Fließgewässer haben eine hohe Bedeutung für den Naturhaushalt, an der sich die Gewässerunterhaltung orientieren muss. Mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie besteht ein modernes Wasserrecht. Oberstes Ziel: Ein guter ökologischer Zustand. Wie sieht die Praxis aus? Mehr →
Süßwasser-Muscheln in Schleswig-Holstein
Großmuscheln bedroht durch Gewässerunterhaltung
Ursprünglich weit verbreitet
Großmuscheln waren ursprünglich in allen Seen, Flüssen und Bächen in ganz Schleswig-Holstein verbreitet. Darüber hinaus wurden nach und nach auch viele Gewässer anthropogenen Ursprungs wie Teiche, Kanäle und große Gräben besiedelt.
Heutzutage finden sich Großmuscheln vor allem in der Jungmoränenlandschaft in den Seen mit ihren Zuläufen sowie Flüssen wie der Treene, Eider, Schwentine, Trave, Kossau und Alster. Hier existieren auch heute noch große, individuenreiche Bestände. Auch aus einigen Flüssen der Geest sind große Vorkommen bekannt. Schleswig-Holstein beherbergt noch verhältnismäßig große Vorkommen unterschiedlicher Arten (z. B. Anodonta cygnea, Unio pictorum). Lediglich die zwei ökologische anspruchvollsten Arten, Pseudanodonta complanata und Unio crassus, sind sehr selten geworden. Von letzterer ist ein dramatischer Bestandseinbruch belegt.
Ausbreitungspotential gering
Das Ausbreitungspotential der Muscheln ist außerordentlich gering, so dass sogar verschiedenen Flussgebiete oder ökologisch abgeschlossene Seen genetisch eigenständigen Populationen beherbergen können. Eine künstliche Wiederansiedlung ist zwar prinzipiell möglich, verwischt aber diese genetischen Eigenarten der lokalen Bestände. Eine geeignete Maßnahme des Artenschutzes ist die künstliche Wiederansiedlung deshalb nur in seltenen Fällen.
Gefährdung und Schutz
Großmuscheln stehen stellvertretend für alle Tiere des Gewässergrundes. Da sie sich nur sehr langsam bewegen, sind sie äußerst empfindlich gegenüber Eingriffen in den Gewässergrund: Werden etwa Fließgewässer ausgebaggert, sterben Muscheln und viele andere Bodenorganismen im ausgehobenen Baggergut ab. Sie sind nicht in der Lage, selber wieder in das Gewässer zurückzukehren. Auch Umsiedlungen von Großmuscheln bleiben meist erfolglos: Die Tiere sind gegenüber Standortveränderungen sehr sensibel. Da sie permanent Wasser filtern und sich so auch immer mit Sauerstoff versorgen, sterben sie schon kurze Zeit nachdem der Wasserstrom unterbrochen wird, ab.
Gefährdungsursache: Gewässerunterhaltung
Durch Baggerarbeiten in Gewässern, durchgeführt im Zuge der Unterhaltung, können Muschel-Populationen ganzer Bäche- und Flussabschnitte aussterben. In vielen Fließgewässern sind die Muschelbestände aufgrund der massiven Unterhaltungsmaßnahmen daher dramatisch zurückgegangen.
Der Ausbau der Gewässer bedingt dabei oftmals eine Verringerung der Fließgeschwindigkeit. Zusätzlich belastet an manchen Orten eine hohe Nährstofffracht des Wassers und ein erheblicher Sedimenteintrag das Ökosystem. Die Konsequenzen sind dramatisch: Geringere Sauerstoffgehalte und verstärkte Feinsedimentablagerung werden von Bachmuscheln nur in sehr begrenzten Maße toleriert. Statt dessen breiten sich ökologisch weniger anspruchsvolle "Seen-Arten" wie die Teichmuschel auf Kosten von ökologisch anspruchsvolleren Arten (Fluss-Muscheln) aus.
Folge ist eine Verarmung der Fauna, eine ökologische "Uniformierung" der Lebensräume. Die leeren Schalen der Muscheln, die nach massiven Unterhaltungsmaßnahmen auf den Uferbanketten liegen bleiben, sind dabei Zeugen eines vielfachen Sterbens der Gewässertiere, da viele weitere Arten des Gewässergrundes sehr viel kleiner und damit unauffälliger, aber genaus so bedroht sind. Großmuscheln sind nur die auffallendsten Opfer und stehen mit ihrem Schicksal stellvertretend für die gesamte Bodenfauna der Gewässer.
Gesetzlicher Schutz
Die großen Süßwasser-Muscheln sind gesetzlich über die Bundesartenschutzverordnung BAV und einzelne Arten auch über die FFH-Richtlinie der EU geschützt. Entsprechend der starken Bedrohung der Bestände sind alle Arten in den Roten Listen der Bundesrepublik bzw. Schleswig-Holsteins aufgeführt. Den stärksten Schutz genießen Pseudanodonta complanata als streng geschützte Art der BAV und Unio crassus als prioritäre Art der FFH Richtlinie. Bei letzterer sind die Populationen im Land zu erfassen und Programme für den Schutz ihrer Lebensräume zu entwickeln.
Generell stellt das Töten der streng geschützten Arten einen Straftatbestand dar. Direktes Töten prioritärer oder streng geschützter Arten ist nur dann genehmigungsfähig, wenn eine Ausnahmesituation (etwa: Gefahr im Verzug) besteht oder eine privilegierte Nutzung nach Bundesnaturschutzgesetz
BNatSchG vorliegt. Die gewöhnliche, regelmäßige Gewässerunterhaltung stellt jedoch keine privilegierte Nutzung im Sinne des Gesetzes dar. Per se dürfen daher in keinem Fall durch Unterhaltungsmaßnahmen am Gewässer Großmuscheln getötet werden. Dementsprechend besteht die Verpflichtung, alternative Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, um drastische Auswirkungen auf den Muschel-Bestand zu vermeiden.
