbefischung ab
Der NABU hat am 7. Juli 2018 im Rahmen der Verbandsbeteiligung eine Stellungnahme zu den Erwägungen des Kieler Fischereiministeriums MELUND abgegeben, die Muschelfischerei auf deutscher Seite der Flensburger Förde zu genehmigen. Zudem sollen feste Anlagen im Ostseewasser errichtet werden, die der Gewinnung von Saatmuscheln dienen. Grundsätzlich begrüßt der NABU Bestrebungen, Alternativen zur naturbelastenden Wildmuschelfischerei zu eruieren. Aufgrund des desaströsen Erhaltungszustandes der Muschelbänke der Flensburger Förde hält der NABU jedoch die weitere Wildmuschelfischerei – auch für eine potenzielle Übergangszeit von fünf Jahren – für nicht akzeptabel und fordert, die Genehmigung zu versagen.
Die Gründe:
Wasserqualität: Klimawandel, Eutrophierung, Salzgehalt, Sauerstoff
Die Flensburger Förde gehört wegen ihrer spezifischen, geomorphologischen Lage zu den ökologisch sensibelsten Gebieten der Ostsee: Der Wasseraustausch mit der übrigen Ostsee ist durch mehrere Engstellen stark begrenzt, so etwa im Bereich der Halbinsel Holnis, dessen Naturschutzgebiet vom NABU betreut wird. Insbesondere die Flensburger Innenförde gilt unter allen schleswig-holsteinischen Förden als die ökologisch empfindlichste Region. Veränderungen bei Nährstoffeinträgen und Sauerstoffzehrung haben hier besonders drastische Auswirkungen auf Arten- und Individuenzahl Ostsee-typischer Organismen. Der schlechte Erhaltungszustand wirkt sich auch deutlich auf die dort vorhandenen Miesmuschelbänke aus. Die Tiefen-Verbreitung des für viele Ostsee-Organismen essentiellen Lebensraums 'Miesmuschelbank' verringerte sich in den letzten Jahren in nicht strömungsexponierten Regionen von 13 auf nur noch 4 bis 6 Meter.
Zusätzlich zum Rückgang des Sauerstoffgehalts im Meerwasser kommen weitere anthropogene Belastungsfaktoren hinzu, die v.a. den geringen Wasseraustausch belegen. Die Schadstoffwerte des Tensids Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) liegen in der Flensburger Innenförde besonders hoch. Erste Ergebnisse von PFOS-2 Untersuchungen der schleswig-holsteinischen Küstengewässer zeigen im Jahr 2016 eine starke Überschreitung der Grenzwerte in der inneren Flensburger Förde, wo Gehalte zwischen 0,18 ng/l und 0,85 ng/l gemessen wurden (Zustand der deutschen Ostseegewässer 2018, Entwurf, Aktualisierung der Anfangsbewertung nach § 45c, der Beschreibung des guten Zustands der Meeresgewässer nach §45 d und der Festlegung von Zielen nach § 45e des Wasserhaushaltsgesetzes zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, Version 1.3, Stand 28. Februar 2018).
Anhörung verstärkt Skepsis
Gutachter überzeugt nicht
Bei der Anhörung der Fischereiabteilung des MELUND am 27. August 2018 in Flensburg verstärkten sich die Vorbehalte des NABU gegenüber dem Vorhaben. Vor allem die folgenden Punkte steigerten die Skepsis gegenüber dem Vorhaben wie der Neutralität des beauftragten Gutachters:
REGENERATION MUSCHELBÄNKE
An mehreren von Flensburger Tauchern untersuchten Orten war die prognostizierte Regeneration gedredgter Muschel-Bereiche nicht eingetreten. Diese Dokumentation wurde seitens des Gutachters als 'rein subjektive und nicht wissenschaftliche Beobachtung' abgewertet. Behauptet wurde statt dessen eine Regeneration an anderen Stellen, die Aussage war jedoch vom Gutachter nicht mit Daten belegbar.
MUSCHELBANK: LEBENSRAUM UND NAHRUNGSQUELLE FÜR FISCHE UND SCHWEINSWALE
Angler, Fischer, lokale Biologen, Naturschützer und Anwohnende berichten, dass an Muschelbänken in der Flensburger Förde bevorzugt Fische gefangen und Schweinswale gesichtet werden. Laut Gutachter sei jedoch nicht erwiesen, dass sich an einer Muschelbank besonders viele Fische aufhalten, noch ständen Muschelbänke in irgendeiner Beziehung zu Schweinswalvorkommen. Hierzu gäbe es keine Bestätigung in der Literatur.
