Am Rande der Alster lagern 2007 große Mengen ausgebaggerten Substrats. (Foto: Thomas Behrends)
Unsachgemäße Gewässerunterhaltung an der Alster
Mangelhafte Ausführung gefährdet hoch bedrohte Muschelarten
Nach Erkenntnissen des NABU Schleswig-Holstein sind an der Alster in der Zeit vom 20. November 2007 bis etwa 17. Dezember 2007 umfangreiche Maßnahmen zur Gewässerunterhaltung durch die Strommeisterei Hamberge im Auftrag des Staatlichen Umweltamtes Itzehoe durchgeführt worden. Dabei kam es im Dezember 2007 zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Bestandes der Kleinen Flussmuschel Unio crassus. In erheblichem Umfang wurden zudem weitere Großmuschelarten wie die Malermuschel Unio pictorum ausgebaggert.
Alle Großmuscheln sind nach der Bundesartenschutzverordnung geschützt, wobei die Kleine Flussmuschel streng geschützt und zugleich in den Anhängen II und IV der FFH-RL gelistet ist.
Gravierender Eingriff in FFH- und Naturschutzgebiet
Im FFH- und Naturschutzgebiet NSG „Obere Alster“ im Kreis Segeberg wurden zwischen dem Wakendorfer Moor und Naherfurth rund 320 m³ Boden auf einer Länge von 720 Metern entnommen. Dabei wurden nicht nur Sandbänke, sondern an vielen Stellen auch die ursprüngliche Bachsohle aus dem Gewässer entfernt. Nach Einschätzung des NABU stellen diese Maßnahmen auf ganzer Länge eine Grundräumung dar, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung und Zerstörung der für die FFH-Schutzgüter relevanten Bereiche geführt hat. Abschnittsweise erfolgte durch das Ausbaggern der alten Gewässersohle eine Vertiefung der Alster. Dies entspricht einem Gewässerausbau. Neben der massiven Schädigung von Wurzelhorizonten der dort vorkommenden FFH-Wasserpflanzengesellschaften (Flutender Hahnenfuß, div. Laichkräuter) sind von der Maßnahme auch die FFH- Arten Bachneunauge und Kleine Flussmuschel betroffen.
Unmittelbar sind Vorkommen und Exemplare der Kleinen Flussmuschel geschädigt, tote Exemplare im Auswurf der Gewässerunterhaltungsmaßnahme gefunden worden. Es ist darüber hinaus zu befürchten, dass durch die umfangreichen Ausbautätigkeiten auch die unterhalb, flussabwärts liegenden Jungmuschellebensräume durch die abgehende Schlamm- und Sedimentwalze erheblich geschädigt worden sind. Das von den Jungmuscheln besiedelte sauerstoffdurchströmte Lückensystem des Gewässergrundes wird dabei verstopft mit der Folge mangelhafter Stoffversorgung, so dass die Muscheln absterben. Ein Totalverlust eines der letzten Jungmuschelvorkommen der Kleinen Flussmuschel im Bereich unterhalb der Straßenbrücke Naherfurth bei der Lankau-Einmündung wird von befragten Fachleuten als sehr wahrscheinliche Konsequenz befürchtet bzw. angenommen. Dies ist umso bedauerlicher, als das die Alster eine der letzten sich noch fortpflanzenden Vorkommen der Kleinen Flussmuschel beherbergt. Dieses wurde aktuell wieder durch ein Gutachten des Landesamtes für Natur und Umwelt LANU aus dem Jahre 2007 bestätigt (Brinkmann, R. 2007: Erfassung von Bestandsdaten von Tier- und Pflanzenarten der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie. Mollusca: Unio crassus PHILIPSSON, 1788; Kleine Flussmuschel). Das Vorkommen der Kleinen Flussmuschel war den Behörden also bekannt und mehrfach Gegenstand von Diskussionen im Zuge der Umsetzung der FFH und der EG WRRL.
ZUR RECHTLICHEN SITUATION
Sämtliche heimische Süßwasser - Großmuscheln gehören gemäß § 10, Abs. 2 Nr. 10 BNatSchG in Verbindung mit der Bundesartenschutzverordnung zu den besonders geschützten Arten. Die kleine Flussmuschel (Unio crassus) ist gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 11 BNatSchG in Verbindung mit Anhang V der FFH- Richtlinie sogar streng geschützt.