Großmuschelarten des Süßwassers in Schleswig-Holstein
Flache Teichmuschel (Anodonta anatina)
Beschreibung
Die Flache Teichmuschel bleibt meist unter 15 cm Länge, ausnahmsweise kann sie bis 18 cm erreichen. Der Wirbel ist eher zur Mitte gerückt mit unten geraden oder leicht eingezogenen Runzeln, die die Zuwachsstreifen kreuzen. Die Schale ist relativ dick, die Form rhombisch-eiförmig. Die Färbung ist ähnlich Unio pictorum, aber weniger gelb-grün. Der Oberrand der Schale ist gegen das Hinterende schräg ansteigend, hinter dem verhältnismäßig kurzen Ligament mit spitzer Ecke, eingebuchtet zum Hinterende abfallend. Die Innenseite des vorderen Unterrandes ist wulstig verdickt. Die Einströmöffnung ist breit und trägt kurze Papillen. Die äußere Form ist variabel.
Status
BAV, RL SH/D 3/V
Gemeine Teichmuschel (Anodonta cygnea)
Beschreibung
Färbung der Schalenhälften: außen gelblich bis graugrün, innen perlmuttfarbener Glanz. Schalenlänge zwischen 95 und 200 mm, Schalenhöhe 60 bis 120 mm, Schalenbreite 30 bis 60 mm. Trotz dieser beachtlichen Größe ist die Schale äußerst dünnwandig. Ein wichtiges Merkmal der Gattung ist das Fehlen von Zähnen (lat. Anodonta: ohne Zähne) im Schalenschloss, die bei Vorhandensein ein "Einrasten" der Schalenklappen bewirken. Die außerordentlich hohe Variabilität der Schalenausprägung, die u. a. auf habitatspezifische Faktoren (Temperatur, Wasser-chemismus, Substrat- und Nahrungsangebot) zurückgeführt werden kann, führte in den vergangenen Jahrzehnten zu zahlreichen Artbeschreibungen, die sich jedoch alle von Anodonta cygnea ableiten lassen.
Status
BAV, RL SH/D 2/2
Abgeplattete Teichmuschel (Pseudanodonta complanata)
Beschreibung
Die Schale der Abgeplatteten Teichmuschel ist sehr flach und kaum halb so dick wie hoch. Ihre Form ist oval, das Vorderteil kurz, verschmälert und gerundet, das Hinterende in eine leichte, etwas nach unten gerichtete Spitze ausgezogen. Die Wirbelskulptur besteht im Unterschied zu den Anodonta-Arten aus kleinen Höckern, die oft undeutlich sind. Pseudanodonta complanata wird selten über 8 cm lang.
Status
BAV !, RL SH/D 1/1
Kleine Flussmuschel/Bachmuschel (Unio crassus)
Beschreibung
Bachmuscheln werden 5 bis 6 Zentimeter groß mit meist recht dicken, gelbgrün bis braun gefärbten Schalen. Im Gegensatz zur häufigeren Malermuschel sind die Schalen am Hinterende aber nicht länglich ausgezogen, sondern eher stumpf abgerundet, was der Muschel insgesamt eine etwas ovale Form verleiht. Innen finden sich in der linken Schale zwei kräftige Schließzähne. Die Gemeine Flussmuschel (Unio crassus) besitzt eine 40 bis maximal 110 mm lange, elliptische oder kurz-eiförmige Schale. Deren Klappen sind nahezu doppelt so lang wie hoch und dickschalig. Vorder- und Hinterende sind fast gleich gerundet. Die Außenhaut ist meist dunkelbraun gefärbt, kann aber auch hellbraun oder grünlich erscheinen. Die Wirbel sind mäßig erhoben und besitzen dichtstehende konzentrische Runzelfalten.
Status
FFH 2*, FFH 4* prioritäre Art, RL SH/D 1/1
Malermuschel (Unio pictorum)
Beschreibung
Unio pictorum wird bis zu neun Zentimeter lang. Ihre schmale, zungenförmige Schale ist mehr als zweimal so lang wie hoch und fast immer gelblich gefärbt. Ober- und Unterrand der ziemlich formstabilen Schale verlaufen im mittleren Teil annähernd parallel.
Status
BAV, RL SH/D 2/3
Große Flussmuschel (Unio tumidus)
Beschreibung
Das Gehäuse der Muschel ist bohnen- oder niederförmig und meist 8 bis 10 Zentimeter lang, in selteneren Ausnahmen auch über zehn Zentimeter. Die Größe der Muschel nimmt nach Norden hin zu. Die Schale ist meist bräunlich oder schwarz und oft mit Kalk oder einem schwarzen Eisen-Mangan-Überzug verkrustet. Der Weichkörper der Flussmuschel ist hell. Am Hinterteil befindet sich die große Ein- und eine darüber befindliche glattrandige Ausströmöffnung. Das Vorderteil des Gehäuses wird von der Muschel eingegraben, so dass nur die Ein- und Ausströmungsöffnung an der Rückseite herausragen. Sie besitzt zur Fortbewegung einen Fuß, den sie zur Fortbewegung an der Unterseite zwischen den Klappen herausstrecken kann. Die Große Flussmuschel kann sehr alt werden. Einzelne Exemplare erreichen ein Alter von über fünfzig Jahren.
Status
BAV, RL SH/D 2/2
Erläuterungen
Status:
BAV = Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt
BAV ! = dto., aber streng geschützt
FFH = Fauna-Flora-Habitat Richtlinie Anhänge 2 und 4
RL = Rote Liste
CPu, ILu, akt. 15. März 2019