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) definiert biogene Hartsubstrate wie Miesmuschelbänke jedoch als Riff im Sinne des Lebensraumtyps 1170. Es hebt als wichtige ökologische Funktionen von Riffen stichpunktartig hervor: „Lebensraum und Rückzugshabitat z. T. seltener und durch Fischerei gefährdeter Tier- und Pflanzenarten". "Aufwachsgebiet („Kinderstube“) mit hoher Artenvielfalt." "Lebensraum, Laichplatz und Nahrungshabitat von Fischen". "Nahrungshabitat für Vögel und Meeressäugetiere". "Trittstein- und Regenerationsreservoir bei der Ausbreitung von Benthosorganismen.“
Mehrfach wird auf die große Bedeutung der Muschelbänke als Hotspots der Artenvielfalt hingewiesen. Da natürliche Hartsubstrate - auch in der Flensburger Förde – weitgehend fehlen, werden die Muschelschalen „von festsitzenden Algen und Tieren besiedelt, die sonst [..] keine Chance hätten zu existieren“. „Durch ihre weitreichende funktionale Vernetzung wird deutlich, dass sich Effekte der Fischerei nicht nur auf die Muschelpopulation selbst, sondern auf das gesamte Ökosystem ausweiten können“ (BUSCHBAUM & NEHLS 2003: Effekte der Miesmuschel- und Garnelenfischerei: In: Warnsignale aus Nordsee & Wattenmeer).
Dokumentiert wird der Zusammenhang auch im Greifswalder Bodden. „Im Gebiet kommen viele Kleinfischarten vor. Diese nicht kommerziell genutzten Fischarten besitzen eine hohe ökologische Bedeutung. Sie sind Nahrungsgrundlage für Wirtschaftsfische und für viele Seevögel. Laichgebiet für viele Fischarten sind die flachen Küstengewässer des Greifswalder Boddens mit den Makrophytenwiesen, Muschelbänken, Uferbereichen und Gelegegürteln (BORCHERT & WINKLER 2001).“
Die an Muschelbänken lebenden Fische sind Beute von Schweinswalen. Diese fressen nach einer Studie mit besenderten Tieren pausenlos. Störungen gehen zu Lasten des guten Ernährungszustandes. Besenderte Wale zeigten, dass Schweinswale auf sehr kleine Fische spezialisiert sind (Current Biology, 2016; doi: 10.1016/j.cub.2016.03.069). Diese Aussagen erklären, warum Beobachtungen von Schweinswalen in der Flensburger Förde vorzugsweise an Muschelbänken gemacht werden. Der positiv korrelierende Zusammenhang von Schweinswalvorkommen und Muschelbänken ist daher aus der Literatur ableitbar!
NICHT ERKLÄRTE, DIFFERENZIERTE BESTANDSRÜCKGÄNGE
Das Gutachten stellt heraus, dass in den gedredgten, tiefer gelegenen Bereichen der Förde der Rückgang der Miesmuscheln mit rd. 10 % geringer ausfalle als in flacheren, ungedredgten Zonen, wo Rückgänge bis 70 % festgestellt wurden. Diesen Unterschied konnte der Gutachter auf Rückfrage ursächlich nicht erklären. Der deutliche Rückgang um insgesamt 42 % wurden als "im üblichen Schwankungsbereich gelegen" definiert, allerdings trotzdem daraus abgeleitet, dass die Wildmuschelfischerei keinen Einfluss auf den Bestand habe.
Es ist jeoch bekannt, dass Arten, deren Bestand zurückgeht, zunächst und in stärkerem Maße die Randbereiche ihrer Verbreitung räumen (sog. "range contraction"). Bestandsrückgänge machen sich an diesen Stellen besonders schnell und in größerem Ausmaß bemerkbar, bevor sie auch in den Kernzonen der Verbreitung stärker hervortreten. Für die Miesmuscheln lässt sich die bestehende Datenlage so interpretieren: Es findet ein deutlicher Rückgang der Bestände in den offensichtlich ökologisch benachteiligten Randbereichen (d. h. Flachwasserzonen) und eine Konzentration auf die derzeit noch günstigeren Bereiche statt. Die Muschelfischerei profitiert davon, da sie vor allem die tiefer gelegenen Muschelbänke abfischt, die überlebensfähiger erscheinen (bei allerdings abnehmender bzw. nicht nachgewiesener Neuansiedlung). Warum aber Flachwasserbereiche trotz höherer Sauerstoffkonzentrationen ökologisch benachteiligt sind, bleibt unbekannt.