Die Tötung bzw. die Zerstörung von Lebensstätten von Süßwasser- Großmuscheln ist gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BNatSchG ordnungswidrig, soweit er die Handlung gewerbs- oder gewohnheitsmäßig begeht, macht er sich strafbar. Falls sich das Verhalten auf ein streng geschütztes Tier (wie die kleine Flussmuschel, Unio crassus) bezieht, so kann dies gemäß §§ 65 Abs. 1 Nr. 1 und 3, 66 Abs. 2, Abs. 4 BNatSchG eine Straftat darstellen.
Genehmigung mit hohen Auflagen
Anlass für die Gewässerunterhaltungsmaßnahme ist nach Erkenntnissen des NABU Schleswig-Holstein eine Gewässerschau im April 2007, bei der mehrere (6-7) Sandbänke unterhalb der Einmündung der Rönne in die Alster als möglicherweise für den Wasserabfluss problematisch ermittelt wurden. Ziel der Maßnahme sollte die gezielte Ausbaggerung dieser Sandbänke sein. Hierfür erteilte die Untere Wasserbehörde (UWB) des Kreises Segeberg eine Genehmigung mit Auflagen, u. a. hinsichtlich einer abschnittsweisen Räumung der Sandbänke sowie einer ökologischen Baubegleitung wegen der bekannten Muschelvorkommen. Diese Auflagen hat das StUA Itzehoe nicht eingehalten bzw. ignoriert.
Statt abschnittsweiser, sukzessiver Entfernung der Sandbänke wurde eine Grundräumung „auf einen Rutsch“ auf der gesamten Länge durch die Strommeisterei Hamberge durchgeführt. An mehreren Stellen ist die alte Gewässersohle mit ausgebaggert worden. Eine notwendige ökologische Baubegleitung fand entgegen der Vorgaben nicht statt. Erst nach Beendigung der Maßnahme harkten Mitarbeiter der Strommeisterei die ausgehobenen Erdhaufen oberflächig ab. Schon in den Wochen zuvor hatten NABU-Mitglieder aus Norderstedt Anfang bis Mitte Dezember an mehreren Tagen zahlreiche Muscheln von den Erdhaufen abgesammelt und in den Fluss zurückgeworfen. Mitarbeiter der NABU Landesstelle Wasser haben ebenfalls noch reichlich Schalen verschiedener Großmuschelarten nach einer oberflächigen Suche auf den Erdhaufen bergen können.
Keine Information
Die Schutzgebietsbetreuer des NSG „Obere Alster“ wurden über die bevorstehenden Unterhaltungsmaßnahmen nicht informiert. Die Mitglieder der für die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie EG-WRRL zuständigen Bearbeitungsgebiets- Arbeitsgruppe Nr. 20 BAG Alster wurden über die bevorstehende Maßnahme ebenfalls nicht in Kenntnis gesetzt.
Dies ist umso bemerkenswerter, als dass das Thema Unio crassus / Alster auf einer der letzten Sitzungen der Arbeitsgruppe ausführlich thematisiert wurde - in Anwesenheit des Mitarbeiters Thomas Behrends der NABU Landesstelle Wasser. Der zuständige Projektleiter des WRRL- Teileinzugsgebietes Elbe des StUA, Michael Ahne, ist Mitglied der BAG 20 und über die naturschutzfachliche Bedeutung der Alster und den Schutzgebietsbestimmungen voll-ständig informiert. Dennoch wurden die Auflagen der UWB Segeberg vom STUA Itzehoe als der für die Gewässerunterhaltung an der Alster zuständigen Behörde offensichtlich nicht eingehalten. Der Umfang der Unterhaltungsmaßnahme erfordert nach Ansicht des NABU eine FFH-Verträglichkeitsprüfung. Diese wurde nicht durchgeführt. Das Vermeidungsgebot von Verschlechterungen im Sinne der EG-WRRL wurde für die Alster missachtet, die biologischen Qualitätskomponenten massiv beeinträchtigt. Das nach FFH Recht geltende Verschlechterungsverbot blieb ebenfalls missachtet.
Die Arbeitsgruppe der BAG 20 für die Umsetzung der EG WRRL fühlt sich darüber hinaus in seiner Arbeit brüskiert, das Vertrauensverhältnis zwischen Behördenvertretern und Mitgliedern der BAG ist empfindlich gestört.
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