Die Beobachtungen belegen damit aber zumindest keine Unbedenklichkeit der Muschelfischerei. Die Entwicklung ist in der Gesamtbetrachtung vor diesem Hintergrund eher Besorgnis erregend.
ILu, 11. September 2018
Im Jahr 2017 trat am Meeresboden der Förde das Faulgas Schwefelwasserstoff auf, das in vom LLUR gezogenen Proben nachgewiesen wurde. Schwefelwasserstoff entsteht bei der Zersetzung organischem Materials bei niedrigem bis fehlendem Sauerstoff-Gehalt des Wassers („Sauerstoffmangel im bodennahen Wasser der westlichen Ostsee“, Flintbek, 28. September 2017, Zusammenfassung der jährlichen Messungen). Taucher des NABU belegten fotografisch großflächig abgestorbene Bereiche in der Flensburger Förde. Auch die Konzentration von Nährstoffen (Phosphat, Nitrat) liegt in der Flensburger Förde im oberen Belastungsbereich schleswig-holsteinischer Küstengewässer. Durch den Abbau der durch hohe Nährstofffrachten begünstigten, zusätzlichen Algenproduktion nach derem Absinken wird die Sauerstoffarmut weiter gefördert.
Miesmuschellarven reagieren höchst sensibel auf versauertes Wassers, mit der Folge reduzierter Kalzifizierungsraten und Schalenauflösung (GEOMAR 11/2017). Für Muscheln wird es immer schwieriger, sich dem anzupassen. Mit der zunehmenden Erwärmung des Ostseewassers werden auch die für einen reichhaltigen Brutfall notwendigen tiefen Wintertemperaturen nicht mehr erreicht. Die Reproduktionsleistung sinkt, was den Erfolg künstlicher Saatmuschelgewinnung und Muschelproduktion wie die Regeneration abgeernteter Muschelbänke in Frage stellt.
Bestandsabnahmen und Regenerationszeiten
Obgleich Miesmuschelbänke in der Flensburger Förde durch eine Vielzahl negativer Einflüsse bereits knapp die Hälfte ihres Bestandes eingebüßt haben, soll der Wildbestand auf deutscher Seite mindestens fünf weitere Jahre genutzt - und damit dezimiert - werden. Diese Option hält der NABU wegen der Verschlechterung der ökologischen Rahmenbedingungen gerade in dieser sensiblen Region für inakzeptabel und auch rechtlich nicht zulässig.
Die Verträglichkeitsstudie des Vorhabenträgers bestätigt: „Vergleicht man die hochgerechneten Biomassewerte aus 2008 mit denen der aktuellen Untersuchung, so wird deutlich, dass eine starke Abnahme in den meisten Bereichen stattgefunden hat [..]. Im Gesamtgebiet beläuft sich der Rückgang auf 45 %.“ Die Verträglichkeitsstudie kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Wildmuschelfischerei für diese Entwicklung nicht verantwortlich sei. Allerdings flossen zum einen die kumulierenden Belastungen nicht in die Wertung der Studie ein, zum anderen aber trägt die Wildmuschelfischerei auch nicht zur Stabilisierung des bereits ökologisch schlechten Zustands und zur Regeneration der in Mitleidenschaft gezogenen Bestände bei bzw. behindert diese sogar. Der NABU sieht daher aus den genannten Gründen einen deutlich negativen Einfluss der Wildmuschelfischerei auf den Gesamtbestand.
Die Aussagen im Gutachten darüber, wie schnell sich Muschelbänke regenerieren, hält der NABU in Anbetracht der besonderen ökologischen Lage in der Flensburger Innenförde für überwiegend nicht realistisch. Der hier besonders niedrige Salzgehalt (< 0,2 mg/l), der sich auch in der vergleichsweise geringen Endgröße der Muscheln niederschlägt (4 -6 cm), bedeutet für die Tiere einen vergrößerten Energieaufwand beim Wachstum. Es ist entsprechend davon auszugehen, dass eine Regeneration der Miesmuscheln, aber auch anderer, ebenso betroffener Tierarten, wesentlich längere Zeit in Anspruch nimmt als bei vergleichbaren Beständen in anderen Regionen der Ostsee. Daher hält der NABU die im Gutachten betrachteten Vergleichsgebiete (Großer Belt, Schleimündung oder Fehmarnbelt) aufgrund grundsätzlich abweichender ökologischer Parameter für ungeeignet.
Die Untersuchungen (Verträglichkeitsstudie) der Gutachter vor Ort betrachten nur einen kurzen Zeitraum und sind - sowohl hinsichtlich der Lage als auch des Zeitraums – unvollständig und nicht ausreichend. So ist nach Aussagen der Gutachter ein Vergleich mehrerer Standorte zwischen 2008 und 2015 nicht oder nur eingeschränkt möglich. An mehreren Standorten mit vorliegendem Datenmaterial wird nur eine eingeschränkte Regeneration belegt, wofür Prädation verantwortlich gemacht wird. An einer anderen Stelle der Studie werden die angeblich wegen des geringen Salzwassergehalts fehlenden Prädatoren jedoch als positiver Faktor dargestellt.
Die kritische Bewertung des NABU erfährt durch Filmaufnahmen von Tauchern des "UWT Flensburg" aus dem Bereich Ostseebad/Wassersleben, aufgenommen direkt nach dem Muschel-Dredgen im März 2017 und aktuell im Juni 2018, ihre Bestätigung. Aufgrund der Lage zwischen zwei künstlichen Riffen sollte an diesem Ort die Regeneration der abgeernteten Wildmuschelbänke besonders zügig voranschreiten. Die Aufnahmen belegen jedoch das Gegenteil. Der Bereich der ursprünglich hier befindlichen Muschelbank ist derzeit mit einer 6 – 40 cm dicken Sedimentschicht bedeckt. Obgleich nach Auffassung der Gutachter nach zwei Jahren bereits neu besiedelnde Miesmuscheln eine Größe von 4 cm erreicht haben sollten, ist nach einem Jahr keinerlei Anzeichen einer Regeneration der Muschelbank erkennbar.
-
Anfang März 2017: Zwischen den Riffen die Schleifspuren der Dredge und zerstörte Muscheln. Zurück bleibt Sandboden. - Foto: Stephan Thomsen / Tobias Kaiser, UWT Flensburg
-
Ende Juni 2018: Dieselbe Stelle zwischen den Riffen gleicht einer Mondlandschaft. Eine Regeneration ist nicht zu erkennen. - Foto: Stephan Thomsen / Tobias Kaiser, UWT Flensburg
-
Eine 8 - 40 cm dichte Sedimentschicht bedingt durch absterbende Biomasse als Folge der Eutrophierung. - Foto: Stephan Thomsen / Tobias Kaiser, UWT Flensburg
-
Hier droht Verschlammung und die Entwicklung zu einer toten Zone. - Foto: Stephan Thomsen / Tobias Kaiser, UWT Flensburg
-
Taucher des Unterwasserteams UWT Flensburg - Foto: Archiv UWT
Im Bereich der beiden künstlichen Riffe ist derzeit noch eine für die Förde erstaunliche Artenvielfalt bezüglich der charakteristischen Fauna (FFH-Lebensraumtyp 1170) aus Suspension fressenden Arten (Filtrierer, Tentakelfänger) nachgewiesen. Zahlreiche Schnecken wie Rändelkäferschnecke, Seescheide, Plattwürmer wie der Schuppenrücken, Polychäten etc. haben hier ihren rechtlich geschützten Lebensraum. Wenn gerade hier Muschelbänke abgefischt werden, sind drastische Auswirkungen auf die gesamte, noch artenreiche Biozönose zu erwarten.
Die vorliegenden Daten und Erfahrungen des Ostseelabors der Europa-Universität Flensburg sind hinzuzuziehen, um die in der Verträglichkeitsstudie vorliegenden, unzureichenden Angaben zu korrigieren. Dies betrifft auch deren Einbeziehung bei der Auswahl von möglichen Standorten von Muschelkulturen. Insgesamt halten die Annahmen im Gutachten einer kritischen Überprüfung nicht stand, wie die nur stichprobenhaft hier bekannt gegebenen Untersuchungen anderer Institutionen zeigen.
Munitionsaltlasten
Einen weiteren ökologisch und fischereilich bedeutsamen, notwendigerweise mit zu betrachtenden Aspekt stellen Munitionsfrachten dar, die nach dem 2. Weltkrieg in großer Menge auch in der Flensburger Förde verklappt wurden. Nach anerkannten Schätzungen liegen derzeit noch bis zu 1,6 Millionen Tonnen Munition am Grund der deutschen Nord- und Ostsee. Die Flensburger Förde war dabei ein Schwerpunkt-Verklappungsgebiet. Die jährlichen Berichte des Bund-Länder-Ausschusses Nord- und Ostsee (BLANO) – Expertenkreis Munition im Meer – dokumentieren jährlich diese Funde. So wurden noch 2013 eine Sprenggranate im Flensburger Hafen und im vergangenen Jahr 26 Kisten mit diversem Munitionsteilen vor Fahrensodde geborgen. Dies unweit der Bereiche, in denen bereits nach Muscheln gefischt wird oder wo die Anlage von Muschelkulturen geplant ist.
Neuere Studien prognostizieren einen steigenden Anteil sprengstofftypischer Giftstoffe, der nach dem Durchrosten der Munitionskörper verstärkt in das Ostseewasser gelangt. Die mögliche Aufnahme von sprengstofftypischen Verbindungen durch Miesmuscheln steht dabei im Raum (BURMEIER (2011): Ökotoxikologisches Gefahrenpotential durch sprengstofftypische Verbindungen und Tabun aus Munitionsaltlasten in der schleswig-holsteinischen Nord- und Ostsee). Der NABU verweist zudem auf die Studie von Dr. Maser (Institut für Ökotoxikologie der CAU Kiel) über eine Anreicherung von TNT und seiner Abbaustoffe in Ostsee-Miesmuscheln.
Der Risikofaktor "Munitionsaltlasten" wird in den vorgelegten Untersuchungen nicht betrachtet. Vor dem Hintergrund der toxikologischen Risiken eines Verzehrs ggf. standortbedingt mit Munitionsinhaltsstoffen belasteter Muscheln ist dies inakzeptabel. Ohne entsprechende Nachweise der Unbedenklichkeit kann aus Sicht des NABU grundsätzlich keine Genehmigung für den Verzehr von Miesmuscheln aus der Förde erteilt werden.
Fischerei
Aussagen des Fischereivereins Flensburg, wonach die langjährige Wildmuschelfischerei in der Förde auf beiden Seiten der Staatsgrenze für sinkende Fangerträge gesorgt hat, sind für den NABU nachvollziehbar. Der Lebensraum Miesmuschelbank ist der artenreichste in der Flensburger Innenförde. Wissenschaftliche Ausarbeitungen im Gebiet des sog. Ostseebads haben ergeben, dass sogar zahlreiche Arten hier dieses Gebiet bewohnen, die nicht in anderen küstennahen Gebieten der Flensburger Förde anzutreffen sind.
Durch die frühere „Steinfischerei“ in der Förde sind wichtige Schutz- und Jagdbereiche für Fische verloren gegangen. Diese Funktion übernehmen in Teilen künstlich angelegte Riffe vor Flensburg / Ostseebad / Wassersleben. Zwischen beiden Kunstriffen besteht ein Fischwechsel ('Fischweg' i. S. d. Fischereigesetzes). Jungfische wie auch ältere Fische nutzen den Raum zwischen den beiden Riffen als Jagd-, Schutz- sowie Aufzuchtgebiet. Die künstlichen Riffe stellen somit einen ursprünglichen Teillebensraum der Flensburger Förde wieder her.
Viele auch pelagische Fische schwimmen bei dem Wechsel zwischen den Riffen und im Umkreis der Riffe auch in Bodennähe. Auch zahlreiche untermaßige Jungtiere gelangen dann als Beifang der Fischerei in die Muschel-Dredge. Zwischen diesen Riffen ist durch die Wildmuschelfischerei schon heute der Lebensraum empfindlich geschädigt. In der Studie ist nach Auffassung des NABU die Funktion der Muschelbänke als Fischaufzuchtsgebiet nicht ausreichend berücksichtigt. Die nachhaltige Nutzung sieht der NABU für die Wildmuschelfischerei in der Flensburger Förde nicht gegeben.
Sozioökonomie
In der Begründung zum Vorhaben wird die Sicherung der Arbeitsplätze in der Farbrik in Emmelsbüll angeführt. Bei dieser Betrachtung müssen jedoch auch die ggf. nachhaltigen Fangeinbußen der betroffenen Fischer an der Förde berücksichtigt werden. Weitere Faktoren wirtschaftlich-touristischer Art wären zu betrachten.
Schweinswale
Es erscheint vor dem oben skizzierten Hintergrund als nicht zufällig, dass vor dem Ostseebad auffällig oft Schweinswale beobachtet werden. Dies ergab eine entsprechende NABU-Evaluierung von jährlichen Sichtungsdaten. Muschelbänke stehen für Artenreichtum und Individuendichte. Sie sind ‚Kinderstuben‘ des Fischbestands in der Förde. Wie auch Angler in der Flensburger Förde bevorzugt an den Riffen und Abbruchkanten fischen, ziehen diese auch Schweinswale an.
Das Vorkommen von Miesmuschelbänken und die Nahrungsgründe der Schweinswale sind über lange Zeiträume des Jahres deckungsgleich. Aufgrund einschlägiger Erkenntnissen von besenderten Schweinswalen, Hydrophonauswertungen sowie Beobachtungen ist belegt, dass Familienverbände große Teile des Jahres ausschließlich in der Flensburger Förde verbringen, und nicht 'sporadisch nach Nahrung suchend durch die Förde ziehen', wie fälschlich angenommen. Sie nutzen offenbar als wichtigen Teil ihres Nahrungserwerbs den Lebensraum der Muschelbänke.
Der NABU führt seit einigen Jahren 'Whale Watching Touren' in der Flensburger Innenförde durch, mit einer Sichtungsquote von mittlerweile bis zu 90 %. Der Erfolg gründet darauf, dass das Boot Riffe und Abbruchkanten in entsprechenden Abständen abfährt. In der Regel werden bei den Touren auch Kälber gesichtet. Die Flensburger Förde ist als Aufzuchtgebiet für Schweinswale bekannt. Die Innere Förde gehört zu den wichtigsten Bestandsgebieten, deshalb ist eine Verschlechterung der Nahrungsgrundlage der Wale auch artenschutzrechtlich nicht zulässig. Das gilt auch für die als Beifang ungewollt mit entnommenen Grundfischarten, die als Nahrung des Schweinswals von großer Bedeutung sind. Auch durch Sichtungsdaten des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) wird deutlich, dass Schweinswale mit ihren Kälbern zwischen Mitte Juli und Mitte September zahlreich in der Förde gesichtet werden. Ab Ende März nehmen die Sichtungen stetig zu.
Nach einer Studie der Universität Aarhus (WISNIEWSKA et al.) müssen Schweinswale permanent jagen und fressen, um überleben zu können. Dazu erbeuten sie neben wenigen größeren Fischen (Hering, Dorsch) vor allem kleine Fische mit weniger als fünf Zentimetern Länge. Störungen, die sie vom Jagen ablenken, sorgen für ernsthafte Folgen hinsichtlich ihres Ernährungszustands. So dürfte die von Beobachtern festgestellte Lärmentwicklung beim Zug der Dredge über den Meeresboden, wie vor einiger Zeit vor den dänischen Ochseninseln (DK: Okseøer) bemerkbar, Schweinswale zumindest temporär vertreiben. Die Nahrungsquellen im ausgewiesenen Lebensraum – auch nur zeitweise – zu dezimieren widerspricht den Schutzzielen des UNO-Abkommen ASCOBANS, der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie MSRL, der FFH-Richtlinie u.a.. Dass in der Verträglichkeitsstudie der Schweinswal nur kurz angerissen wird mit dem Fazit, dass er nicht betroffen sei, ist für den NABU fachlich nicht nachvollziehbar.
-
Miesmuschelfangschiff in Egernsund / DK - Foto: Holger Petersen / Marefoto
-
Miesmuschel-Dredge. Im April war das Schiff vor der Schusterkate in der Wasserslebener Bucht / DK aktiv. - Foto: Holger Petersen / Marefoto
-
Miesmuscheln werden aus Schiff entladen. Ende Juni / Anfang Juli erfolgten Muschelfänge an der Ochseninsel / DK. - Foto: Holger Petersen / Marefoto
-
Miesmuscheln werden im LKW zur Muschelfabrik der Firma Wittrup Seafood in Horsens abtransportiert. - Foto: Holger Petersen / Marefoto
Wildmuschelentnahmen beiderseits der Grenze
In der Verträglichkeitsstudie heißt es: „Aufgrund des starken Wachstums und des hohen Nährstoffgehalts der Flensburger Förde wird dennoch angenommen, dass eine jährliche Entnahme von bis zu 13,3 % des Bestandes leicht durch die Produktion ausgeglichen werden kann. Weitere Miesmuschelbestände, die zum Larvenpool beitragen, sind auf der dänischen Seite der Flensburger Förde zu erwarten, wo keine Muschelfischerei stattfindet.“
Hier handelt es sich um einen Irrtum: Die Verträglichkeitsstudie geht unzutreffend davon aus, im dänischen Teil der Förde finde keine Wildmuschelfischerei statt: Auf der dänischen Seite wurde jedoch in diesem Frühjahr 2018 bereits von einem Muschelfischer der Bereich vor der Schusterkate mit der Dredge durchzogen – das Gebiet in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ostseebad. Aktuell (Ende Juni / Anfang Juli 2018) ist ein weiterer Muschelfischer (Wittrup Seafood) auf dänischer Seite Muscheln fischend unterwegs – u.a. an den Ochseninseln. In Anbetracht des aktuell in diesem Bereich Auftretens gleich mehrerer Schweinswal-Kleingruppen mit Kälbern ist dies nicht akzeptabel. Soweit dem NABU bekannt, verfügt der Muschelfischer Wittrup über eine Genehmigung für eine Anlandung von 4000 t Miesmuscheln in einem Gebiet, das die Flensburger Förde einschließt.
Bekannt ist aufgrund von Augenzeugenberichten, dass auch die Wildmuschelfischer von dänischer – ebenso wie der Muschelfischer auf deutscher Seite - den Fang komplett mit dem Beifang löschen. Unbekannt ist, wieviel Biomasse insgesamt entnommen und wie mit den untermaßigen Muscheln verfahren wird. Grundsätzlich ausgeschlossen werden muss, dass die für den Konsum zu kleinen Muscheln von der Muschelfarbrik Emmelsbüll (NF) aus im Wattenmeer, wo sie besser wachsen und höhere Preise erzielen, ausgebracht und „veredelt“ werden – entgegen dem dortigen Importverbot für Miesmuschelsaat aus anderen Meeresgebieten.
Vor zwei Jahren musste Wittrup für kurze Zeit die Fischerei aussetzen, weil im Zusammenhang mit der Eutrophierung mit Algengift kontaminierte Muscheln auftraten. Dennoch will das Unternehmen offensichtlich eine größere Fangmenge beantragen, zumal vor nicht allzulanger Zeit in eine große Muschelfabrik investiert wurde, die sich amortisieren muss. Ob eine mögliche Fangmenge bereits genehmigt wurde und wieviele Wildmuschelfischer insgesamt mit wieviel möglicher Fangmenge in der Flensburger Förde fischen dürfen, ist dem NABU nicht bekannt. Diese Angaben sind aber unerlässlich, um eine Aussage zum Zustand der gesamten Förde treffen zu können. Dieses ist im Rahmen der Verträglichkeitsstudie nicht geschehen. Der dänische Larvenpool, auf den der Gutachter bei Erstellung der Verträglichkeitsstudie gesetzt hat, ist nicht oder nur in Teilen vorhanden. Hinzu kommt, dass auch die Gesamtauswirkung - in Ermangelung von Kenntnissen über die Praxis auf dänischer Seite - nicht betrachtet und ausreichend bewertet wurde.
Beifang
Wie in der Erörterungsveranstaltung am 30. Mai 2018 vom MELUND mitgeteilt wurde, nimmt der Beifang einen Anteil von mindestens 30 % am Gesamtgewicht ein. Muschelfischer dürfen 10 % untermaßiger Muscheln mitführen. In Ermangelung eines Spülraumes wird der komplette Fang zur Muschelfabrik nach Emmelsbüll gefahren. Der komplette Beifang wird also dem Lebensraum entnommen. Der ökologische Schaden für die Förde erscheint daher schon mengenmäßig enorm. Der NABU hält die Entnahme der kompletten Lebensgemeinschaft „Miesmuschelbank“ für eine Zerstörung des Lebensraumes, der – zumindest an einigen der Entnahme-Standorte - kaum mehr den Zustand, der vor der Entnahme bestand - erreichen wird. Mindestens im FFH-Gebiet steht die Muschelfischerei damit dem Verschlechterungsverbot entgegen.
Nicht funktionierende Überwachung
Während der Anhörung Ende Mai 2018 wurde deutlich, dass das Überwachungssystem in der Vergangenheit nicht funktioniert hat. Noch deutlicher wird es in der Verträglichkeitsstudie, in der auch aus diesem Grunde Zahlen und Daten fehlen. So werden an vielen Stellen unvollständige Daten aufgeführt, die trotzdem in die Studie einflossen. Unsicherheit besteht offensichtlich auch bei der Auswertung der Aktivitäten der Fischerei in flachen Gewässern. („Es zeigte sich, dass die 2 m-Linie in der verwendeten Seekarte an einigen Stellen möglicherweise nicht korrekt war, da eine Befischung teilweise auch in nach Seekarte flacheren Bereichen stattgefunden hat, wo das Muschelfahrzeug sonst nicht hätte operieren können. Daher ist der flache Bereich der westlichen Innenförde nach unseren Abgrenzungen nicht vollständig fischereifrei.“) Das in der Anhörung beschriebene Ortungssystem soll nach Aussage des Ministeriums künftig durchgehend funktionieren und auch regelmäßig ausgewertet werden. Daran bestehen aufgrund der bisherigen Praxis begründete Zweifel.
-
Zahlreiche Blumentiere und Schwämme belegen die Artenvielfalt von Miesmuschelbänken - Foto: NABU / Jan Langmaack
-
Prachtsternschnecke - Foto: NABU / Jan Langmaack
-
Rändelkäferschnecke auf einer Miesmuschel - Foto: NABU / Jan Langmaack
-
Schuppenrücken auf einer Miesmuschel - Foto: NABU / Jan Langmaack
-
Sternschnecke auf einer Miesmuschel - Foto: NABU / Jan Langmaack
Ökologische Bedeutung von Muschelkulturen
Als ein Argument für die Erlaubniserteilung zur Wildmuschelfischerei in der Flensburger Förde wurde in der Erörterungsveranstaltung die Filterleistung der angelegten Muschelkulturen genannt. Nach Auffassung des NABU verfügen künstliche Muschelkulturen jedoch nicht annähernd über die Artendichte einer natürlichen Muschelbank. Entsprechend sieht der NABU darin keine Kompensation für eine verlängerte Muschelfischerei.
Fazit
Die Fortführung der Wildmuschelfischerei in der Flensburger Förde lehnt der NABU auch für eine Übergangszeit - sowohl innerhalb als auch außerhalb von Schutzgebieten - entschieden ab. Die vorliegende Verträglichkeitsstudie hält der NABU für unzureichend und unzutreffend. Sie ist in vielen Punkten logisch, sachlich und fachlich nicht stimmig: Die Studie trifft für den betrachtenen Raum nicht zu, die Voraussetzungen sind nicht gegeben und wichtige Aspekte werden ausgeklammert. Werden die Fehler korrigiert, folgt daraus zwingend eine deutlich negative Bewertung des Vorhabens. Eine nachhaltige Fischerei ist zudem nicht gegeben. Es liegen rechtlich eklatante Verstöße gegen die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL), den Maßnahmenplan des betroffenen FFH-Gebietes, das Abkommen zum Schutz der Kleinwale (ASCOBANS) und die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vor.
Die Anlage von Muschelkulturen zur Ablösung der Wildmuschelfischerei erscheint dem NABU jedoch prinzipiell als gangbarer Weg, wenn ein regelmäßiges Monitoring der Fänge auf sprengstofftypische Verbindungen erfolgt. Die geplanten Standorte sind aber mit den am Verfahren beteiligten Institutionen zuvor abzustimmen. Auswirkungen auf Natura 2000-Gebiet sind zu vermeiden. Der angekündigten Machbarkeitsstudie sieht der NABU mit Interesse entgegen. Die Erstellung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, die auch bisher ausgeklammerte Aspekte berücksichtigt, wird eingefordert (Schweinswal). Weitere Erörterungen mit Beteiligung der Institutionen erscheinen notwendig.
DS, ILu, akt. 13. August 2018
weitere informationen
Ausgewählte Positionen, Resolutionen, Stellungnahmen & Gutachten des NABU Schleswig-Holstein zu umwelt- und naturschutzfachlichen Fragestellungen in zeitlicher Reihung. Mehr →